SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner
APA/Tobias Steinmaurer
„Ich bin bereit“

Rendi-Wagner will nächste Kanzlerin werden

SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner hat am Sonntag im Rahmen einer Grundsatzrede den Zusammenhalt der Sozialdemokratie beschworen und ihre Visionen für Österreich skizziert. Vor geladenen Gästen aus Wirtschaft, Kultur und Politik und höchstrangigem Parteipublikum – in der Aula der Wissenschaften fanden sich erstmals fünf ehemalige Bundeskanzler zu einem gemeinsamen Auftritt ein – stellte Rendi-Wagner deutlich ihr Ziel klar: Sie sei bereit dafür, als nächste SPÖ-Kanzlerin das Land zu regieren.

Franz Vranitzky, Viktor Klima, Alfred Gusenbauer, Werner Faymann und Christian Kern waren ebenso anwesend wie die Landeshauptmänner Michael Ludwig und Peter Kaiser, der ehemalige SPÖ-Fraktionsführer im EU-Parlament Hannes Swoboda, Ex-Siemens-Managerin Brigitte Ederer, ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian, AK-Chefin Renate Anderl, die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures und Altbundespräsident Heinz Fischer. „Hier sitzt ein Vierteljahrhundert österreichischer Kanzlerschaft versammelt. Und es waren die besseren Jahrzehnte für unser Land,“ begann Rendi-Wagner ihre Rede, zu der sie unter dem Titel „Ein Land. Eine gemeinsame Zukunft“ geladen hatte.

Die SPÖ-Chefin schlug daraufhin einen Bogen von der Sicherheits- über die Sozialpolitik bis zu den Herausforderungen der Klimakrise. Viele aktuelle Probleme und die Tatsache, dass die Vertrauenswerte in die Politik auf einem derart niedrigem Niveau seien, seien der Arbeit der vergangenen Koalitionen unter türkiser Führung geschuldet. „Wir werden die Scherben wegräumen“, so die SPÖ-Chefin. Die SPÖ solle das Land nun in eine bessere Zukunft führen. „Dazu braucht es euch. Dazu braucht es mich“, so Rendi-Wagner. „Wir sind bereit. Ich bin bereit. Es ist Zeit für die nächste sozialdemokratische Bundeskanzlerin in Österreich“, so Rendi-Wagner.

Rede von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner

Ja zu Neutralität, Nein zu NATO-Beitritt

Zu Beginn ihrer Rede hatte Rendi-Wagner dem anwesenden ukrainischen Botschafter Wassyl Chymynez „vollste Solidarität“ zugesichert, Österreich werde im Rahmen seiner Möglichkeiten helfen. Die Neutralität Österreichs stehe zwar nicht zur Disposition. Diese habe Österreich aber noch nie daran gehindert, klar Stellung zu beziehen. „Aber soll Österreich einem Militärbündnis beitreten? Nein“, erteilte sie einem von manchen diskutierten NATO-Beitritt Österreichs erneut eine Absage. Gleichzeitig betonte sie ihr „Ja zu einer effizienten Landesverteidigung“ – auch wenn sie einräumte, dass die Sozialdemokratie sich in der Vergangenheit oft damit schwergetan habe, „den Begriff Sicherheit umfassend zu denken“. Doch: „Wer Freiheit und Demokratie verteidigen will, darf nicht wehrlos sein!“

Für die Zukunft müsse das solidarische Gesundheitssystem, das die Sozialdemokratie aufgebaut und immer wieder verteidigt habe, gestärkt und krisensicher gemacht werden – auch weil es sich wohl nicht um die letzte Pandemie handle, warnte Rendi-Wagner. Sie forderte u. a. weniger Steuern auf Arbeit, zusätzliche ganztägige Kinderbetreuungsplätze und Ganztagsschulplätze, eine Kindergrundsicherung, höheres Arbeitslosengeld und hielt ein Plädoyer für Wissenschaft und Bildung als Grundlage für die Demokratie. Sie wolle „ein Land, in dem die Wissenschaft blüht und nicht die Verschwörungstheorien“.

