Flucht aus Ukraine: Tunesischer Student festgenommen

Flüchtlinge aus der Ukraine werden in Österreich und der gesamten EU willkommen geheißen und versorgt – sofern sie Ukrainerinnen und Ukrainer sind. Studentinnen und Studenten, die beispielsweise aus Afrika stammen und in der Ukraine studiert haben, bekommen nicht automatisch ein Aufenthaltsrecht in Österreich.

Ein 21-Jähriger tunesischer Informatikstudent kam nach seiner Flucht in Österreich ins Gefängnis – „rechtswidrig“, wie der Anwalt des Mannes gegenüber Ö1 und ZIB2 sagte.

Flucht über Polen nach Linz

Der 21-jährige Raji Tebai hatte in der Stadt Dnipro Informatik studiert und den Ukraine-Krieg hautnah miterlebt. „Raketen sind keinen Kilometer von meiner Wohnung entfernt eingeschlagen. Der Feuerschein war, als würde die Sonne aufgehen mitten in der Nacht“, sagte er gegenüber der ZIB2.

Fünf Tage habe er wegen Krieges und Flucht nicht geschlafen, sagte Tebai. Über Polen floh er nach Linz, wo sein Onkel lebt. In Linz erkundigte er sich wegen einer Fortsetzung seines Studiums und ging zur Polizei, um sich zu melden: „Ich habe ihnen meinen Pass und meine ukrainische Aufenthaltskarte gezeigt. Ich habe gesagt, ich komme aus der Ukraine. Sie haben gesagt: Nein, du bist illegal da. Und ich habe gesagt, ich komme aus dem Krieg, wie kann ich illegal sein? Ich musste 24 Stunden ins Gefängnis – nach Flucht aus dem Krieg.“

Polizei behielt Dokumente

Als ihn die Polizei wieder freiließ, behielt sie seine Dokumente. Erst wenn er ein Flugzeug nach Tunesien nehme, bekomme er sie zurück, hieß es. Sein nunmehriger Anwalt Clemens Lahner sagte: „Die Festnahme war rechtswidrig, und auch die Abnahme der Dokumente war rechtswidrig. Wer aus humanitären Gründen fliehen muss und einreist, den darf man nicht allein deswegen festnehmen und ihm auch nicht allein deswegen die Dokumente abnehmen.“

Ein Sprecher des Innenministeriums sagte dagegen sinngemäß zu Ö1: Wenn ein geflüchteter Drittstaatsangehöriger nicht in sein Heimatland weiterreisen wolle, dann sei er als „illegal“ aufhältig zu betrachten.

Unirektor: Chance auf Studium in Linz

Der 21-Jährige hätte Chancen, in Linz weiterzustudieren, so Unirektor Meinhard Lukas gegenüber Ö1: „Der tunesische Kollege, der aus der Ukraine geflüchtet ist, hätte bei uns eine sehr konkrete Chance gehabt zu studieren. Die Kollegen aus der Informatik hätten wahrscheinlich einen sehr nahtlosen Einstieg bei uns und eine Fortsetzung seiner Studien ermöglicht.“

Warum er nicht in sein Heimatland zurückkehren wolle, erklärte Tebai damit, dass es seine Studienrichtung dort nicht gebe und dass selbst Akademiker in Tunesien nur geringe Jobchancen hätten und von Armut bedroht seien

Er weiß, dass Deutschland anders als Österreich auch aus der Ukraine geflüchteten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsrecht gewährt:
„Meine Freunde aus der Ukraine – die Marokkaner, Tunesier, Algerier und Iraker –, die haben Visa bekommen und Geld und eine Unterkunft in Deutschland.“

Erhalt von Visum nicht ausgeschlossen

Ausgeschlossen scheint es aber nicht, dass er nun ein Studierendenvisum für Österreich bekommt. Anträge müssen zwar im Ausland gestellt werden – aber laut Informationen aus dem Innenministerium wäre das schon von Bratislava aus möglich. Seine Dokumente bekommt er nun jedenfalls zurück.