Hochhaus 20 Exchange Place in New York City
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Lifte dauernd defekt

„Hochhaus-Hölle“ in New York

Es ist wohl der Alptraum aller, die in einem Hochhaus wohnen, arbeiten oder es auch nur besuchen: vor einem nicht funktionierenden Lift zu stehen und zig Stufen gehen zu müssen – oder noch schlimmer: mit dem Lift mitten während der Fahrt stecken zu bleiben. Genau diese „Hochhaus-Hölle“ ist für Hunderte Menschen in New York Wirklichkeit – und das seit Monaten.

Die Bewohnerinnen und Bewohner des Gebäudes mit laut „New York Times“ 59 Stockwerken, das 1931 fertiggestellt wurde, haben diese Woche einen Protest vor dem Gebäude abgehalten, um auf die seit Oktober bestehenden Probleme aufmerksam zu machen. Unterstützt wurden sie dabei von mehreren lokalen Abgeordneten.

Einer der Bewohner, Aston Hunt, erzählte dabei dem TV-Sender CBS von einer gefährlichen Liftfahrt vor wenigen Wochen, die er auch per Handy aufnahm. Und er fasste die Misere zusammen: „Wir hatten Lifte, in denen Leute während der Fahrt stecken geblieben sind. Wir hatten Lifte, die absackten, und wir hatten Lifte, die stundenlang nicht funktionieren – und das tage- und monatelang.“ Ein Bewohner meinte – vor dem Eingang stehend – mit typischem New Yorker Sarkasmus: „Wenn der Lift nicht funktioniert, ist es von hier ein ganz schön langer Weg nach Hause.“

Am schlimmsten trifft es Ältere und Menschen mit Gehbehinderungen. Da reicht es schon, wenn man einen eingegipsten Fuß hat wie die 30-jährige Gina Chen, die im 22. Stock lebt. Bei einem Notfall sind Liftausfälle besonders problematisch. „Was, wenn Rettung oder Polizei, die viele Stockwerke hinaufklettern müssen, jemanden nicht rechtzeitig erreichen?“ so einer der protestierenden Bewohner.

Mehr als 750 Wohnungen

Das Hochhaus ist ein geschäftiges Wohngebäude mit mehr als 750 Apartments, viele von ihnen mit Luxusausstattung und großartigem Ausblick auf den Hafen, aber auch mit günstigeren Wohnungen mit gedeckelter Miete. Die Lobby ist großzügig und mondän mit Marmormosaiken ausgestaltet. Dazu kommen Art-deco-Lifte, die die Mieterinnen und Mieter zu ihren Wohnungen bringen – sollten.

Stattdessen kommt es immer wieder zu langen Ausfällen, die das Leben für die Bewohner auf den Kopf stellen. Oft fallen Lifte stundenlang aus – und es ist auch nicht vorhersehbar, wann das passiert. Die Probleme treten in den letzten Wochen zudem immer häufiger auf. Betroffen sind alle Stockwerke vom 16. aufwärts. Die Lifte vom Erdgeschoß bis zum 15. Stock funktionieren bisher klaglos.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Die Schuld schieben die Gebäudeverwaltung und der Stromversorger einander in die Schuhe: Die Verwaltung betont, man habe mehr als zehn Fachleute für Fahrstühle und Elektrik engagiert, um die Ursache für das hartnäckige Problem zu finden. Und sie verweist auf Überspannung und damit den Stromversorger Con Edison als Schuldigen.

Con Edison wiederum betont, man habe ausführliche Tests und Inspektionen durchgeführt und keinen Hinweis gefunden, dass die Stromversorgung „mangelhaft oder fehlerhaft“ sei. Laut Con Edision begannen die Probleme, als mit dem „Einbau eines neuen Liftsystems“ begonnen worden sei. Laut Gebäudeverwaltung handelte es sich um ein Upgrade bei einem Lift, und das sei Monate vor Auftreten der Probleme geschehen.

Abendaufnahme des Hochhauses 20 Exchange Place in New York City
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Von außen sieht man dem Gebäude die „Hochhaus-Hölle“ nicht an

Mechaniker rund um die Uhr da

Mittlerweile befinden sich laut „NYT“ Fahrstuhlmechaniker rund um die Uhr an Ort und Stelle – trotzdem dauert es oft Stunden, bis die Ursache gefunden und behoben werden kann. Bewohnern wurden Hotelzimmer in weiter unten gelegenen Stockwerken und in umliegenden Gebäuden angeboten. Das ist freilich kein dauerhafter Ersatz für die eigene Wohnung. Die Mieter haben jedenfalls die Nase voll und haben Anwälte eingeschaltet.

Das Hochhaus nahe der Börse in Lower Manhattan an der Adresse 20 Exchange Place war zum Zeitpunkt der Fertigstellung vor mehr als 90 Jahren das fünfthöchste Gebäude New Yorks. Es wurde binnen eines Jahres erbaut und diente als Zentrale der City Bank, aus der später die heutige Citi Bank wurde. Das 226 Meter hohe Gebäude ist im damals typischen Art-deco-Stil erbaut.

Unfreiwilliges Fitnessprogramm

Immerhin zahlen Mieterinnen und Mieter für eine Wohnung mit einem Schlafzimmer etwa 5.000 Dollar Miete. Ein Mieter sprach gegenüber der „NYT“ von der „Hochhaus-Hölle“, viele schilderten, wie sie wegen der Liftausfälle ihr Leben umorganisieren müssen: Sie haben Termine verpasst und kommen immer wieder zu spät in die Arbeit. Viele hätten bereits überlegt auszuziehen – was sich ohne Lift auch nicht gerade einfach gestaltet. „Unser Leben hat sich in dem Moment, in dem die Lifte nicht mehr funktionierten, total verändert“, so der 30-jährige Faisal Al Mutar, der im 22. Stock wohnt.

Jene, die können, gehen – viele – Stufen, um ihre Wohnung zu erreichen. Ein Bewohner hat sich laut „NYT“ so sehr ans Stiegensteigen gewöhnt, dass er sich für das 9/11-Charity-Event „Tunnels to Towers“ im Juni anmeldete. Dabei klettern 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf den 104-stöckigen One World Tower, der auf Ground Zero errichtet wurde.