In der Wirtschaftspolitik brauche es einen Wandel in Richtung Nachhaltigkeit, beim Klimaschutz müsse Österreich „viel, viel, viel schneller werden“ und dazu die Verfahren beschleunigen. Für eine Energiewende sei außerdem eine Ausbildungsoffensive für die zusätzlich benötigten Fachkräfte notwendig. „Die Energiewende ist ein Jobmotor – wenn man es richtig macht.“ Außerdem müssten Österreich und Europa selbstständiger, unabhängiger und krisenfester werden, verwies die SPÖ-Chefin auf Abhängigkeiten von globalen Lieferketten, die sich etwa in der Pandemie bei Masken, Impfstoffen und Medikamenten gezeigt hatten.

„Unser Land braucht eine andere Richtung“

Die „falsche Politik“ ÖVP-geführter Regierungen habe in den vergangenen Jahren so manche Errungenschaft zerstört, den Abstand zwischen Arm und Reich erhöht, betonte sie in der rund einstündigen Ansprache. „Es ist Zeit, unserem Land wieder eine andere Richtung zu geben.“ Österreich müsse wieder ein Land werden, in dem Aufstieg möglich ist, mit gleichen Chancen, in dem Menschen von ihrem Lohn und ihrer Pension gut leben können, das einen festen Platz in Europa hat und das international geachtet und respektiert wird, so Rendi-Wagner in ihrer inhaltlich breit gefächerten Rede. „Unser Land braucht eine andere Richtung“, sagte sie mit Blick auf die nächste, eigentlich erst in mehr als zwei Jahren anstehende Nationalratswahl.

Den Regierungen ab 2017 warf sie hingegen vor, ihre eigenen Interessen vor jene der Menschen zu stellen. Die Regierungskrisen der vergangenen Jahre hätten das Vertrauen der Menschen in die Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit von Politik erschüttert. „Unser Land braucht Politikerinnen und Politiker, die anständig sind, die integer sind und die richtig von falsch unterscheiden können.“

Gleichzeitig versage die aktuelle Koalition aus ÖVP und Grünen in aktuellen Krisen, etwa beim Abfedern der Teuerung, wo – anders als etwa bei der Steuersenkung auf Aktienspekulationen – zu lange gezögert werde, und beim Management der Coronavirus-Pandemie, wo die Bundesregierung ihre Verantwortung nicht wahrnehme, aber das SPÖ-regierte Wien unter Michael Ludwig zeige, „wie’s geht“.

Der niederösterreichische Landesparteivorsitzende Franz Schnabl unterstrich den Führungsanspruch der SPÖ in einer Aussendung nach Rendi-Wagners Rede. Die SPÖ sei bereit, Verantwortung zu übernehmen: „Wir wissen, dass man mit dieser Verantwortung sorgfältig und vertrauensvoll umgehen muss. Und dass diese Verantwortung auch Verpflichtungen mit sich bringt. Was wir brauchen, ist nicht Klientelpolitik, Freunderlwirtschaft und eine herabwürdigende Haltung gegenüber anderen politischen Parteien", so Schnabl.

Filzmaier zur Grundsatzrede von Rendi-Wagner

Politikwissenschafter Peter Filzmaier analysiert die Grundsatzrede der SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner.

ÖVP: „Showpolitik“, FPÖ: Regierungsanspruch „grotesk“

Erwartungsgemäß kein Applaus kam von anderen Parteien. ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner erklärte via Twitter, sie sehe die SPÖ-Chefin „mit ihrer groß inszenierten Rede endgültig von Sachpolitik auf Showpolitik umgeschwenkt“. Dass die SPÖ damit „in Krisenzeiten einen Wahlkampf heraufbeschwört“, sei „verantwortungslos und genau das Gegenteil dessen, was sich die Menschen zurecht erwarten“.

Rendi-Wagner vergesse vollkommen, dass ihre Vorgänger eine ehemals stolze Sozialdemokratische Partei in den Abgrund geführt hätten, heißt es aus der FPÖ. „Von Staatsschuldenexplosion über Arbeitslosenheere bis Migrantenflut war in diesen Jahren alles dabei, was uns nur schaden konnte“, so FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl. Daraus den Anspruch abzuleiten, nächste Bundeskanzlerin zu werden, sei geradezu grotesk.

„Die SPÖ-Chefin versucht krampfhaft, im ‚Sattel des toten Pferdes‘ sitzen zu bleiben. Freilich werden auch viele Versprechungen in den Raum gestellt, was denn nicht alles unter einer SPÖ-Kanzlerin in Zukunft Großartiges passieren würde.“ Rendi-Wagners Forderungen seien „einmal mehr alter Wein in neuen Schläuchen ohne jegliche Innovation“, so der FPÖ-Obmann.