CocaCola Reklame an einer Bar in Asyut. Ägypten
Picturedesk.com/Visum/Alfred Buellesbach
Designgeschichte

Als Logos begannen, die Welt zu erobern

Sie sind allgegenwärtig, ihre Geschichten aber kaum bekannt: Firmenlogos, wie wir sie kennen, sind oft schon 150 Jahre alt. Mit einer historischen Sammlung von 6.000 Stück gibt der Band „Logo Beginnings“ nun Einblick in die ersten Jahrzehnte des Markendesigns. Das Logo der Biermarke Bass etwa eroberte die Herzen der Avantgarde – und Coca-Cola setzte auf Abschreckung, indem es auf Nachahmer reihenweise Klagen niederprasseln ließ.

Geigen, Zeitungen, Spielkarten und daneben eine Flasche Bass-Bier: Auf gleich 40 Stillleben aus seiner kubistischen Phase um 1914 verewigte Pablo Picasso die britische Kultmarke. Kubismus-Mitbegründer Georges Braque malte ebenfalls das angesagte Pale Ale – genauso wie der Impressionist Edouard Manet. Und in „Ulysses“ lässt James Joyce Leopold Bloom auf die Bildmarke starren und mutmaßen, dass diese „aufgrund ihres scharlachroten Aussehens sicherlich die Aufmerksamkeit aller auf sich ziehen würde“.

Dass Bass eine ganze Reihe prominenter Auftritte in der modernistischen Kultur zu verzeichnen hat, liegt, wie eben Bloom spekulierte, auch am guten Riecher in Sachen Logodesign: Mit dem simplen roten Dreieck, das heute fast genauso aussieht wie damals, schuf die Bass Brewery 1875 das erste eingetragene europäische Logo. Eine Designikone der Moderne, die auf Abstraktion basierte, lange bevor diese zum gängigen Gestaltungsprinzip wurde.

Ölgemälde des französischen Künstlers Édouard Manet „Bar in den Folies Bergère“
Public Domain
Zweimal Bier mit dem roten Dreieck: Edouard Manets „Eine Bar in den Folies-Bergere“ (1832)

Fünf Jahre zuvor war das erste US-Logo registriert worden. Farbenhersteller Averill hatte ein detailliertes, realistisches Emblem designt, auf dem ein Adler vor der Kulisse Chicagos hockt. Die beiden Entwürfe zeigen die Bandbreite auf, die es bereits im frühen Logodesign gab.

Kompendium an 6.000 Logos

Über 6.000 historische Logos hat der deutsche Grafikdesigner und „Logo-Detektiv“ (US-Magazin „Wired“) Jens Müller für „Logo Beginnings“ unter die Lupe genommen. In der Rundumschau sieht man, dass erstaunlicherweise schon in der Frühphase alles da war, was es heute gibt: die Hauptkategorien Abstraktion, Figurales und Schriftzug sowie Unterkategorien wie Wappen und stempelartige Plaketten, sich überlagernde Buchstaben und jede Menge Tiere, vom Batty-Schokoladenbär bis zum Penguin-Books-Pinguin.

Altes Peugeot Logo
Taschen Verlag
Seit 1899 ist der Löwe Wappentier des französischen Autoherstellers Peugeot

Blättert man im Buch, fällt sogleich die Konstanz ins Auge: Trotz einer völlig veränderten Medienlage und eines systematischen Corporate Designs ab den 1950er Jahren haben etliche große Unternehmen wie General Electric, Peugeot, Mitsubishi und Lufthansa ihre Logos weitgehend unverändert gelassen – mit leichten Adaptierungen entsprechend den Grafik- und Designtrends.

Mittelalterliche Heraldik als Vorläufer

Die Funktion von Logos liegt auf der Hand: Einfache, ikonische Bilder sollen etwas Bestimmtes repräsentieren. Höhlenmalereien oder ägyptische Hieroglyphen gelten da als Frühformen. Als echte Vorläufer werden heraldische Wappen und die Geschäfts- und Gaststättenschilder des Mittelalters genannt.

Das System der mittelalterlichen Heraldik bestand aus einem komplizierten Regelwerk, nach dem bestimmte Farben und Formen den gesellschaftlichen Status markierten. Aus der Kombination verschiedener Zeichen wurden einzigartige (Familien-)Wappen geschaffen, die – wie die heutigen Logos – als „Marke“ schnell erkennbar waren.

