Zentrum der indonesischen Hauptstadt Jakarta
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Hauptstadt-Projekt

Indonesien muss Milliardenloch stopfen

Im Jänner hat das indonesische Parlament den Weg für den Bau einer neuen Hauptstadt auf der Insel Borneo frei gemacht. Im März schlug Präsident Joko Widodo medienwirksam mitten im Dschungel, wo die neue Megastadt Nusantara entstehen soll, für eine Nacht sein Zelt auf und läutete so symbolisch den Abschied von Jakarta als Dreh- und Angelpunkt des Inselstaats ein. Nach dem Rückzug der japanisch-südkoreanischen SoftBank Group als Investor steht das 32,5-Milliarden-Dollar-Projekt nun aber auf finanziell wackeligen Beinen.

Präsident Widodo hatte die Pläne, Jakarta als Hauptstadt aufzugeben und sie 2.000 Kilometer entfernt im östlichen Teil von Borneo auf einer Fläche von gut 56.000 Hektar wieder aufzubauen, bereits 2019 angekündigt. Als Gründe nannte der 60-jährige Staatschef die negativen Auswirkungen der enormen Bevölkerungsdichte von rund 30 Millionen Menschen in der Metropolregion, die hoffnungslos überlastete Infrastruktur sowie den steigenden Meeresspiegel. Experten schätzen, dass bereits 2050 ein Drittel von Jakarta überflutet sein könnte.

Als beste von drei Lösungen entschied man sich für die radikalste, nämlich einen kompletten Neubau der Hauptstadt. Nachdem das Parlament im Jänner grünes Licht gegeben hatte, hatten Widodo und Gouverneure aus allen Teilen des riesigen Inselstaats den Standort der künftigen Hauptstadt mit einer feierlichen Zeremonie eingeweiht. Der Umzug sollte ursprünglich bereits 2020 starten, musste wegen der Coronavirus-Pandemie aber verschoben werden. Erste Teile der Regierung sollen nun 2024 umziehen. Bis zum Abschluss des Umzugs könnten laut Widodo weitere zehn Jahre vergehen. Doch der Plan stößt auf Hindernisse.

Auf der Suche nach 30 Milliarden Dollar

Dazu zählt neben anhaltenden Protesten von Umweltschützern, die befürchten, der Bau der neuen Hauptstadt, der auf eine Investitionssumme von 32,5 Milliarden Dollar geschätzt wird, könnte wertvolle Ökosysteme der Region zerstören, vor allem die jüngste Entscheidung der SoftBank Group, sich aus dem Projekt komplett zurückzuziehen. Vor zwei Jahren hatte Luhut Panjaitan, der Minister für maritime Angelegenheiten und Investitionen, noch berichtet, dass das in Tokio ansässige Unternehmen bereit sei, zwischen 30 und 40 Milliarden US-Dollar in das Projekt zu investieren.

SoftBank-Vorstandschef Masayoshi Son wollte sich indes nie auf einen Betrag festlegen. „Wir werden über keine konkreten Zahlen reden. Aber eine neue Smart-City, die neuesten Technologien, eine saubere Stadt und viel künstliche Intelligenz — das wollen wir unterstützen“, erinnert die „Asia Times“ an eine frühere Aussage des 64-Jährigen. Schon damals wunderten sich viele Finanzexperten allerdings, wie sich die hohen Ausgaben aufgrund der wirtschaftlich instabilen Lage in Indonesien rechnen sollten, da das Projekt offenbar nicht genug Potenzial habe, Cashflow zu generieren.

SoftBank Group provoziert Ausstieg

Einige Analysten vermuten deshalb, dass die SoftBank Group gar kein ernsthaftes Interesse an dem Projekt hatte, sondern nur Kontakte zu einflussreichen Leuten im Dunstkreis der indonesischen Regierung knüpfen wollte. Die Gruppe hat bereits in der Vergangenheit Kooperationen angekündigt, die sich am Ende in Luft aufgelöst haben. So unterzeichnete der japanisch-südkoreanische Magnat etwa 2018 mit Saudi-Arabien eine Grundsatzvereinbarung für die Entwicklung von Solarenergie im Wert von 200 Milliarden US-Dollar, damals die weltweit größte Initiative für erneuerbare Energien. Doch aus der Zusammenarbeit wurde nichts.

