Als Star der Stunde Zendaya („Euphoria“, „Dune“, „Spider Man“) bei der Pariser Modewoche Anfang März von Kopf bis Fuß in Pink über den im selben Farbton gefärbten Teppich spazierte, blieb der Modeszene beinahe die Luft weg. Zendayas Auftritt bei der Schau von Valentino sorgte für Schlagzeilen, und – im 21. Jahrhundert fast noch wichtiger – der Look wurde auch zur Sensation im Netz. Mindestens genauso gefeiert wurde freilich Valentino-Designer Pierpaolo Piccoli, der mit seiner in Pink gehaltenen Schau einen Coup landete.
Piccoli ließ für seine Herbst/Winter-Kollektion 2022/23 mit „Pink PP“ gar einen eigenen Farbton entwickeln, der auch ins Pantone-Farbregister aufgenommen wurde. Piccoli, so viel ist klar, war an einer Neuinterpretation der klischeebehafteten Farbe bemüht – wofür er sich auch die Hilfe von dem Journalisten und Schriftsteller Douglas Coupland holte. „Pink ist eine Form von Freiheit, die im Farbreich vielleicht nirgends sonst existiert“, teilt Valentino via Instagram mit. Sie sei die Farbe der Liebe, der Gemeinschaft, der Energie und Freiheit.

Hype in Zahlen
Der Pink-Hype zeichnet sich auch in den Daten ab: Der Modesuchmaschine Lyst zufolge stiegen die Suchen nach Waren in dem Farbton im vergangenen Monat um 24 Prozent an. Insbesondere infolge der Valentino-Schau schnellten die Suchen in die Höhe. Auch in Kategorien schlüsselte Lyst die Suchen auf: Am schnellsten wuchsen demnach die Kategorien Blazer (plus 34 Prozent), Kleider (plus 16 Prozent) und Taschen (plus 45 Prozent). Laut „Harper’s Bazaar“ spiegle sich Ähnliches in den US-Google-Suchen wider.
Valentino ist keineswegs das einzige Designerlabel im Pinkfieber: Zu sehen war der Farbton auch auf den Laufstegen des französischen Designerlieblings Jacquemus sowie bei den Traditionshäusern Versace und Chanel. Simon Porte Jacquemus, der in den letzten Jahren immer wieder ein Händchen für Social-Media-taugliche Trends bewies, tauchte seinen Pop-up-Store bereits Anfang Dezember in Paris in Pink. Auch nachhaltige Marken wie das österreichische Label Dariadeh, das mehr auf zeitlose denn trendige Looks setzt, vertraute heuer bei Pullovern und Blusen auf die knallige Farbe.
Der Weg zum Farbtrend
Davon, dass 2022 bisher in Pink erstrahlt, zeigt man sich beim renommierten Londoner Trendprognoseinstitut WGSN gegenüber ORF.at nicht überrascht. „Wir identifizieren die Trends ja zwei Jahre vorher“, erklärt die WGSN-Expertin Petra Winter. Das Londoner Institut und die US-Farbfirma Pantone geben in Sachen Farbtrends seit Jahren den Ton an.
Das heißt: Wenn WGSN einen Trend identifiziert, dann orientieren sich Modekonzerne bei der Erstellung ihrer Kollektionen auch oftmals daran. Je mehr Labels auf den Farbzug aufspringen, desto größer der Trend. Nur was ist für WGSN bei der Bestimmung eines Farbtrends überhaupt ausschlaggebend? Laut Winter werden dazu bereits bestehende Megatrends, das gegenwärtige Weltgeschehen und das Konsumverhalten der Menschen analysiert.
Pink gegen den Pandemieblues?
Vor zwei Jahren wurde etwa erwartet, dass die Pandemie 2022 weitgehend überstanden sei. Deshalb kürte WGSN auch den frohen Farbton „Orchid Flower“ zur Farbe des Jahres 2022. Der Farbton habe eine „intensive, hyperreale und energetisierende Qualität, die sowohl im realen Leben als auch in digitalen Settings heraussticht“, hieß es da. „In einer fordernden Zeit ist dieser strahlende Magenta-Ton eine großartige Art und Weise, um Positivität und Eskapismus zu schaffen.“
Auch in Trendberichten von Pantone wurde damit gerechnet, dass Pink-Nuancen wie „Bubblegum Pink“ und „Innuendo“, aber auch der zartrosa Farbton „Gossamer Pink“ den Frühling 2022 dominieren. Anders als WGSN machte Pantone aber den Violettton „Very Peri“ zur Farbe des Jahres. Zeigen wollte Pantone mit der Wahl – ebenso wie WGSN mit „Orchid Flower“ – eine „lebhafte, fröhliche Sicht auf die Welt“.
