Junger Mann arbeitet an einer Maschine
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Leiharbeit nimmt zu

Tücken gerade für Junge

Betriebe in Österreich setzen wieder verstärkt auf Zeitarbeit. Dass die Dauer der Beschäftigungsverhältnisse immer kürzer wird, kann vor allem für junge Erwachsene zum Problem werden. Experten warnen vor einer Spirale aus kurzzeitigen Beschäftigungen und Arbeitslosigkeit – mit vorprogrammierten Nachteilen im weiteren Berufsleben.

Nach Angaben der Arbeiterkammer (AK) Österreich ist schon jede dritte offene Stelle in Österreich ein Leiharbeitsplatz, gleichzeitig sinkt die durchschnittliche Beschäftigungsdauer. Gerade für junge Erwachsene könne so der Einstieg in das Berufsleben erschwert werden, warnt Thomas Grammelhofer, Experte für Leiharbeit der Gewerkschaft PRO-GE im Interview mit ORF.at.

Im Februar waren von etwa 119.000 offenen Stellen, die beim Arbeitsmarktservice (AMS) in Österreich gemeldet waren, rund 30.500 Leiharbeitsstellen. Spitzenreiter ist die Steiermark, hier waren beim AMS 17.796 offene Stellen gemeldet, davon waren 6.375 Leiharbeitsstellen – ein Anteil von etwa 35 Prozent. Dahinter liegt Oberösterreich, hier wurden von etwa 30.000 offenen Stellen rund 10.000 von Leiharbeitsfirmen angeboten.

Arbeiter auf einer U-Bahnbaustelle in Wien
ORF.at/Christian Öser
Traditionell setzen Industrie, Produktion, Gewerbe und Technik auf Leiharbeit

Unter Leiharbeit versteht man ein Arbeitsverhältnis, in dem der Arbeitnehmer bei einer Zeitarbeitsfirma (Personalverleiher) angestellt ist, die ihn zeitlich begrenzt an andere Unternehmen verleiht. Branchen, die traditionell auf Leiharbeit zurückgreifen, sind Produktion, Technik und Gewerbe, aber auch der Handel ist in den letzten Jahren dazugekommen. Es gebe aber praktisch keine Branche mehr, die nicht auf Leiharbeit zurückgreift, sagt Grammelhofer.

Wenn Leiharbeit problematisch wird

Mit Zeitarbeit Arbeitsspitzen im eigenen Unternehmen abzudecken, das sei „Zweck und Ursprungsgedanke der Leiharbeit“, so Grammelhofer. Problematisch würde es, wenn Unternehmen Zeitarbeit einsetzen, um Regelarbeitsverhältnisse zu umgehen. „Durch die Zeitarbeit wälzen die Betriebe das Risiko, nicht genügend Aufträge zu haben, auf die Arbeitnehmer ab“, so Grammelhofer.

Auch sei zu kritisieren, dass manche Unternehmen die Personalsuche primär über Leiharbeitsfirmen machen. Nach Angaben von Karlheinz Snobe, Chef vom Arbeitsmarktservice Steiermark, würden Zeitarbeitskräfte bei den Unternehmen nicht unter Personalkosten fallen, sondern unter Sachkosten: „Die Stunde pro Arbeitskraft kostet dann etwas mehr, dafür ersparen sich die Unternehmen aufwendige Recrutierungskosten“, so Snobe im Interview mit dem ORF Steiermark.

Instabile Arbeitsverhältnisse

Einen weiteren Trend sieht Grammelhofer problematisch: Die Dauer der Überlassung ist im Schnitt gesunken. Nach Angaben der AK Oberösterreich lag die durchschnittliche Beschäftigungsdauer in der Leiharbeit im Beobachtungszeitraum Juli 2020 bis Juni 2021 österreichweit bei 190 statt bei 232 Tagen. Das ist um 42 Tage kürzer als im Vergleichszeitraum Juli 2019 bis Juni 2020. Ein Grund dafür ist die volatile Wirtschaftsentwicklung durch die CoV-Pandemie.

Eine Handwererin bei der Arbeit an einem Gartenzaun
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Junge Erwachsene brauchen nachhaltige Jobperspektiven, um am Arbeitsmarkt Fuß fassen zu können

Nach Angaben von Grammelhofer würden nur etwa 14 bis 15 Prozent der überlassenen Arbeitskräfte nach Ende der Überlassung in den Betrieb übernommen. Für die Arbeitnehmer drohe so die Gefahr, in einen Teufelskreis aus Arbeitslosigkeit und kurzfristigen Beschäftigungen zu geraten, sagt Andreas Stangl von der AK Oberösterreich.

Große Unsicherheit für Junge

Weil Leiharbeit gerade auch jungen Arbeitnehmern die Möglichkeit bietet, kurzzeitig Geld zu verdienen, seien sie besonders gefährdet, in diese Spirale zu geraten, meint Stangl gegenüber ORF.at. Unsicherheit, Existenzängste und Zukunftssorgen können die Folge sein. So zeigte eine englische Studie vom Institute for Public Policy Research (IPPR) bereits 2017, dass jüngere Arbeitnehmer der Gruppe Millennials in Teilzeit- und Zeitarbeitsverhältnissen eher eine schlechtere psychische Gesundheit und ein schlechteres Wohlbefinden aufweisen als Selbstständige ihrer Altersgruppe. Als Ursache werden Faktoren wie ein unsicherer Arbeitsplatz genannt, die mit Zeitarbeit verbunden sein können – das könne Stress und Druck verursachen.

Auch schlechtere Erwerbschancen können die Folge sein. „Wir erleben, dass die Arbeitnehmer Lücken im Lebenslauf haben, für die sie gar nichts können“, sagt Grammelhofer. Der Experte weist aber auch darauf hin, dass Leiharbeit durchaus ein Sprungbrett aus der Arbeitslosigkeit sein kann.

Bildung schafft Arbeit

Um am Arbeitsmarkt Fuß fassen zu können und nicht in diese Spirale zu geraten, brauchen junge Erwachsene nachhaltige Jobperspektiven, so Grammelhofer. Ziel ist, nach Ende der Überlassung in die Ausbildung der jungen Erwachsenen zu investieren und diese für den eigenen Betrieb zu qualifizieren. So könne nicht nur dem vorherrschenden Fachkräftemangel entgegengewirkt, sondern junge Erwachsene auch vor der Arbeitslosigkeit bewahrt werden.