Stau auf der Wiener Südosttangente
ORF.at/Christian Öser
Energiepreise

Breite Kritik an „Antiteuerungspaket“

Das „Antiteuerungspaket“ der Regierung ist nach der Vorstellung am Sonntag nicht auf ungeteilte Zustimmung gestoßen. Zwar wurden einige Maßnahmen begrüßt, die Sozialpartner stießen sich aber daran, bei den Gesprächen nicht eingebunden gewesen zu sein. Einige Kritik löste die Erhöhung der Pendlerpauschale aus, vielen geht das Paket auch nicht weit genug.

Rund zwei Milliarden ist das Maßnahmenpaket schwer, das Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) Sonntagmittag in einer Pressekonferenz vorstellten. Der größte Brocken ist eine Senkung der Abgaben auf Erdgas und Strom bis Ende Juni 2023, die 900 Mio. Euro kosten soll.

400 Millionen Euro kostet die Erhöhung von Pendlerpauschale und Pendler-Euro sowie 150 Millionen Euro für Preissenkungen und eine Angebotserweiterung bei den „Öffis“. Weitere 120 Mio. Euro kostet jeweils die Entlastung heimischer Klein- und Mittelbetriebe mit hohem Treibstoffaufwand und die Förderung des Umstiegs auf alternative Antriebsformen in Betrieben. Dazu kommt eine Investitionsoffensive in Windkraft und Photovoltaikprojekte mit insgesamt 250 Millionen Euro.

„In Summe ein vernünftiger Kompromiss“ ist das Paket für den Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), Gabriel Felbermayr, – besonders positiv seien Maßnahmen, die nicht gekommen seien: der Verzicht auf eine Mehrwertsteuersenkung und auf behördliche Preisfestsetzungen. Positiv bewertete der Wirtschaftsforscher die Senkung der Strom- und Gasabgabe sowie Förderungen für öffentlichen Verkehr und erneuerbare Energieträger. Weniger gut seien die starke Erhöhung der Pendlerpauschale und fehlende sozialpolitische Entlastungen, so Felbermayr auf Twitter.

Maßnahmen für ÖGB „zu zaghaft“

Etwas anders die Einschätzung des ÖGB, der Direktzuschüsse für einkommensarme Haushalte und eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas und Strom fordert. Für ÖGB-Chef Wolfgang Katzian sind die Maßnahmen der Regierung „zu zaghaft“. Er verwies auf eigene Vorschläge vom November und wiederholte die Forderung nach einer Senkung der Preise für Treibstoff und Energie. Die Maßnahmen als große Entlastung zu präsentieren sei „völlig unangebracht“ so Katzian, der forderte, in weitere Verhandlungen eingebunden zu werden.

Im Ö1-Morgenjournal forderte er am Montag eine Preiskommission zur Regulierung der Preise mit Regierung, WIFO, Nationalbank und Sozialpartnern. „Die größten Schmerzen bei der Teuerung“ gebe es bei Menschen mit niedrigen Einkommen, bei Familien mit niedrigen Einkommen, daher brauche man dort Verbesserungen. Die Senkung der Erdgasabgabe und der Elektrizitätsabgabe reiche nicht aus – eine wesentlich höhere Entlastung hätte eine Halbierung der Umsatzsteuer gebracht, was man auch vorgeschlagen habe, sagte Katzian.

Gespräche mit Sozialpartnern am Mittwoch

In Gespräche eingebunden werden wollen auch Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer – die Regierung will am Mittwoch mit den Sozialpartnern reden. An den vorgestellten Maßnahmen solle aber dann nicht mehr gerüttelt werden, so Brunner, es seien viele Vorstellungen der Sozialpartner eingeflossen. Er hoffe, die Kritik entzünde sich „am Prozedere und nicht am Inhalt“, sagte Brunner.

Zwei-Milliarden-Entlastungspaket präsentiert

Spätestens seit dem Krieg in der Ukraine steigen die ohnehin schon hohen Energiepreise immer weiter. Deshalb hat die Regierung jetzt ein zwei Milliarden Euro schweres Entlastungspaket für private Haushalte und Unternehmen vorgestellt.

