Afghanische Schülerin mit Schulbuch
APA/AFP/Javed Tanveer
Afghanistan

Mädchen dürfen doch nicht in die Schule

Entgegen früheren Zusagen dürfen Mädchen in Afghanistan nun doch nicht in weiterführende Schulen – vorerst, wie es von den radikalislamischen Taliban hieß. Zunächst soll eine Schuluniform entworfen werden, die sich nach den Werten der Scharia sowie der „afghanischen Kultur und Tradition“ richte. Am Mittwoch waren die Schulen geöffnet und für Mädchen sofort wieder geschlossen worden.

Bis auf Weiteres bleibe Schülerinnen ab der siebenten Klasse die Teilnahme am Unterricht untersagt, teilte das Bildungsministerium laut der staatlichen Nachrichtenagentur Bakhtar am Mittwoch mit. Eigentlich hatten die Taliban angekündigt, dass mit Beginn des neuen Schuljahrs am Mittwoch unter Auflagen auch Mädchen in weiterführenden Schulen am Unterricht teilnehmen dürfen.

Noch am Dienstagabend veröffentlichte ein Sprecher des Bildungsministeriums ein Video, in dem er allen Schülerinnen zur Rückkehr in den Unterricht gratulierte. Nun hieß es jedoch in der Mitteilung des Ministeriums, dass die Schulen für Mädchen bis zur nächsten Anweisung geschlossen würden, wie Bakhtar weiter berichtete. Lehrerinnen und Schülerinnen von drei Gymnasien in der Nähe der Hauptstadt Kabul sagten, die Mädchen hätten Mittwochfrüh die Weisung erhalten, wieder nach Hause zu gehen.

Taliban schließen Mädchenschulen

Die radikalislamischen Taliban haben wenige Stunden nach der offiziellen Öffnung von Schulen für Mädchen in Kabul diesen Beschluss offenbar rückgängig gemacht. Ein Sprecher der Taliban bestätigte, dass Mädchen wieder nach Hause beordert worden waren. Einen Grund für den kurzfristigen Kurswechsel nannte er nicht.

Viele Schülerinnen reagierten angesichts der kurzfristigen Absage, die sie direkt vor den Schulgebäuden erreichte, enttäuscht und traurig. „Wir sind auch Menschen, warum sollen wir nicht in die Schule gehen dürfen? Was ist unsere Schuld? Die Tränen, die ich vergieße, sind wie das Blut meines blutenden Herzen“, sagte eine Schülerin weinend dem TV-Sender Tolonews.

Unterricht nach bestimmten Regeln

Die UNO-Mission in Afghanistan (UNAMA) verurteilte auf Twitter die Entscheidung der Taliban. „Ich habe beunruhigende Berichte gehört, dass Schülerinnen nach der sechsten Klasse von den Behörden nicht mehr in die Schule eingeladen werden“, twitterte UNAMA-Leiterin Deborah Lyons. „Wenn das stimmt, was könnte der Grund dafür sein?“

Für die Rückkehr von Schülerinnen ab zwölf Jahren und Lehrerinnen sollten bestimmte Voraussetzungen geschaffen werden. Dazu sollte gehören, dass Mädchen den islamischen Hidschab tragen und in separaten Gebäuden von weiblichen Lehrkräften unterrichtet werden müssen.

Mädchenklasse in afghanistanischer Hauptstadt Kabul
APA/AFP/Ahmad Sahel Arman
Eigentlich gab es schon klare und strikte Vorschriften für den Schulbesuch

Nach der Machtübernahme der Taliban vor rund sieben Monaten war in den allermeisten Provinzen nur Unterricht von Schülerinnen bis zur sechsten Klasse erlaubt. An Universitäten finden Seminare nach Geschlechtern getrennt statt. Als die Islamisten im August 2021 die Macht übernahmen, hatten sie offiziell wegen der CoV-Pandemie alle Schulen geschlossen. Zwei Monate später durften nur Buben und einige jüngere Mädchen den Unterricht wieder aufnehmen.

Taliban verschärfen laufend Vorschriften

In den vergangenen Monaten haben die Taliban immer strengere Vorschriften für das öffentliche Leben erlassen. So sollen Frauen ohne männliche Begleitperson nicht weiter als rund 70 Kilometer reisen dürfen. In Autos darf keine Musik gespielt werden. Frauen können in vielen Fällen nicht zurück an ihre Arbeitsplätze. Viele flohen seit der Machtübernahme der Islamisten aus dem Land.

Während der ersten Herrschaft der Taliban in Afghanistan, die von 1996 bis 2001 dauerte, waren Bildung und die meisten Berufe für Frauen verboten. Die internationale Gemeinschaft hat die Bildung von Mädchen zu einer der Hauptforderungen für eine künftige Anerkennung der Taliban-Regierung gemacht. Die Taliban waren mit dem Versprechen angetreten, dass ihre neue Herrschaft über das Land milder ausfallen werde als einst in den 90er Jahren.