Wrigley’s Spearmint Poster und Evolution des Opel Logos
Taschen Verlag
Links: Wrigley’s-Spearmint-Werbung von 1911, rechts: Entwicklung des Opel-Logos (1862–2020)

Logos, wie wir sie heute kennen, entstanden erst mit der Industrialisierung. Die weit größere Reichweite von Unternehmen führte damals zu neuen Konkurrenzsituationen. Die Folge: Man verpasste ihnen ein peppiges, unterscheidbares Äußeres. Erste Gesetze zum Markenschutz wurden 1870 erlassen.

700-seitiger Warnruf

Stark im Trend waren damals die heute fast verpönten handgeschriebenen Wortmarken. Neben Ford oder Kellogg’s stammte die wahrscheinlich berühmteste von Coca-Cola, entworfen 1886 vom Cola-Buchhalter Frank M. Robinson in Spencerianischer Schrift – einem damals beliebten Schreibstil.

Buchhinweis

Jens Müller: Logo Beginnings. Mehrsprachige Ausgabe: Deutsch, Englisch, Französisch. Taschen Verlag, 432 Seiten, 60 Euro.

Das Cola-Logo von heute ist praktisch das gleiche – nur kam 1893 der Zusatz „trade-mark“ hinzu, eine, wenn man so will, Erinnerung an die Konkurrenz. Mit Qua-Kola, Taka-Kola, Citra-Cola oder Cabro-Cola waren die Plagiate um die Jahrhundertwende reihenweise aus dem Boden geschossen, was Coca-Cola sogar zu einem 700-Seiten-Warnruf veranlasste: Im Jahr 1923 veröffentlichte das Unternehmen eine Sammlung mit allen Gerichtsbeschlüssen gegen die nacheifernde Konkurrenz.

Alte Michelin und Louis Vuitton Poster
Taschen Verlag
Links: Louis Vuitton, 1930, rechts: Michelin-Werbung, 1921, mit dem bis heute verwendeten „Bibendum“

Name statt Qualität

In der Zwischenkriegszeit waren Marken und Logos nicht mehr zu übersehen. Das zeigt eine Louis-Vuitton-Werbung von 1930 ganz deutlich: Nicht die schmucken Designerkoffer dominieren das Sujet, sondern das „LV“-Zeichnen selbst – womit Vuitton schon vor dem „goldenen Werbezeitalter“ exemplifizierte, dass der Unternehmenswert zum Großteil vom Branding bestimmt ist, und nicht vom eigentlichen Wert der Produkte.

Zur Erinnerung: An diesem Punkt setzte später Naomi Klein mit ihrem globalisierungskritischen Weltbestseller „No Logo“ (2000) an, das nachzeichnete, dass die „Markenfirmen“ zwar alles für ihren Namen tun, sich aber um Qualität und Arbeitsbedingungen meist wenig kümmern.

Mit Meeresmuscheln zum Ölriesen

Dass hinter den ikonischen Entwürfen oft eigene Geschichten stehen, zeigt der Mineralölkonzern Shell: Das bekannte Muschelzeichen rührt daher, dass die Vorläuferfirma, ein kleiner Londoner Betrieb, Ende des 19. Jahrhunderts mit orientalischen Meeresmuscheln gehandelt hatte, die bald so beliebt waren, dass sie zum profitablen Import- und Exportgeschäft wurden.

Designkonzept für Shell Logo
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Corporate-Design-Pionier Shell arbeitete ab Mitte der 1950er mit Designmanuals an der Ausgestaltung aller Produkte

Das erste Logo wurde 1901 entworfen, die Farben Rot und Gelb wurden ab 1915 eingesetzt: Das Unternehmen hatte nach Kalifornien expandiert und wollte die spanische Community emotional erreichen – mit den Farben der Nationalflagge, die auf den Tankstellenschildern aufleuchteten. So lautet zumindest die Firmenlegende.

Einfach ist am besten

Reduziert gestaltete Logos setzten sich schließlich in den 1920er Jahren durch: Vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Technisierung erschienen Logokonstruktionen auf Basis geometrischer Formen wie Kreis, Quadrat, Dreieck oder Linie plötzlich optimal.

Zu dieser Zeit hatte sich auch die Erkenntnis durchgesetzt, dass Reduktion und Einfachheit die besten Voraussetzungen für ein wiedererkennbares Logo sind, oder, wie es der Gestalter Kurt Weidemann später formulierte: dass man ein gutes Logo aus der Erinnerung mit dem Fuß in den Sand zeichnen können muss.