Rihanna: Schwanger in Pink
Es ist also kein Zufall, dass Trendsetterin und Superstar Rihanna einen bodenlangen Chanel-Mantel in einer Pink-Nuance für jenes Fotoshooting, mit dem sie ihre Schwangerschaft an der Seite ihres Partners ASAP Rocky im Februar 2022 öffentlich machte, auswählte. Der Vintagemantel, der Rihannas unbedeckten Babybauch umrahmte, wurde damit kurzerhand und – ebenso wenig überraschend – zum It-Piece: In den Stunden nach der Veröffentlichung der Bilder schossen die Suchanfragen nach gepolsterten Mänteln in Pink dem Onlinemodehändler Lovethesales zufolge um 200 Prozent in die Höhe.
Eine Farbe für alle
Wer im 21. Jahrhundert aber noch glauben sollte, dass die Farbe nur von weiblich gelesenen Personen getragen werden kann, irrt eindeutig. Immer wieder zeigten sich nämlich auch US-Künstler wie etwa Machine Gun Kelly und Lil Nas X in dem Farbton. Auch sie setzten dabei auf monochrome Looks. „Früher galt es als besonders cool, die urweibliche Signalfarbe uncool zu finden. Bis dann klar war, dass diese Abneigung angelernt ist und auch eine Facette von internalisierter Misogynie ist“, kommentiert die Modejournalistin Tina Totic in der „Elle“.
Nicht ohne Grund wurde die Farbe in der Vergangenheit daher auch als politisches Statement eingesetzt, wie etwa der „Pussyhat“ – ein Symbol für den Widerstand – zeigt. Getragen wurde er 2017 beim „Marsch der Frauen“ in Washington, damals richtete sich der „Pussyhat“ vor allem gegen die sexistischen Äußerungen des früheren US-Präsidenten Donald Trump.
Zu jener Zeit – also 2016, 2017 und 2018 – gelang es auch dem Farbton „Millennial Pink“ jedweder Pink-Skepsis zum Trotz zu überzeugen, zumindest im Fall der gleichnamigen Generation. Das durch einen lachsfarbenen Unterton charakteristische „Millennial Pink“ würde in eine genderneutrale Modewelt passen, lautete die Vermutung in einem „The Cut“-Artikel damals.
Expertin gegen „einheitliche Vorstellung“
In einem ORF.at-Artikel von 2018 wehrte sich die Kunstprofessorin Barbara Nemitz überhaupt gegen die Deutung der mit Pink verbundenen Attribute: „Konnotationen wie schwach, niedlich und verletzlich sind nicht nur negativ zu bewerten, sondern gehören zum Leben und sind an manchen Stellen sinnvoll.“
Mit Klischees rund um die Farbe Pink wollte auch Valerie Steele, Direktorin des FIT-Museums, im Zuge einer Ausstellung im Museum des New Yorker Modeinstituts für Technologie bereits 2018 aufräumen. „Ich möchte den Menschen klarmachen, dass es keine einheitliche Vorstellung von Pink gibt“, sagte Steele im Zusammenhang mit dem Ruf der „zweitunbeliebtesten Farbe nach Braun“.

Evolution in Pink
„Die Trendfarbe wird sich jedenfalls so lange halten können, wie man sich in einer Euphorie befindet“, sagt WGSN-Expertin Winter über die Nachhaltigkeit des Pink-Hypes. „Wenn dann wieder Lockdowns kommen sollten oder das Thema Krieg näher rückt, dann kann es auch sein, dass die Farben entsprechend düsterer werden“, erklärt sie auch. Aktuell geht das Unternehmen noch davon aus, dass sich Pink neben der weiteren von WGSN bestimmten Trendfarbe „Butter“ halten werde.
Die von WGSN als „Orchid Flower“ bezeichnete Pink-Nuance werde sich gegen Ende 2022 und Anfang 2023 aber weiterentwickeln: Dann lautet der WGSN-Trend nämlich „Hyperpink“, ein Pink mit Lila-Unterton. Nach Winters Angaben habe die Nuance einen „leichten digitalen Effekt – sehr wahrscheinlich inspiriert vom Metaverse“.