Oberstaatsanwalt Johann Fuchs
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ÖVP-U-Ausschuss

Oberstaatsanwalt Fuchs wird angeklagt

Im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss ist am Mittwoch der volle Fokus auf Attacken innerhalb der Justiz im Zuge der „Ibiza“-Ermittlungen gerichtet gewesen. Begleitet wurde das von wesentlichen Entwicklungen. Nachdem bekanntwurde, dass gegen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) ermittelt wird, platzte die Nachricht in die laufende Befragung von WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda, wonach der Chef der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, angeklagt wird.

Am Donnerstag wurde bekannt, dass sich Fuchs wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses und Falschaussage vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss vor Gericht verantworten muss. Ein entsprechender Strafantrag der Staatsanwaltschaft Innsbruck – hier laufen ja die Ermittlungen – wurde beim Wiener Landesgericht für Strafsachen eingebracht. Das bestätigte Gerichtssprecherin Christina Salzborn am Donnerstag.

Verhandlungsort noch unklar

Wann und wo die Verhandlung stattfinden wird, ist noch unklar. Wie Salzborn mitteilte, hat die Staatsanwaltschaft Innsbruck aus möglichen Befangenheitsgründen die Delegierung an einen Gerichtssprengel außerhalb des Oberlandesgerichts (OLG) Wien beantragt.

Sollte dem stattgegeben werden, würde nicht in Wien, Niederösterreich oder dem Burgenland verhandelt werden. Für Beamte, die ein ausschließlich kraft ihres Amtes zugänglich gewordenes Geheimnis offenbaren, sieht das Strafgesetzbuch bis zu drei Jahre Haft vor. Für Fuchs gilt die Unschuldsvermutung.

Info an Pilnacek weitergegeben?

Fuchs war unter Druck geraten, nachdem Nachrichten zwischen ihm und dem ebenfalls suspendierten Sektionschef Christian Pilnacek publik geworden sind. Es steht der Vorwurf im Raum, Fuchs könnte Pilnacek Informationen zu Verfahrensständen – etwa in der Causa Gernot Blümel – weitergeleitet haben. Die beiden hatten sich außerdem über die Observation eines WKStA-Mitarbeiters im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht unterhalten.

Einstweilig suspendiert

Am Mittwoch wurde Fuchs mit sofortiger Wirkung einstweilig suspendiert, wie es es aus dem Justizministerium hieß. „Grund für die Maßnahmen war, dass angesichts der Anklageerhebung die Suspendierung mit Rücksicht auf die Natur oder Schwere der zur Last gelegten Pflichtverletzung im dienstlichen Interesse bzw. zur Wahrung des Standesansehens erforderlich erschien“, begründete das Ministerium den Schritt.

Die Suspendierung wurde dem Obersten Gerichtshof als zuständigem Disziplinargericht zur Kenntnis gebracht – dieser muss nun darüber entscheiden.

Ermittlungen gegen Sobotka, Anklage gegen Fuchs

Gegen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) wird laut Medienberichten wegen Amtsmissbrauchs ermittelt. Und der Oberstaatsanwalt Johann Fuchs wurde suspendiert und wird angeklagt.

Bei der Befragung von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) war der Status in der disziplinarrechtlichen Untersuchung gegen Fuchs seitens der SPÖ noch erfragt worden. Ein Vorhabensbericht zur Causa sei im Ministerium gelegen, mehr könne sie medienöffentlich nicht sagen, gab Zadic während ihrer Befragung an. Dem medienöffentlichen Befragungsteil folgte dazu eine vertrauliche Sitzung in einem abhörsicheren Raum, wo der Ermittlungsstand in der Causa dann Thema war – und in weiterer Folge nach außen drang.

„Massive Beeinträchtigung unserer Arbeit“

Die Aufsicht über die WKStA führt derzeit jedenfalls die Staatsanwaltschaft Innsbruck. Seit das der Fall ist, habe sich die Arbeit der WKStA weit besser gestaltet als zuvor, sagte Vrabl-Sanda am Mittwoch vor den Abgeordneten. Erneut schilderte die Behördenleiterin, wie sie die Zusammenarbeit mit Fuchs und Pilnacek wahrnahm.

Die Verwerfungen innerhalb der Justiz sind bekannt, die WKStA beklagte seit Beginn der „Causa Ibiza“ wiederholt „Störfeuer“ gegen ihre Arbeit und Diffamierungen. Fuchs setzte laut den publik gewordenen Chats die „SoKo Tape“ in Gang, die als „begleitendes Risikomanagement“ in der Causa „Ibiza“ tätig werden sollte. Auch das „Ibiza-Video“ selbst schlug bei der SoKo auf, die WKStA aber wurde nicht informiert. Zuletzt sorgte eben die gewünschte Observation von Korruptionsstaatsanwälten im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht für Aufruhr in der Behörde.

Vrabl-Sanda sagte, man habe von mehreren Seiten Druck auf die WKStA ausgeübt, die Ermittlungen seien „für Zwecke außerhalb der Strafgesetze“ erschwert worden. Durch Berichtspflichten und andere Verfahren habe man „eine massive Beeinträchtigung unserer Arbeit“ gesehen. Zudem sei aktiv nach Fehlern und Angriffspunkten gegen die Behörde gesucht worden.

Nun hänge hingegen nicht mehr ständig „das Damoklesschwert“ von disziplinarischen Folgen über Ermittelnden. Die Lage habe sich in den vergangenen Monaten „erheblich“ verbessert, so Vrabl-Sanda. Es brauche Kontrolle, gerade auch im Zuständigkeitsbereich der WKStA – aber eine unabhängige, „frei von unsachlichen Argumenten“.

