Der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu
Reuters/Sputnik
Verteidigungsminister absent

Kreml-Video soll Gerüchte zerstreuen

Seit nahezu zwei Wochen ist der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu nicht mehr öffentlich aufgetreten. Die Abwesenheit des zuvor stets medienpräsenten Ministers inmitten des Ukraine-Krieges hat in den letzten Tagen für Spekulationen über Verwerfungen im Kreml gesorgt. Moskau will die Gerüchte nun entkräften – man teilte mit, dass Schoigu „viel zu tun“ habe. Zudem wurde ein Video verbreitet, das Schoigu bei einer Videokonferenz mit Präsident Wladimir Putin zeigen soll, doch dieses weckt Zweifel.

In dem nur wenige Sekunden langen Clip ist Putin bei einer Videokonferenz mit dem Sicherheitsrat zu sehen. Im Verlauf des verwackelten, tonlosen Videos zoomt die filmende Person auf jenes Panel, in dem Schoigu zu sehen ist.

Die Beweiskraft des undatierten Clips wurde allerdings unmittelbar angezweifelt – unter anderem, weil zu Beginn des Videos in Schoigus Panel eine sonderbare Bewegungsunschärfe zu sehen ist. Das fütterte Spekulationen, dass es sich um altes, eingespieltes Material handeln könnte.

Zweifel an Kreml-Video von Schoigu

Dass der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu seit Wochen nicht mehr öffentlich auftritt, hat für Spekulationen über Verwerfungen im Kreml gesorgt. Der Kreml verbreitete nun ein wenige Sekunden langes Video, das Schoigu bei einer Videokonferenz mit Präsident Wladimir Putin zeigen soll. Die Beweiskraft des undatierten, tonlosen Clips wurde allerdings unmittelbar angezweifelt – unter anderem, weil zu Beginn des Videos in Schoigus Panel eine sonderbare Bewegungsunschärfe zu sehen ist. Das nährte Spekulationen, dass es sich um altes, eingespieltes Material handeln könnte.

Kontaktversuche der USA scheitern

Auch die USA teilten mit, dass man vergeblich versuche, auf hochrangiger Ebene Kontakte zum russischen Verteidigungsministerium herzustellen. In den vergangenen sieben bis zehn Tagen hätten US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und Generalstabschef Mark Milley mehrfach versucht, mit Schoigu und seinem Stellvertreter, dem ebenfalls länger nicht mehr gesichteten General Waleri Gerassimow, zu telefonieren. „Wir konnten keinen von ihnen erreichen“, so Pentagon-Sprecher John Kirby zum Sender CNN.

Letzter offizieller Auftritt am 11. März

Der 66-jährige Verteidigungsminister hat seit dem 11. März keine öffentlichen Termine mehr wahrgenommen. Als letzter bekannter Auftritt gilt eine Auszeichnungsverleihung. Gemeinsam mit Putin wurde Schoigu zuletzt am 27. Februar gesehen, also wenige Tage nach dem Einmarsch in die Ukraine. Laut einer russischen Investigativplattform sollen Herzprobleme die offizielle Begründung für Schoigus Abwesenheit sein.

Diese Berichte wurden nun vom Kreml offiziell zurückgewiesen. „Der Verteidigungsminister hat im Moment viel zu tun“, sagte Sprecher Dmitri Peskow am Donnerstag vor Journalisten. Später teilte Peskow russischen Nachrichtenagenturen mit, Schoigu habe während einer Sitzung des Sicherheitsrats Putin über den Verlauf des Krieges informiert. Es sei nicht die Zeit für Medienauftritte. „Das ist durchaus verständlich.“

Suche nach Verantwortlichen

Gleichzeitig mehrten sich in den vergangenen Tagen Berichte, denen zufolge Putin in seinem engsten Führungszirkel nach Verantwortlichen für den schleppenden Kriegsverlauf in der Ukraine sucht. Der russische Präsident hatte offenbar mit einer schnellen Eroberung und wesentlich weniger Widerstand in der Ukraine gerechnet.

Ein Monat Krieg in der Ukraine

Zahlreiche Zivilisten wurden seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine vor einem Monat getötet, mehr als drei Millionen Menschen haben das Land verlassen. Die Kämpfe gehen im ganzen Land weiter.

Schoigu trägt als Verteidigungsminister die zentrale Verantwortung und könnte unter enormem Druck stehen. „Der Krieg hat gezeigt, dass die Armee schlecht kämpft“, sagte etwa der russische Militäranalyst Pawel Lusin zur „New York Times“. „Der Verteidigungsminister ist dafür verantwortlich.“

Gilt als Vertrauter Putins

Der 66-jährige Schoigu galt bisher als enger Vertrauter Putins – die beiden machten sogar gemeinsam Urlaub. Wie der Analyst Andrei Soldatow im „New Yorker“ sagte, soll Schoigu zu jenen wenigen Personen gehört haben, mit denen sich Putin zuletzt noch ausgetauscht habe.

Mit seinen 30 Jahren in der russischen Politik verfügt er über beträchtlichen Einfluss, allerdings hat er keine Karriere in der Armee hinter sich. Andererseits ist er bereits seit 2012 Verteidigungsminister und kann auf die Erfahrungen aus dem Syrien-Krieg und dem Krieg in der Ostukraine zurückgreifen.

Schoigu und Putin auf „Urlaub“ in Sibirien 2021
Reuters/Sputnik/Kreml/Alexei Druzhinin
Schoigu und Putin im September des Vorjahres

Gerüchte auch um Geheimdienste

Putin soll auch die Geheimdienste für Fehlinformationen zur Ukraine verantwortlich machen. Wie jüngst Insider berichteten, sollen der Leiter der für Auslandseinsätze zuständigen Abteilung 5 des Inlandsgeheimdienstes FSB, General Sergej Besseda, und sein Stellvertreter Anatoli Boluch unter Hausarrest gestellt worden seien. Anderen Angaben zufolge sei Besseda zwar verhört worden, aber noch im Dienst. Boluch wurde den Angaben zufolge entlassen.

Gleichzeitig steht der FSB immer wieder auch im Zentrum von Putschgerüchten, deren Wahrheitsgehalt sich aber kaum überprüfen lässt und die wohl auch Zwietracht säen sollen. Zuletzt berichtete etwa die britische „Times“ unter Berufung auf einen Whistleblower, dass angesichts des Krieges und des internen Drucks der Unmut im FSB über die russische Führung wachse. In dem Bericht hieß es auch, dass es Sorgen über eine Verschlechterung des Lebensstandards geben soll.

Rückzug mit Signalwirkung

Erst am Mittwoch hatte sich mit Putins Sonderberater Anatoli Tschubais ein lang gedienter russischer Politiker zurückgezogen. Der 66-Jährige hatte lange zentrale Positionen im russischen Politikapparat besetzt und gilt als Architekt der postkommunistischen Privatisierungen. Berichten zufolge setzte er sich mit seiner Frau in die Türkei ab. Laut „Washington Post“ sei Tschubais’ Rückzug nicht zuletzt ein Signal für „die Beunruhigung, die viele in Russlands urbaner, wohlhabender Klasse“ angesichts Putins Krieg verspürten.