Rubelscheine
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„Retourkutsche“

Russland will nur noch Rubel für Gas

Der russische Präsident Wladimir Putin hat angekündigt, dass Gaslieferungen nur noch in Rubel abgerechnet werden sollen. Das gelte künftig für „unfreundliche Staaten“, also auch für die EU. Für Fachleute ist diese „Retourkutsche“ ein überraschender Schachzug Putins, der sich davon Vorteile für die strauchelnde Wirtschaft erwartet.

Putin verkündete die Maßnahme am Mittwoch bei einer im Fernsehen übertragenen Kabinettssitzung, die Zahlungsmethode „unfreundlicher Staaten“ werde umgestellt. Russland werde seinen vertraglichen Verpflichtungen bei der Menge und den Preisen nachkommen, die Änderungen beträfen nur die Währung. Die genauen Details der Umsetzung würden die Regierung und Notenbank in Moskau innerhalb einer Woche klären. Der Energiekonzern Gasprom sei angehalten worden, die Verträge entsprechend zu ändern.

Die EU – und dabei besonders Österreich – ist stark abhängig von russischen Öl- und Gaslieferungen. Reuters-Daten von Ende Jänner zufolge wurden 58 Prozent der Gasprom-Lieferungen nach Europa und in weitere Länder in Euro abgerechnet. Auf der russischen Liste „unfreundlicher Staaten“ stehen die Länder, die Sanktionen gegen Firmen und Individuen verhängt haben. Darunter sind die EU, die Großbritannien, Japan, Kanada, Norwegen, Singapur, Südkorea, die Schweiz und die Ukraine. Zu den Sanktionen gehört auch das Einfrieren russischer Vermögenswerte im Ausland.

Gunter Deuber, Leiter von Raiffeisen Research, bezeichnet Putins Ankündigung als „interessanten Schachzug“. Er zwinge so den Westen, sich weiter mit der russischen Währung zu beschäftigen, und die EU könnte eventuell gezwungen sein, ihre Sanktionen gegen Russland und die Zentralbank im Zahlungsverkehrsbereich teilweise zu überdenken, so Deuber zur APA.

Nachfrage nach Rubel soll steigen

Auf dem Finanzmarkt sei dieser Schritt Putins so nicht erwartet worden und daher leicht überraschend, sagte Deuber. Gerechnet worden sei eher mit einem Exportstopp russischer Rohstoffe wie bestimmte Industriemetalle, auf die Europas Industrie angewiesen ist. Dass Russland die EU-Kunden zwingt, Gas in Rubel zu bezahlen, schaffe für die russische Währung jedenfalls eine internationale Nachfrage, die den Rubel-Kurs auch mittelfristig stabilisiere.

Neue Gaspolitik

In 28 Jahren, 2050, will die OMV aus dem Öl- und Gasgeschäft aussteigen. Die Gaslieferverträge mit Russland laufen noch bis ins Jahr 2040. Ein schneller Ausstieg ist also nicht möglich, auch wenn der Druck wegen des Ukraine-Kriegs steigt. Vor allem der ehemalige Vorstand hat verstärkt auf das Geschäft mit Russland gebaut, jetzt ist eine neue Strategie präsentiert worden: Man will – wie weltweit so gut wie alle Ölunternehmen – grüner und nachhaltiger werden. Kann der Kurswechsel gelingen?

Der Schritt könnte auch eine Vorbereitung auf einen technischen Zahlungsausfall Russlands und deshalb von strategischem Interesse sein. Im Mai läuft eine Ausnahmeregel der USA zu den Sanktionen aus, danach sei Russland ohne Korrespondenzbanken technisch nicht mehr in der Lage, seine Schulden und Zinsen im Ausland in Dollar zu bedienen, erklärte Deuber. Bei Rubel hätten Anleihengläubiger schwerer Zugriff oder Anspruch auf Zahlungen an Russland als bei Zahlungen in Fremdwährungen.

EU müsste mit Rubel handeln

Jedenfalls bedeute es für die EU, selbst mit Rubel handeln zu müssen, wenn man mit Russland Gasgeschäfte machen will. Damit stelle sich eben auch die Frage, wie tief könne man die russische Notenbank sanktionieren, da man für den Währungshandel Zahlungskanäle und Tauschmöglichkeiten brauche. Jedenfalls könne der Westen Russland nun nicht komplett isolieren, so Deuber.