„Unrühmliches Kapitel“ soll geschlossen werden

Die Chatnachrichten bildeten nun die Basis für eine gründliche Aufarbeitung „der auch für mich untragbaren Zustände“, das „unrühmliche Kapitel“ müsse abgeschlossen werden, indem man daraus Lehren ziehe. Dafür reichten einzelne disziplinarrechtliche Maßnahmen nicht. Das System müsse verbessert werden, und zwar so, dass „Unlauteres“ nicht allein durch zufällige Entwicklungen entdeckt werde, und auch, damit nicht alle Macht in einer Hand liege. Zudem appellierte Vrabl-Sanda erneut für eine Aufstockung bei der WKStA.

Die Behördenleiterin hatte der „Soko Tape“, Ansprechpartnerin für Pilnacek und Fuchs, den Ermittlungsauftrag entzogen. Zudem hatte sie den Ausschluss der Rechtsschutzbeauftragten Gabriele Aicher aus allen „Ibiza“-Ermittlungen gefordert. Aicher hatte die Hausdurchsuchungen im Zusammenhang mit den Ermittlungen in der Inseratenaffäre kritisiert. Später wurde bekannt, dass sie sich bezüglich des damaligen Statements von jener Rechtsanwaltskanzlei beraten hatte lassen, die einen Beschuldigten in der Inseratenaffäre vertritt. Ob Aicher ein Amtsgeheimnis gebrochen habe, sei zu prüfen, so Vrabl-Sanda am Mittwoch.

Zadic verteidigt sich gegen Opposition

Zadic hatte zuvor als erste Auskunftsperson des Tages ihre Maßnahmen im Ressort verteidigt. Die Abgeordneten wollten vor allem von ihr wissen, was die Ministerin veranlasst habe, damit die Justiz in den betreffenden Causen unabhängig arbeiten könne.

Justizminsterin Alma Zadic beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss am 30.03.2022
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Zadic verteidigte vor dem U-Ausschuss ihr Vorgehen. Sie habe viele Schritte gesetzt, um die Justiz unabhängig arbeiten zu lassen.

Die veröffentlichten Chats, die viele Versuche der Einflussnahme auf die Arbeit der Justiz vermuten lassen, seien für viele Menschen „abstoßend“ und offenbarten „ein Sittenbild“, sagte Zadic. „Ich habe unmittelbar nach meinem Antritt begonnen, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren“, so Zadic.

Insbesondere habe sie die Aufsicht im Justizministerium über die Staatsanwaltschaft auf völlig neue Beine gestellt. Neue Planstellen für die WKStA seien geplant. Auch habe sie Fuchs schon zuvor Kompetenzen entzogen.

Eine etwaige politische Einflussnahme auf Ermittlungen habe sie nicht wahrgenommen, sagte Zadic. Die Prüfung dieser Frage obliege dem U-Ausschuss. „Bei mir hat keiner versucht, die Verfahren zu beeinflussen, mehr kann ich dazu nicht sagen“, so Zadic, die auch betonte, keine Chats abseits von Medienberichten zu lesen.

Stephanie Krisper (NEOS)
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Krisper sah trotz Zadics Bemühungen nicht genug Engagement im Sinne einer unabhängigen Justiz

NEOS-Fraktionsführerin Krisper gingen die Maßnahmen im Justizministerium nicht weit genug. Sie habe etwa den Eindruck, dass es in der Justiz nicht genug Interessierte gebe, die sich für Ermittlungen in heiklen Fällen melden würden. Diese hätten Angst, dass ihnen bei Angriffen die Rückendeckung fehle. FPÖ-Fraktionsführer Hafenecker sagte, er habe zwar den Eindruck, dass Zadic „keine schlechten Absichten hat“, sich aber gegen ÖVP-Netzwerke im Ministerium nicht durchsetzen könne. Auch wenn Fuchs und Pilnacek nicht mehr dieselben Möglichkeiten hätten wie früher, ihre Stellvertreter seien schließlich immer noch involviert und hätten weiterhin teilweise die Fachaufsicht, so Hafenecker.

Reformprogramm angekündigt

Die eigentliche Frage sei ohnehin schon geklärt, befand SPÖ-Fraktionsführer Krainer: Die WKStA sei durch „ÖVP-Netzwerke“ in ihrer Arbeit behindert worden. Auch die mit der ÖVP regierenden Grünen sahen Angriffe auf die Justiz bestätigt, wie deren Abgeordneter David Stögmüller sagte. Keine politische Einflussnahme sah erwartungsgemäß die ÖVP selbst. Dass die WKStA regelmäßig Konflikte mit anderen Behörden hat, werde wohl an ihr selbst liegen, so Christian Stocker von der ÖVP.

Zadic kündigte am Mittwoch kurz vor Beginn der Befragung im Ausschuss weitere Reformen an. Im Lauf der Legislaturperiode wolle im Rahmen des Projekts „Justiz 2030“ Vorschläge sammeln und prüfen, um die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken und „strukturell abzusichern“. Es seien etwa Änderungen in der Organisationsstruktur möglich, so Zadic.

Brandstetter als Nächster geladen

Am Donnerstag wird der Fokus erneut auf der Justiz liegen, wenn der ehemalige ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter als Auskunftsperson am Wort ist. Er war nach der Veröffentlichung von Chats mit Pilnacek unter Druck geraten und zog sich als Konsequenz sogar als Verfassungsrichter zurück. Gegen ihn wird wegen des Verdachts der Verletzung des Amtsgeheimnisses ermittelt, weil er Pilnacek angestiftet haben soll, eine Hausdurchsuchung zu verraten – auch hier gilt die Unschuldsvermutung. Nach Brandstetter kommt Ex-Innenminister Eckart Ratz in den Ausschuss, danach noch eine ehemalige Kabinettschefin im Justizministerium.