WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss am 30.03.2022
ORF.at/Peter Pfeiffer
U-Ausschuss

WKStA-Leiterin über ein „unrühmliches Kapitel“

Am Mittwoch ist neben Justizministerin Alma Zadic (Grüne) auch die Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), Ilse-Maria Vrabl-Sanda, als Auskunftsperson Rede und Antwort gestanden. Sie erläuterte, wie sie „untragbare Zustände“ in der Justiz erfuhr und rief zu Reformen auf. Anstoß waren einmal mehr Chats, die die ÖVP unter Zugzwang gebracht haben – „abstoßende“ Chats, wie Zadic urteilte.

Die Vorgänge in der heimischen Justiz beschäftigen seit geraumer Zeit die Republik, am Mittwoch widmete sich diesen einmal mehr auch der ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss. Im Zentrum standen dabei die Ermittlungen der zuständigen Behörden in der Causa „Ibiza“ und gegen ÖVP-Mitglieder – und ob diese Ermittlungen politisch beeinflusst worden sind.

Der Eindruck, dass dem so sein könnte – es gilt die Unschuldsvermutung – kam durch zahllose Chats heraus, allen voran jene Mitteilungen, die der frühere Justizsektionschef Christian Pilnacek und der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, einander schickten. Ihnen wurde von der Opposition vorgeworfen, im Amt im Sinne der ÖVP gehandelt zu haben. So schrieb Pilnacek wegen Ermittlungen gegen den damaligen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP): „Wer vorbereitet Gernot auf seine Vernehmung?“

Oberstaatsanwalt Fuchs wird suspendiert

Jedenfalls kam es zu schweren Spannungen zwischen den beiden Juristen und der WKStA, die sogar in gegenseitigen Anzeigen mündeten. Fuchs setzte laut Chats die „SoKo Tape“ in Gang, die als „begleitendes Risikomanagement“ in der Causa „Ibiza“ tätig werden sollte. Auch das „Ibiza-Video“ selbst schlug bei der SoKo auf, die WKStA aber wurde nicht informiert. Zuletzt sorgte in der WKStA für Aufruhr, dass Pilnacek – so legen die Chats nahe – die Observation von Korruptionsstaatsanwälten im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht forderte.

Pilnacek ist inzwischen suspendiert, Fuchs war es zu Beginn der Ausschusssitzung am Mittwoch noch nicht. Am Abend berichteten „Presse“ und „Standard“ dann, dass es auch für ihn eine vorläufige Suspendierung gebe. Das wurde der APA dann bestätigt. Anlass sei eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft Innsbruck. In Innsbruck gab es Ermittlungen gegen Fuchs wegen Verdachts auf Falschaussage vor dem U-Ausschuss sowie Verletzung des Amtsgeheimnisses – es gilt die Unschuldsvermutung.

„Massive Beeinträchtigung unserer Arbeit“

Die WKStA beklagte seit Beginn der „Causa Ibiza“ wiederholt „Störfeuer“ gegen ihre Arbeit und Diffamierungen. Auch am Mittwoch sagte Vrabl-Sanda, man habe von mehreren Seiten Druck auf die WKStA ausgeübt, die Ermittlungen seien „für Zwecke außerhalb der Strafgesetze“ erschwert worden. Anhand des Umgangs der Fachaufsicht durch die OStA Wien habe man gemerkt, dass „in diesem Verfahren nichts so ist wie in einem anderen Verfahren“.

Doris Bures (SPÖ) beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss am 30.03.2022
ORF.at/Peter Pfeiffer
Doris Bures übernahm den Vorsitz am Mittwoch. Zuvor wurden die Ermittlungen gegen Sobotka bekannt.

Es sei eine Praxis der permanenten Verfahren wegen Amtsgeheimnisverrats verfolgt worden, jedes Mal eine langwierige Angelegenheit, wie die Juristin ausführte. Das sei „eine massive Beeinträchtigung unserer Arbeit gewesen“. Die Verfahren und Berichte hätten die WKStA die Zeit für Ermittlungen geraubt. Zudem sei aktiv nach Fehlern und Angriffspunkten gegen die Behörde gesucht worden. Seitdem nun die StA Innsbruck die Aufsicht führe, sei die Arbeit leichter geworden, sagte Vrabl-Sanda.