Rendering des zukünftigen indonesischen Präsidentenpalastes
APA/AFP/Nyoman Nuarta
So soll der künftige Präsidentenpalast in der neuen Hauptstadt Nusantara einmal ausschauen

Laut dem indonesischen Nachrichtenportal Katadata habe SoftBank-CEO Son den Ausstieg der SoftBank Group, die zudem in finanziellen Turbulenzen stecken soll, aus dem Nusantara-Projekt mit „unangemessenen Forderungen“ provoziert. So soll der 64-Jährige, der unter anderen neben dem Kronprinzen von Abu Dhabi, Mohammed bin-Sajed al-Nahjan, sowie dem ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair im Lenkungsausschuss des Projekts sitzt, verlangt haben, dass die neue Hauptstadt von Beginn an fünf Millionen Einwohner beherbergen müsse. Prognosen gingen jedoch nur von rund 1,5 Millionen in den ersten zehn Jahren aus. Außerdem sollte die gesamte Industrie aus dem Großraum Jakarta ebenfalls nach Ostkalimantan auf Borneo übersiedelt werden. Forderungen, die die Regierung weder erfüllen konnte noch wollte.

„Es gibt keinen Masayoshi mehr, er ist draußen“

Indonesien muss sich jedenfalls auf die Suche nach neuen Geldquellen machen. „Es gibt keinen Masayoshi (Son, Anm.) mehr, er ist draußen“, stellte Investitionenminister Panjaitan klipp und klar fest und brachte unter anderem Saudi-Arabien und China ins Spiel. Allerdings darf bezweifelt werden, dass Präsident Widodo eine Kooperation mit den Chinesen eingeht, da man bereits jetzt dem Vorwurf entgegentreten muss, ein Handlanger Pekings zu sein. Ein Einstieg Saudi-Arabiens, mit dem man freundschaftliche und wirtschaftliche Kontakte pflegt, ist laut Einschätzung der „Asia Times“ wahrscheinlicher.

Karte von Indonesien
Grafik: APA/ORF.at

Die Finanzierung war schon immer umstritten. Für die Infrastruktur und die Regierungsgebäude inklusive Präsidentenpalast und Parlament will die Regierung fünf Milliarden US-Dollar in die Hand nehmen, insgesamt sollen 19 Prozent aus dem Staatshaushalt fließen. Der Rest soll von Investoren aus dem In- und Ausland sowie staatlichen Unternehmen abgedeckt werden. Neben dem Verkauf oder der Vermietung bestehender Regierungsbüros in Jakarta sollten weitere Mittel aus einem Fonds stammen, der hauptsächlich ausländisches Kapital verwendet. Die Vereinigten Arabischen Emirate hatten im März 2021 schon zehn Milliarden US-Dollar zugesagt, Investoren aus den USA, Kanada, Japan und den Niederlanden laut Medienberichten angeblich insgesamt 9,5 weitere Milliarden.

Sicher sein darf sich Präsident Widodo der Unterstützung der Asia Development Bank (ADB), deren Vizepräsidenten Bambang Susantono er gerade zum Leiter der neuen Hauptstadtbehörde (IKN) gewählt hat. „ADB freut sich darauf, bei der Planung des historischen Umzugs der indonesischen Hauptstadt von Jakarta nach Nusantara behilflich zu sein“, sagte Ahmed Saeed, ADB-Vizepräsident für Ostasien und Südostasien. „Die Entwicklung einer brandneuen Stadt bietet die einzigartige Chance, zu lernen, was eine Stadt zum Leben, Arbeiten und Spielen lebenswert und effizient macht.“