Archive des Schreibens

Die Grenzgänge der Teresa Präauer

„Archive des Schreibens“ nennt sich ein neues Projekt des ORF, das gemeinsam für TV und Online die neue Generation des Schreibens in Österreich porträtiert. Die Autorinnen und Autoren sprechen dabei über sich selbst, ohne dass jemand ihre Arbeit von außen kommentiert. Bis zum Österreich-Schwerpunkt bei der Leipziger Buchmesse 2023 sollen zahlreiche Porträts des neuen Schreibens entstehen und darüber hinaus weiter produziert werden. Die Art, wie die Welt schreibend gesehen wird, kann so Bestand eines Archivs der Gegenwart und der Zukunft sein. Gerade in einer schwierigen Umbruchszeit wie jetzt.

Was, wenn nur noch Autorinnen und Autoren über ihre eigene Standortbestimmung sprechen? Und nicht immer die Besserwisser aus dem Feuilleton sagen, was gut ist und was nicht. „Archive des Schreibens“ sucht einen neuen Zugang zu den jungen Stimmen aus Österreich, die gerade den deutschsprachigen Buchmarkt (und darüber hinaus) bestimmen.

Literatur spricht über sich selbst und denkt vor uns allen über ihre eigene Bauart, über die Zugänge zum Schreiben und über die Sicht der Welt nach. Wonach wird die literarische Welt geordnet? Wie situiert man sich in der Gegenwart? Im Zuge des ORF-Player-Projekts Topos sollte eine neue Sprache gefunden werden, wie Literatur über sich selbst spricht. Das erste Ergebnis davon ist am Montagabend im Rahmen von „kultur.montag“ zu sehen, wo alle Porträts wie auch in ORF.at und ab Herbst auch in Topos, dem neuen Angebot des ORF für das digitale Zeitalter, gezeigt werden.

TV-Hinweis

Das erste Kapitel von „Archive des Schreibens“ ist im Rahmen von „kultur.montag“ ab 22.30 Uhr in ORF2 zu sehen.

Ein Archiv des Schreibens und der Vielfalt der Gegenwartsstimmen soll so entstehen und auch der Grundstock eines österreichischen Archivs der Gegenwartsliteratur sein, das zuletzt in Leipzig vorgestellt wurde.

Auftakt mit starken Autorinnen

Nicht zuletzt wird das Archiv Autorinnen in den Vordergrund rücken, die in der letzten Zeit aufgezeigt haben. So macht die 1979 in Linz geborene Teresa Präauer den Anfang der Serie. Anna Baar und Valerie Fritsch werden als Nächste in diesem neuen Format folgen, das nicht zuletzt auf einen Soundtrack zurückgreift, den uns die Künstlerinnen vorschlagen.

Fotostrecke mit 4 Bildern

Bild von Teresa Präauer mit Schrit
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Das Museum als Ort der Erfahrung bei Präauer
Ausschnitt von Präauer mit Mantel
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Dinge von einer anderen, schrägen Seite als Auftrag für das eigene Schreiben
Bild Teresa Präauer
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„Möchte berührt werden, aber nicht übergriffi sein“

Präauer zählt zu den markantesten österreichischen Autorinnen ihrer Generation: Bereits mit ihrem Debüt „Für den Herrscher aus Übersee“ erhielt sie große Aufmerksamkeit. Bereits in diesem Text spielt das Thema Kindheit eine zentrale Rolle: Wie überhaupt in ihrer Literatur dieser Grunderfahrung jedes Menschen viel Aufmerksamkeit zukommt.

„Kindheit ist keine märchenhafte Erfahrung“

„Kindheit oder fingierte Kindheit nicht als Zeit des märchenhaften, liebevollen Lebens, sondern vielleicht auch in ihrer Härte“, das sei ein Antrieb ihrer Gestaltung, wobei „Härte dann aber auch heißen könnte, sich in einer Kindheitsbande durchsetzen zu müssen“, sagt sie in „Archive des Schreibens“.

Die Art, wie in Präauers Literatur die Gemachtheit der Texte ausgestellt und reflektiert wird, wie sie mit Genregrenzen und Forminnovationen spielt, wie leidenschaftlich sie ästhetische Grenzbereiche auslotet, knüpft an eine reiche literarische Avantgardetradition an und ist zugleich singulär in der Gegenwart.

„Archive des Schreibens“ mit Teresa Präauer

„Suche nach etwas, das meinen Blick nicht schon bestätigt“

Im ersten Kapitel von „Archive des Schreibens“ zeigt Präauer ihre Literatur als eine Form der Suche – „eine Suche, die nicht bestätigt, was ich schon weiß“. Wenn sie schreibe, dann wolle sie „berührt“ werden: „Es soll mich und andere berühren, aber es muss eine Armlänge Abstand da sein. Mir ist es wichtig, nicht übergriffig zu sein, und ich möchte auch nicht von außen übergriffig behandelt werden.“ Das Brecht’sche Motto „Glotzt nicht so romantisch!“ stehe jedenfalls als Motto über all ihren Texten.

Für sie sei die Kunst eine wichtige Grunderfahrung, weil man die Welt mit anderen Augen zu sehen lerne. Ein Maler, der sie dabei sehr fasziniere, sei David Hockney: „Wenn man ihm sagt: Eine Landschaft kann man eigentlich nicht mehr malen, dann male er sie erst recht“ – dieser Haltung könne sie sehr viel abgewinnen.

„Reicher Schatz der Langeweile“

Einer der reichsten Schätze für ihr Schreiben sei die Langeweile, die man als Kind vom Land erfahre – „die führt dazu, dass man sich dauernd etwas ausdenken muss“. Autobiografisches und Essayistisches, Erfundenes und Gefundenes wird auch in ihrem neuen Buch „Mädchen“ übereinandergelegt.

Es ist das Spiel zwischen Distanz und Nähe, zwischen dem, was als künstlich gilt, und dem, was als natürlich, das Präauers Literatur prägt. Das Denken von Kunst als nutzlose und gerade deshalb überlebensnotwendige Einrichtung der Welt ist grundlegend. Die Freiheit der Kunst: Sie gehört auch in finsteren Zeiten mit allen Kräften verteidigt, weil sie jenes Offene markiert, das den Menschen erst zum Menschen werden lässt: Davon ist Präauer überzeugt.