Es würde nun auch nicht mehr ständig „das Damoklesschwert“ von disziplinarischen Folgen über Ermittelnden hängen. Die Lage habe sich in den vergangenen Monaten „erheblich“ verbessert, so Vrabl-Sanda. Es brauche Kontrolle, gerade auch im Zuständigkeitsbereich der WKStA – aber eine unabhängige, „frei von unsachlichen Argumenten“.

„Unrühmliches Kapitel“ soll geschlossen werden

Die Chatnachrichten bildeten nun die Basis für eine gründliche Aufarbeitung „der auch für mich untragbaren Zustände“, das „unrühmliche Kapitel“ müsse abgeschlossen werden, indem man daraus Lehren ziehe. Dafür reichten einzelne disziplinarrechtliche Maßnahmen nicht. Das System müsse verbessert werden, und zwar so, dass „Unlauteres“ nicht allein durch zufällige Entwicklungen entdeckt werde, und auch, damit nicht alle Macht in einer Hand liege. Zudem appellierte Vrabl-Sanda erneut für eine Aufstockung bei der WKStA.

Die Behördenleiterin hatte der „Soko Tape“ den Ermittlungsauftrag entzogen – „Kein Schnellschuss, sondern eine Entwicklung“, so Vrabl-Sanda. Zudem hatte sie den Ausschluss der Rechtsschutzbeauftragten Gabriele Aicher aus allen „Ibiza“-Ermittlungen gefordert. Aicher hatte die Hausdurchsuchungen im Zusammenhang mit den Ermittlungen in der Inseratenaffäre kritisiert. Später wurde bekannt, dass sie sich bezüglich des damaligen Statements von jener Rechtsanwaltskanzlei beraten hatte lassen, die einen Beschuldigten in der Inseratenaffäre vertritt. Ob Aicher ein Amtsgeheimnis gebrochen habe, sei zu prüfen, so Vrabl-Sanda am Mittwoch.

ÖVP-Chats: Ermittlungen gegen Sobotka

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt laut Berichten gegen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP). Grund dafür ist eine Postenbesetzung vor fünf Jahren.

Ermittlungen gegen Sobotka

Kurz vor der Befragung Vrabl-Sandas platzte die Nachricht, dass die WKStA gegen Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP), der auch den Vorsitz im U-Ausschuss führt, ermittelt. Der Verdacht lautet auf Amtsmissbrauch wegen der Besetzung eines Polizeipostens, wie die „Kronen Zeitung“ berichtete. Am Mittwoch sah Sobotka nach wenigen Minuten Sitzung erneut von der Vorsitzführung im U-Ausschuss ab und ließ sich fortan von der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) vertreten. Er war später beim Trauergottesdienst für den verstorbenen Erhard Busek zugegen.

Die neuen Ermittlungen waren freilich auch Thema am Mittwoch im Ausschuss. Fragen an die WKStA-Chefin dazu waren aber nicht zugelassen, denn sie war nur zum Beweisthema „Beeinflussung von Ermittlungen und Aufklärungsarbeit“ geladen.

Die Opposition forderte einmal mehr, dass Sobotka den U-Ausschuss-Vorsitz niederlegt. Ein ÖVP-Politiker, gegen den wegen Korruption ermittelt wird, könne nicht Vorsitzender in einem Korruptions-U-Ausschuss sein, so SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer. Auch der Freiheitliche Christian Hafenecker und Stephanie Krisper von NEOS sahen die Zeit gekommen, dass Sobotka den Vorsitz übergibt.

Zadic verteidigt sich gegen Opposition

Vor Vrabl-Sanda war am Vormittag Zadic als Auskunftsperson geladen. Die Abgeordneten wollten vor allem von ihr wissen, was die Ministerin veranlasst habe, damit die Justiz in den betreffenden Causen unabhängig arbeiten könne.

