Demo gegen den Ukraine-Krieg am Golden Mile Beach in Durban
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Russlands Einfluss

Afrika gespalten im Ukraine-Krieg

Afrikas Beziehungen zu Russland sind komplex. Bei der UNO-Resolution, die den Angriff Russlands auf die Ukraine verurteilt, haben sich 17 afrikanische Staaten enthalten. Russlands strategischer Einfluss auf dem Kontinent ist über die Jahre gewachsen, Afrika ist auf Waffenlieferungen aus Moskau angewiesen. Auch die einstige Verbindung zur Sowjetunion prägt den Blick auf den Krieg.

Südafrika sorgte bei der vergangenen UNO-Vollversammlung mit einer konkurrierenden Resolution, die von Russland einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine fordert, für Unruhe. In dem Schreiben wurde zwar humanitäre Hilfe gefordert, aber die Aggression Russlands gegenüber der Ukraine mit keinem Wort erwähnt – die Resolution scheiterte.

Überraschend waren auch die Abstimmungsergebnisse afrikanischer Länder bei der Resolution zu Beginn dieses Monats, die Russland zum sofortigen Rückzug aus der Ukraine aufforderte. 28 afrikanische Länder stimmten dafür, 17 Länder enthielten sich und acht Länder nahmen an der Abstimmung nicht teil. Eritrea war das einzige afrikanische Land, das gegen die Resolution stimmte – neben Belarus, Russland, Nordkorea und Syrien.

Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa
AP/Gianluigi Guercia
Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa. Südafrikas Beziehungen zu Russland sind bis heute stark.

Afrikas Uneinigkeit

Die afrikanischen Staaten haben nach ihren eigenen wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen abgestimmt, erklärt der Politikwissenschaftler Jan Pospisil, Leiter des Instituts Austrian Study Centre for Peace and Conflict Resolution, im Interview mit ORF.at.

Es stimmten weitgehend die Länder für die Resolution, in denen die Vereinigten Staaten in den letzten Jahren die wirtschaftliche und sicherheitspolitische Zusammenarbeit verstärkt haben, wie Ghana oder Kenia. Die USA und Kenia verbinden seit Kenias Unabhängigkeit 1963 enge diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen, von denen die militärische Zusammenarbeit im Kampf gegen die islamistische Terrormiliz al-Schabab ein wichtiger Bestandteil ist.

Martin Kimani, der kenianische Vertreter im UNO-Sicherheitsrat, hielt nach Kriegsbeginn in der Ukraine eine eindringliche Rede im UNO-Sicherheitsrat. Kimani zog eine Parallele zwischen der Entstehung der Ukraine als unabhängiger Staat nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und den Erfahrungen postkolonialer Staaten in Afrika. Im Netz wurde die Rede vielfach geteilt und kommentiert.

Sowjetisches Erbe in Südafrika

Nicht viele afrikanische Länder verurteilten den Ukraine-Krieg so offen. Vor allem die Länder des Südens wie Namibia, Mosambik und Angola, enthielten sich der Stimme – allen voran Südafrika. Die Gründe dafür reichen bis in die Zeit der Apartheid zurück.

Während des Kalten Krieges unterstützte die Sowjetunion Befreiungsbewegungen in Südafrika im Kampf gegen das Apartheidregime. Moskau lieferte Waffen nach Namibia, Mosambik und Angola und war der größte Unterstützer des African National Congress (ANC) in Südafrika, dessen Mitglieder er militärisch ausbildete und finanziell unterstützte.

Nelson Mandela, 1991
AP/John Parkin
Nelson Mandela hat aktiv gegen das Apartheidregime in Südafrika gekämpft

Südafrikas Beziehungen zu Russland sind bis heute stark, so reiste Vizepräsident David Mabuza wiederholt nach Russland, um sich ärztlich behandeln zu lassen. „Die Beziehungen von südafrikanischen Ländern zu Russland sind ein Erbe der Unterstützung, die Moskau in der Befreiungsära geleistet hat“, erklärt der Politikbeobachter Daniel Silke, „die Loyalität ist bis heute stark.“

Russische Militärabkommen

Viele der Länder, die sich bei der Abstimmung enthielten, sind autoritäre Regime – zu ihnen gehören der westafrikanische Krisenstaat Mali und der Sudan. „In diesen Ländern ist Russland nicht nur der größte Waffenlieferant, sondern auch stark vor Ort präsent“, erklärt Pospisil.

Seit Jahren versucht Russland durch Rüstungsverkäufe und Allianzen in Nigeria, Libyen, Äthiopien und Mali seinen strategischen Einfluss in den Ländern zu erhöhen. Im westafrikanischen Mali sollen nach Angaben des EU-Außendiensts Hunderte Söldner der umstrittenen Wagner-Gruppe mit Verbindung zum Kreml im Einsatz sein, ebenso in der Zentralafrikanischen Republik. Den Söldnern werden schwere Verstöße gegen Menschenrechte vorgeworfen, darunter Folter und gezielte Tötungen. In Eritrea, das gegen die Resolution stimmte, ist Präsident Afwerki Afwerki seit Jahren um eine Zusammenarbeit mit dem Kreml bemüht.

Waffen aus Moskau

Russland ist in den letzten Jahren zum größten Waffenexporteur des Kontinents aufgestiegen, das zeigen Daten des Friedensforschungsinstituts SIPRI in Stockholm. Derzeit kommen 49 Prozent der gesamten Waffenexporte nach Afrika aus Russland, dahinter liegen China, Frankreich und die USA. Algerien ist der größte Empfänger russischer Waffen in Afrika, gefolgt von Ägypten, dem Sudan und Angola. Während um die Jahrtausendwende 16 afrikanische Länder russische Waffen gekauft haben, ist die Zahl zwischen 2010 und 2019 auf 21 Länder gestiegen.

Demonstranten halten Plakat mit der Aufschrift „Merci Wagner“
APA/AFP/Florent Vergnes
Hunderte russische Söldner der Wagner-Gruppe sollen in Mali im Einsatz sein.

Die Staaten sind auf Waffenlieferungen aus Russland angewiesen, aber auch im UNO-Sicherheitsrat profitiert Afrika von den Bündnissen mit Russland: „Es geht um Verurteilungen, Sanktionen und Mandatierungen von UNO-Missionen“, sagt Pospisil, „hier macht Russland im Sicherheitsrat für afrikanische Regierungen einen entscheidenden Unterschied.“

Uneinigkeit birgt Gefahren

Die weltweiten Auswirkungen des Ukraine-Kriegs sind in Afrika längst spürbar. Im Sudan protestierten letzte Woche Tausende gegen die rasant steigenden Lebensmittel- und Spritpreise, wie der Fernsehsender Africanews berichtete. Die Gefahr von sozialen Unruhen und innerpolitischen Spannungen sei groß, sagt Pospisil, vor allem in den politisch instabilen Staaten im Norden. Eine Verhärtung der Fronten zwischen prorussischen und prowestlichen Ländern könnte laut Pospisil zu massiven innerafrikanischen Spannungen führen. Offen bleibt die Frage, ob und welche afrikanischen Länder sich im Ukraine-Krieg weiterhin in einem Lager positionieren – oder versuchen bündnisfrei zu bleiben, wie zu Zeiten des Kalten Krieges.