Die Arbeiterkammer erklärte dazu auf Twitter, dass man „sicher nicht nur über Preisbeobachtung reden“ wolle, sondern auch über Inhaltliches. AK-Präsidentin Renate Anderl forderte zuvor in ihrer Aussendung unter anderem den Umbau des „absurd ungerechten Pendlerpauschales“ zu einem Pendlerabsetzbetrag, um Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen zu entlasten. Zustimmung zur höheren Pauschale kam vom Momentum-Institut, dort sieht man aber ebenfalls Schwächen bei der sozialen Gerechtigkeit – und beim Klimaschutz.

Wirtschaft sieht „Tropfen auf den heißen Stein“

Nicht ausreichend beachtet fühlt sich laut Aussendung auch die Wirtschaftskammer (WKO): „Die fehlende Einbindung der Sozialpartner hat leider zu einer nicht ausreichenden und nicht praxisnahen Ausgestaltung der Maßnahmen geführt“, so WKO-Präsident Harald Mahrer. Die angekündigten Entlastungen seien „bestenfalls ein erster Versuch“, weitere Erleichterungen „unabdingbar“.

Gleich der Tenor der Industriellenvereinigung (IV), für die das Paket „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“ ist, die Maßnahmen gingen an der Realität der Unternehmen vorbei, so IV-Präsident Georg Knill. Industrie und Unternehmen brauchten weitere Entlastungen, etwa eine Strompreiskompensation, wie es sie in einigen EU-Ländern bereits gebe. Die Senkung der Energieabgaben auf Gas und Strom sichere nur kurzzeitig die Liquidität in den Unternehmen.

Für Bauernvertretung vieles ungewiss

Äußerst unzufrieden zeigte sich auch die Landwirtschaftskammer, die Entlastungen für den Bereich seien „völlig im Ungewissen“, so der Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich (LKÖ), Josef Moosbrugger, in einer Aussendung. Ohne ausreichende Unterstützung der Bäuerinnen und Bauern könnten weitere Betriebe ihre Produktion einstellen, damit steige die Abhängigkeit aus dem Ausland, warnte er. Der Handelsverband begrüßte das Paket, sieht die Energieintensität im Handel aber nicht ausreichend berücksichtigt.

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne)
APA/Tobias Steinmaurer
Brunner und Gewessler wollen an den Maßnahmen im Paket nicht mehr rütteln

„Enttäuscht“ zeigte sich der Präsident des Pensionistenverbandes. „Die von der Regierung heute vorgeschlagenen Maßnahmen sind für ältere Menschen kaum relevant“, so Peter Kostelka. „Ich erwarte, dass die Bundesregierung am Mittwoch tatsächlich mit den Sozialpartnern weitere Maßnahmen ausverhandelt“, er werde nicht „die heute präsentierten Maßnahmen formal absegnen“. Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec vermisste die von der Regierung erwähnte Treffsicherheit, gerade auch für Menschen im ländlichen Raum.

Opposition vermisst großen Wurf

Wenig enthusiastisch zeigte sich die Opposition. „Kosmetik“, aber keine nachhaltige Entlastung sieht NEOS in dem Paket, da viele Maßnahmen mit Ende Juni 2023 begrenzt seien. Der beste Inflationsschutz sei die Abschaffung der kalten Progression, erinnerte NEOS an ein Wahlversprechen. Als „Mogelpaket“ bezeichnete FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl die präsentierten Maßnahmen: Bei den Menschen komme zu wenig Entlastung an.

Statement von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP)

In keinem anderen EU-Land sei der Preis für Benzin so stark gestiegen wie in Österreich, hieß es von der SPÖ, die Mineralölkonzerne würden „das Geschäft ihres Lebens“ machen. Nach dem Preisgesetz sieht sie die Regierung verpflichtet, Höchstpreise festzulegen, die Senkung der Energieabgaben sei zu gering und nicht treffsicher – größte Einzelprofiteure seien etwa Thermenhotels.

Statement von Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne)

KPÖ-OÖ-Landessprecher und Gemeinderat Michael Schmida ist die Entlastung zu gering. Das angekündigte Maßnahmenpaket reduziere die Abhängigkeit von fossilen Energien kaum und wirke auch der Energiearmut nur unzulänglich entgegen. Als Lösung schlug er eine Energiegrundsicherung mit einer kostenlosen Basisversorgung, flankiert von gesetzlichen Preisregelungen im Energiesektor und kostenfreien „Öffi“-Angeboten vor.