Zadic verteidigte sich gegen Vorwürfe, sie habe in ihrem Ressort nicht weitgehend genug aufgeräumt. Die veröffentlichten Chats, die viele Versuche der Einflussnahme auf die Arbeit der Justiz vermuten lassen, seien für viele Menschen „abstoßend“ und offenbarten „ein Sittenbild“, sagte Zadic. „Ich habe unmittelbar nach meinem Antritt begonnen, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren“, so Zadic.

Insbesondere habe sie die Aufsicht im Justizministerium über die Staatsanwaltschaft auf völlig neue Beine gestellt. Neue Planstellen für die WKStA seien geplant. Fuchs sei nicht mehr für die Fach- und Dienstaufsicht der WKStA zuständig.

„Bei mir hat keiner versucht, zu beeinflussen“

Eine etwaige politische Einflussnahme auf Ermittlungen habe sie nicht wahrgenommen, sagte Zadic. Die Prüfung dieser Frage obliege dem U-Ausschuss. „Bei mir hat keiner versucht, die Verfahren zu beeinflussen, mehr kann ich dazu nicht sagen“, so Zadic, die auch betonte, keine Chats abseits von Medienberichten zu lesen.

Justizminsterin Alma Zadic beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss am 30.03.2022
ORF.at/Peter Pfeiffer
Zadic verteidigte vor dem U-Ausschuss ihr Vorgehen. Sie habe viele Schritte gesetzt, um die Justiz unabhängig arbeiten zu lassen.

NEOS-Fraktionsführerin Krisper gingen die Maßnahmen im Justizministerium nicht weit genug. Sie habe etwa den Eindruck, dass es in der Justiz nicht genug Interessierte gebe, die sich für Ermittlungen in heiklen Fällen melden würden. Diese hätten Angst, dass ihnen bei Angriffen die Rückendeckung fehle. FPÖ-Fraktionsführer Hafenecker sagte, er habe zwar den Eindruck, dass Zadic „keine schlechten Absichten hat“, sich aber gegen ÖVP-Netzwerke im Ministerium nicht durchsetzen könne. Auch wenn Fuchs und Pilnacek nicht mehr dieselben Möglichkeiten hätten wie früher, ihre Stellvertreter seien schließlich immer noch involviert und hätten weiterhin teilweise die Fachaufsicht, so Hafenecker.

Stephanie Krisper (NEOS)
ORF.at/Peter Pfeiffer
Krisper sah trotz Zadics Bemühungen nicht genug Engagement im Sinne einer unabhängigen Justiz

Reformprogramm angekündigt

Die eigentliche Frage sei ohnehin schon geklärt, befand SPÖ-Fraktionsführer Krainer: Die WKStA sei durch „ÖVP-Netzwerke“ in ihrer Arbeit behindert worden. Auch die mit der ÖVP regierenden Grünen sahen Angriffe auf die Justiz bestätigt, wie deren Abgeordneter David Stögmüller sagte. Keine politische Einflussnahme sah erwartungsgemäß die ÖVP selbst. Dass die WKStA regelmäßig Konflikte mit anderen Behörden hat, werde wohl an ihr selbst liegen, so Christian Stocker von der ÖVP.

Zadic kündigte am Mittwoch kurz vor Beginn der Befragung im Ausschuss weitere Reformen an. Im Lauf der Legislaturperiode wolle im Rahmen des Projekts „Justiz 2030“ Vorschläge sammeln und prüfen, um die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken und „strukturell abzusichern“. Es seien etwa Änderungen in der Organisationsstruktur möglich, so Zadic.

Brandstetter als Nächster geladen

Am Donnerstag wird der Fokus erneut auf der Justiz liegen, wenn der ehemalige ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter als Auskunftsperson am Wort ist. Er war nach der Veröffentlichung von Chats mit Pilnacek unter Druck geraten und zog sich als Konsequenz sogar als Verfassungsrichter zurück. Gegen ihn wird wegen des Verdachts der Verletzung des Amtsgeheimnisses ermittelt, weil er Pilnacek angestiftet haben soll, eine Hausdurchsuchung zu verraten – auch hier gilt die Unschuldsvermutung. Nach Brandstetter kommt Ex-Innenminister Eckart Ratz in den Ausschuss, danach noch eine ehemalige Kabinettschefin im Justizministerium.