Heeresbudget: Wehrsprecher widersprechen Tanner

Nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine vor genau einem Monat bekannten sich alle fünf Parlamentsparteien zu einer Stärkung des österreichischen Bundesheeres. Von einem Schulterschluss war die Rede. Daraus wurde gestern für das Kabinett von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) eher ein Schuss ins eigene Knie.

Die Ministerin traf die Wehrsprecher aller Parlamentsparteien sowie Fachleute des Verteidigungsressorts zu einem Informationsgespräch. Dabei informierte die Ministerin laut einer Aussendung ihres Ressorts die Abgeordneten über aktuelle Risiken und Auswirkungen für das Bundesheer sowie über budgetäre Erfordernisse. Die Fachleute des Ressorts sprachen über notwendige Investitionen sowie moderne Bedrohungsfelder und Herausforderungen. Über genaue Zahlen wurde laut übereinstimmender Aussagen aller Wehrsprecher nicht gesprochen.

Militärbudget noch unklar

Nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine vor genau einem Monat wurde eine Stärkung des österreichischen Bundesheeres beschlossen. Doch die genauen Zahlen zum Budget sind noch unklar.

Berichte über „Neutralitätspaket“

Allerdings berichteten kurz danach „Kronen Zeitung“ und „Kurier“ gleichzeitig, dass Tanner die Wehrsprecher über ihr „Neutralitätspaket“ informiert hätte. Demzufolge soll für das österreichische Bundesheer zum einen ein zehn Milliarden Euro schwerer „Neutralitätsfonds“ für die nächsten Jahre eingerichtet werden, mit dem der Investitionsrückstau der letzten Jahrzehnte abgebaut wird, und zum anderen das Regelbudget bis 2027 auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angehoben werden. Der Pressesprecher von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) twitterte die Zeitungsgeschichte.

Stögmüller: „Ente“

Die Wehrsprecher David Stögmüller (Grüne), Robert Laimer (SPÖ), Reinhard Bösch (FPÖ) und Douglas Hoyos (NEOS) widersprachen dem allerdings umgehend und zeigten sich vom Vorgehen der Ministerin empört. Sie seien über diese Zahlen nicht informiert gewesen. Stögmüller bezeichnete die Zeitungsgeschichten gegenüber der APA gar als „Ente“. Die Zahlen würden nicht stimmen, „die Verhandlung über das Heeresbudget haben noch gar nicht begonnen“. Im Verteidigungsministerium war trotz mehrmaligen Versuchen für die APA vorerst niemand zu erreichen.

Die von den Zeitungen als „Neutralitätspaket“ bezeichneten Investitionen wären eine nie da gewesene Budgeterhöhung, die dem in den vergangenen Jahrzehnten stark reduzierten Bundesheer neuen Handlungsspielraum eröffnen würde. 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes wären um die sechs Milliarden Euro im Jahr. Derzeit liegt das Heeresbudget bei 0,6 Prozent des BIP beziehungsweise 2,7 Mrd. Euro. Zum Vergleich: Zum Höhepunkt des Kalten Krieges lag das Verteidigungsbudget bei knapp 1,2 Prozent des BIP.

Ministerin verweist auf Generalstabschef

Am Nachmittag stellte sich Tanner im Parlament dann doch noch den Medien. Die zehn Mrd. Euro bzw. die 1,5 Prozent des BIP kämen von Generalstabschef Robert Brieger, erklärte sie, und „als Verteidigungsministerin stehe ich da vollinhaltlich dahinter“. Sie selbst habe die notwendigen Erhöhungen nicht an Zahlen festgemacht.

„Ich bin überzeugt, dass das Parlament einen dementsprechenden Beschluss fassen wird, dass wir alles erhalten, was wir brauchen“, zeigte sie sich überzeugt. Schließlich gebe es einen Beschluss des nationalen Sicherheitsrats. Auf die Brüskierung der Fraktionen – und auch des grünen Koalitionspartners – angesprochen meinte Tanner: „Die jetzige Situation ist nicht geeignet, dass Verärgerungen entstehen sollten.“ Sie habe jedenfalls Kontakt mit allen Wehrsprechern aufgenommen.

Debatte im Nationalrat

Im Nationalrat beklagten diese aber, dass Vertrauen zerstört worden sei. Dabei „sind wir ja auf Ihrer Seite“ im Bemühen, das Bundesheer endlich ausreichend auszustatten, sagte Bösch zu Tanner.

ÖVP-Abgeordneter Friedrich Ofenbauer merkte an, dass in der vormittäglichen Unterredung „über Zahlen konkret noch nicht gesprochen“ worden sei. Aber es gebe den breiten Konsens, die Verteidigungsfähigkeit wieder herzustellen – und es sei „gut, wenn die Ministerin einen Plan hat“. Den sollten jetzt alle gemeinsam besprechen.

Die Ministerin selbst drückte ihre Hoffnung auf einen gemeinsamen Beschluss zur Aufrüstung des Heeres aus. „Jetzt geht es nicht darum, dass wir uns unterhalten, was der eine oder andere in diesen Stunden vielleicht gesagt, getan oder geschrieben hat oder nicht“, sagte Tanner. Das könne „doch nicht unsere gemeinsame Aufgabe sein“. Die sei es vielmehr, das Bundesheer so auszustatten, dass es seine verfassungsmäßige Aufgabe erfüllen kann.