Putin zwingt Westen zu Rubel-Zahlungen

Für Gaslieferungen aus Russland müssen Kunden aus feindlichen Ländern künftig in Rubel bezahlen. Feindlich ist aus Russlands Präsident Putins Sicht auch Österreich und die gesamte EU. Ein weiterer Preisanstieg ist die Folge.

Derzeit gebe es für Rubel keine Kursbildung auf dem freien Markt, es sei schwer, mit Rubel, Euro und Dollar zu handeln. Für Kunden, die nun in Rubel bezahlen müssen, sei das Währungsrisiko kaum abzusichern, zumindest aber sei dies sehr teuer. Daher sei es auch keine Preiserleichterung, auch wenn der Rubel seit der Invasion abgewertet hat.

OMV zahlt weiter in Euro

Bei langfristigen Verträgen, wie sie etwa die Gasprom mit der österreichischen OMV hat, vermutete Deuber, dass ein Wechsel der Währung nicht so einfach erfolgen kann. Vielleicht sei dies, so Deuber, aus Putins Sicht sogar eine gute Mischung, wenn man bei langfristigen Verträgen weiter wichtige Devisen erhalte und gleichzeitig die EU dennoch zwinge, den Handel mit Rubel offen zu halten.

Die Verträge der heimischen OMV lauten auf Euro. Sie will die Lieferungen laut Generaldirektor Alfred Stern „natürlich“ auch weiterhin in Euro und nicht in Rubel bezahlen: „Wir haben keine andere Vertragsgrundlage, ich dürfte so etwas gar nicht“, sagte er laut Vorabinformationen des TV-Senders Puls4 in einem Puls24-Interview. „Bei uns hat noch niemand angerufen, wir haben auch bestehende Verträge, da ist es so nicht vereinbart. Ich werde jetzt mal warten, ob da jemand auf uns zukommt.“

Unerwartete „Breitseite“

Jens Südekum, Professor am Institut für Wettbewerbsökonomie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, sprach gegenüber Reuters von einer „Eskalation des Wirtschaftskrieges“. „Diese Breitseite haben nicht viele erwartet.“ Für Südekum stellte dies einen klaren Vertragsbruch dar. „Für Gaslieferungen gibt es langfristige Verträge, die auf Dollar lauten. Wenn Putin nun erklärt, er akzeptiere nur noch Rubel, bricht er diese Verträge.“ In irgendeiner Form werde der Westen nun reagieren müssen. „Ein Embargo von Energieimporten aus Russland ist nun wahrscheinlicher geworden.“

Wohl kaum genug Rubel vorhanden

„Putin sendet damit zunächst einmal ein politisches Signal“, sagte der Analyst Ralf Umlauf von der Landesbank Hessen-Thüringen der Finanznachrichtenagentur dpa-AFX. „Letztlich handelt es sich wohl um eine Retourkutsche auf die verhängten Sanktionen des Westens.“ Darüber hinaus stütze die Maßnahme eben den Rubel, weil dieser dann verstärkt nachgefragt würde. Das könnte auch der angeschlagenen russischen Wirtschaft zugutekommen.

Inwieweit die Liquidität auf dem Rubel-Markt derzeit ausreiche, um alle Gasrechnungen in der russischen Währung zu begleichen, sei schwer zu sagen, so Umlauf. „Besonders tief dürfte der Markt nicht sein, weil ja alle westlichen Länder faktisch außen vor sind.“ Allerdings könne die russische Notenbank theoretisch unbegrenzt Rubel drucken und an die Käuferländer gegen Devisen abgeben, wobei der Umtauschkurs fraglich sei. „Die russische Notenbank wird schon einen Weg finden, das in die Wege zu leiten“, sagte Umlauf.

Womöglich noch andere Exporte betroffen

Die Ankündigung wirkte sich am Mittwoch auf den zuletzt eingebrochenen Rubel-Kurs aus, der gegenüber dem Dollar und dem Euro wieder etwas an Wert gewann. Putin deutete zudem an, dass von der Umstellung auf Rubel auch andere russische Exporte betroffen sein könnten. Es sei „klar, dass die Lieferung unserer Waren in die EU, die Vereinigten Staaten, und der Erhalt von Dollar, Euro und anderen Währungen dafür, für uns keinen Sinn mehr ergibt“, sagte Putin.