Chinas Außenminister reist überraschend nach Indien

In das wegen Grenzkonflikten angespannte Verhältnis zwischen Indien und China kommt Bewegung. Der chinesische Außenminister Wang Yi wird am Freitag zu Gesprächen nach Neu-Delhi reisen, wie ein indischer Regierungsvertreter heute der Nachrichtenagentur Reuters sagte. Eine offizielle Bestätigung des Termins gibt es bisher weder von der einen noch von der anderen Seite.

Wang, der diese Woche an einer Konferenz der Organisation für Islamische Zusammenarbeit in Pakistan teilgenommen hat und am Freitag auch Nepal besuchen will, soll mit dem indischen Außenminister Subrahmanyam Jaishankar zusammentreffen. Auch der Nationale Sicherheitsberater Ajit Doval soll dabei sein.

Ein Thema der Gespräche dürfte der russische Einmarsch in die Ukraine sein. Weder China noch Indien haben Russlands Invasion bisher verurteilt. Russland, das seine Aktionen als „spezielle Militäroperation“ bezeichnet, zählt sowohl China als auch Indien zu den befreundeten Mächten.

Angespanntes Verhältnis

Die Beziehungen zwischen den beiden bevölkerungsreichsten Ländern der Welt hatten sich im Juni 2020 eingetrübt. Damals kamen 20 indische und vier chinesische Soldaten bei einem Zusammenstoß in einem Teil des westlichen Himalaya ums Leben, den beide Länder für sich beanspruchen. Seitdem hat Indien vielen chinesischen Unternehmen die Tätigkeit auf dem Subkontinent untersagt.

Wang sagte kürzlich in Peking, dass die beiden größten Nationen Asiens einander helfen sollten, ihre Ziele zu erreichen, anstatt „sich gegenseitig die Energie zu rauben“. „Einige Kräfte“ hätten versucht, Konflikte und Spaltungen zwischen beiden Ländern herbeizuführen, sagte der Außenminister, ohne jedoch konkret zu werden.

Abgesehen von den Spannungen im Himalaya rührt Indiens Misstrauen gegenüber China auch von Pekings Unterstützung für den alten Feind Pakistan. Beide Mächte ringen zudem um Einfluss in Nepal, während in Neu-Delhi zugleich Chinas wirtschaftlicher Einfluss in Bangladesch, Myanmar und Sri Lanka misstrauisch beäugt wird.