Causa Sobotka: Anfangsverdacht für ÖVP „nicht erkennbar“

Die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sind für die ÖVP nicht nachvollziehbar. Auf ORF.at-Nachfrage, ob Sobotka weiterhin den Vorsitz im ÖVP-U-Ausschuss führen solle, sagte ÖVP-Mandatarin Corinna Scharzenberger heute, dass für sie der Anfangsverdacht „nicht erkennbar“ sei. Die anderen Fraktionen sehen das anders.

Präsident des Nationalrats Wolfgang Sobotka
ORF.at/Peter Pfeiffer

Gestern wurde bekannt, dass die WKStA gegen den früheren Innenminister Sobotka wegen Amtsmissbrauchs Ermittlungen führt. Anlass ist eine Postenbesetzung aus dem Jahr 2017. Damals wurde der Posten der Wiener Vizelandespolizeidirektion neu besetzt. Als Nachfolgerin bewarb sich Andrea Jelinek. Die ÖVP habe sie allerdings verhindert, weil Jelinek SPÖ-nahe sein soll. Sobotka vermutet hinter den Ermittlungen „politische Motive“.

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SPÖ und FPÖ mit scharfer Kritik

Scharzenberger vewies auf frühere Anzeigen gegen Sobotka, die alle zurückgelegt wurden. Zudem sei der Posten nach gesetzlichen Anforderungen besetzt worden. Den Job bekam der ÖVP-nahe Franz Eigner. Dieser sei der einzige Bewerber gewesen, den die Personalkommission „in höchstem Ausmaß geeignet“ angesehen habe, so die ÖVP-Abgeordnete im Vorfeld der heutigen Befragungen im U-Ausschuss.

Ganz anders sieht das freilich FPÖ-Fraktionschef Christian Hafenecker. Nicht erst seit Bekanntwerden der Ermittlungen sei Sobotka als Vorsitzender nicht mehr tragbar. Zudem gehe es auch um das Ansehen des Parlaments, sagte er. Parteipolitische Postenbesetzungen seien ein Muster, der Präsident stehe mittendrin und nicht nur dabei – „mittlerweile lachen ja schon die Italiener“.

Es müsste im Interesse der ÖVP sein, dass Sobotka den Vorsitz zurücklegt, sagte SPÖ-Abgeordneter Kai Jan Krainer und nahm Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in die Pflicht. Der geschäftsführende ÖVP-Chef müsse mit Sobotka reden und ihn zu Vernunft bringen. Gemäß Verfahrensordnung kann nur Sobotka selbst den Vorsitz abgeben.

Grüne: Ermittlungen nie „ohne Grund“

Grünen-Fraktionschefin Nina Tomaselli erinnerte an den „Ibiza“-U-Ausschuss, in dem die Vorsitzführung von Sobotka für „Unruhe“ gesorgt habe. „Wolfgang Sobotka würde der Aufklärung einen Dienst erweisen, wenn er die Konsequenzen zieht“, so Tomaselli. Die Mandatarin sagte, sie vertraue auf die unabhängige Justiz, diese habe einen Anfangsverdacht festgestellt. „Die Staatsanwaltschaft ermittelt nie ohne Grund“, sagte sie.

Immunität muss nicht aufgehoben werden

Nationalratsabgeordnete sind grundsätzlich durch die Immunität vor einer strafrechtlichen Verfolgung geschützt. Das gilt aber nicht in diesem Fall, wie die WKStA gegenüber ORF.at mitteilte. Da die inkriminierte Handlung vor Sobotkas Nationalratsmandat stattfand und deshalb kein offensichtlicher Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit „des Abgeordneten“ bestehe, müsse kein Antrag zur Aufhebung der Immunität gestellt werden.

Der entsprechende Paragraf im Bundesverfassungsgesetz könne allerdings auch so ausgelegt werden, dass der Zeitpunkt der Tathandlung für die Immunität irrelevant ist, wie Fachleute gegenüber ORF.at betonten. Das sei auch die herrschende Rechtsmeinung – ausjudiziert ist das allerdings nicht.

Sobotka könnte nun trotzdem einen Antrag der WKStA zur Aufhebung der Immunität verlangen. Das werde er aber nicht tun, wie ein Sprecher auf Nachfrage betonte. Man wolle, dass die Vorwürfe „rasch aufgeklärt“ werden – ein Antrag stehe nicht zur Debatte.