ÖAAB zufrieden

Zustimmung zum „Antiteuerungspaket“ kam vom ÖAAB. Die Regierung unterstütze gezielt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die auf das Auto angewiesen sind, aber auch all jene, die auf öffentlichen Verkehr umsteigen, so ÖAAB-Bundesobmann August Wöginger in einer Aussendung. ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner verwies auf die Erhöhung der Pauschale, die Vervierfachung des Pendler-Euros und die Senkung der Elektrizitäts- und Erdgasabgabe als „Herzstück“ des Pakets.

Umstrittenes Entlastungspaket

Die Regierung will mit einem Zwei-Milliarden-Euro-Paket Haushalte, Pendler und Wirtschaft entlasten. Doch es wird auch Kritik an den Maßnahmen laut.

Kritik von Umweltschutzorganisationen

Die Umweltschutzorganisation WWF Österreich vermisste Energiesparmaßnahmen im Paket der Regierung. Es dürften nicht nur „Symptome der fossilen Teuerung“ bekämpft werden, sondern es müssten auch die Verschwendung von Energie wirksam gestoppt und der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen beschleunigt werden. Entsprechend kritisch die Bewertung des WWF für die gestiegene Pendlerpauschale.

Global 2000 forderte gesetzliche Maßnahmen für den Ausbau erneuerbarer Energien und bewertet das Paket als „völlig unzureichend“. Greenpeace kritisierte, mit dem Paket würden „Steuermilliarden nach dem Gießkannenprinzip verschwendet. Das ist weder für den sozialen Ausgleich noch fürs Klima sinnvoll“.

Analyse von ZIB-Innenpolitikchef Hans Bürger

Zwei Milliarden Euro soll das neue Entlastungspaket kosten, die Pandemie hat schon viel gekostet. Mit Blick auf den Staatshaushalt: Können wir uns das leisten, weil der Staat ja etwa beim Tanken viel mehr Steuern einnimmt? Oder reißt das neue Löcher?

Fridays For Future Austria bezeichnete das Energiepaket als „kontraproduktiv“ im Streben nach „Unabhängigkeit von russischem Öl und Gas“. Man zeige sich „enttäuscht über die fehlende soziale Treffsicherheit“, auch dem Klimaschutz seien die Maßnahmen alles andere als zuträglich. Die steuerlichen Begünstigungen fossiler Brennstoffe seien ein Rückschritt auf dem Weg zur Emissionsfreiheit. Als „klimaschädliche Subventionen“ würden sie auch einkommensschwachen Haushalten wenig weiterhelfen.

Der ÖAMTC begrüßte die Entlastung der Pendler und Pendlerinnen, sieht aber zu wenig Berücksichtigung von Menschen, die im Alltag auch auf das Auto angewiesen sind, etwa auf dem Land. Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) lobte die Maßnahmen zur Preissenkung und Ausbau bei „Öffis“ und hält die Erhöhung der Pendlerpauschale kurzfristig für treffsicherer als allgemeine Steuersenkungen. Es seien aber weitere Maßnahmen nötig, um die Erdölabhängigkeit des Verkehrs zu reduzieren.

Genaue Umsetzung der Maßnahmen noch offen

Wann die Maßnahmen umgesetzt und wirksam werden, hängt laut Gewessler und Brunner vom parlamentarischen Prozess ab. Eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Treibstoffe sei europarechtlich nicht zulässig, zudem sie sei nicht treffsicher, so Brunner bei der Vorstellung. Gewessler wiederum verteidigte die Erhöhung von Pendlerpauschale und Pendler-Euro als „zielgerichtete Maßnahme“, die Menschen für den Weg zur Arbeit zugutekomme, aber „nicht diejenigen belohnt, die zum Spaß mit dem Zweit-SUV durch die Innenstadt fahren“.

„im Zentrum“: Energie als Waffe – Wie werden wir Putins Gas los?

Putins Krieg gegen die Ukraine macht uns bewusst: Kaum ein anderes Land in der EU ist so abhängig von russischem Erdgas wie Österreich. Einen sofortigen Importstopp, wie es andere EU-Staaten fordern, könnte Österreich besonders schwer verkraften.

„Der Staat darf nicht an der Krise verdienen“, so Brunner, man wolle die Mehreinnahmen an die Bevölkerung zurückgeben. „Aus heutiger Sicht“ würden alle Maßnahmenpakete von in Summe nahezu vier Mrd. Euro nicht zu einer zusätzlichen Neuverschuldung führen. Allerdings werde man das erst im Nachhinein unter Berücksichtigung der tatsächlichen Energiepreise, Inflation und Wachstumsdaten endgültig sagen können.