Wolfgang Brandstetter beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss am 31.03.2022
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ÖVP-U-Ausschuss

Wechsel an VfGH für Brandstetter „Fehler“

Der ehemalige ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter hat sich am Donnerstag den Fragen der Abgeordneten im ÖVP-U-Ausschuss gestellt. Brandstetter führte wortreich und unter mehrfachem Hinweis auf die Wahrheitspflicht im Ausschuss seine, teils lückenhaften, Erinnerungen etwa zu Postenbesetzungen in der Justiz aus. Seinen fast direkten Wechsel von der Regierungsbank an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) bezeichnete er als „Fehler“.

Schon in seinem ausschweifenden Eingangsstatement betonte der ehemalige Verfassungsrichter, dass er abgesehen vom Schutz seiner Mandanten und Mandantinnen umfassend und konstruktiv zur Aufklärung beitragen wolle und sich trotz seines Beschuldigtenstatus in einigen Verfahren – darunter gegen seinen Mandanten Michael Tojner – nicht entschlagen wolle, denn es gebe „nichts zu verschweigen“ und „nichts, was mich belasten könnte“. Die Vorwürfe etwa bezüglich parteipolitischer Postenbesetzung würden ihn „schwer treffen“.

Brandstetter, der nach seiner Politkarriere auf Vorschlag der ÖVP-FPÖ-Regierung in den Verfassungsgerichtshof (VfGH) wechselte, geriet nach der Veröffentlichung von Chats mit dem mittlerweile suspendierten Strafrechtssektionschef Christian Pilnacek unter Druck. Er legte in weiterer Folge seinen Posten am VfGH nieder. Gegen Brandstetter wird wegen des Verdachts der Verletzung des Amtsgeheimnisses ermittelt, weil er Pilnacek angestiftet haben soll, eine Hausdurchsuchung zu verraten. Es wird vermutet, dass er zudem VfGH-Interna an Pilnacek weitergab. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Wolfgang Brandstetter beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss am 31.03.2022
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Brandstetter kündigte an, sich nicht entschlagen zu wollen – und hielt Wort

Dass zwischen seiner Tätigkeit in der Regierung und am VfGH nur rund zwei Monate lagen, und es damit kein echtes Cooling-off gab, habe er damals als nicht problematisch eingeschätzt – das habe sich mittlerweile geändert: „Das war ein Fehler.“ Es sei schließlich immer wieder um Gesetze und Rechtsvorschriften aus seiner eigenen Regierungszeit gegangen, heute würde er das nicht mehr machen. Der VfGH sei zwar sein Wunsch gewesen, es habe aber auch andere Optionen gegeben, betont er.

Brandstetter betont freiwilligen Abgang

Niemand habe auf ihn Druck ausgeübt, den Posten am VfGH schließlich aufzugeben, so Brandstetter auf eine entsprechende Frage des FPÖ-Fraktionsleiters Christian Hafenecker. Er habe aber gesehen, dass er eine Belastung geworden war und dem VfGH nicht mehr dienlich sei, nach der Veröffentlichung der privaten Chats mit Pilnacek. Es sei seine eigene Entscheidung gewesen.

Er habe dem damals schon im Wahlkampf stehenden Sebastian Kurz (ÖVP) im „September oder Oktober“ 2017 gesagt, dass er nach seiner Tätigkeit als ÖVP-Justizminister nicht mehr in der Politik bleiben möchte, und den Wunsch geäußert, an den VfGH wechseln zu wollen, sagte er auf Fragen von SPÖ-Abgeordneter Julia Herr. Er sei der Meinung gewesen, dass er als Strafrichter dort Sinnvolles beitragen könne – Kurz habe gesagt, er würde das unterstützen. Dass er dann in den Sidelettern der ÖVP-FPÖ-Regierung vorkam, hab ihn gewundert, das wisse er auch erst seit ein paar Wochen.

Wolfgang Sobotka beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss am 31.03.2022
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Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) führte bis Mittag den Ausschuss – und gab dann an Norbert Hofer (FPÖ) ab

Kurz habe ihm Anfang 2018 gesagt, er, Brandstetter, solle sich für die zwei damals offenen Stellen am VfGH bewerben. Er habe dann auch schon einen Termin für ein Hearing im Parlament gehabt, das aber abgesagt worden sei – warum, wisse er nicht, er sei damals davon ausgegangen, dass schon klargewesen sei, dass er auf einem Regierungsticket in den Gerichtshof einzieht. Mehrfach wies Brandstetter in der Befragung darauf hin, dass er nicht Mitglied der ÖVP und etwa auch nicht bei entsprechenden Gesprächen der ÖVP-Gremien dabei war. Einladungen sei er aber nachgekommen, es habe ihn nur die ÖVP eingeladen.

Journalistin informierte über Hausdurchsuchung

Brandstetter berät nach eigenen Angaben unter anderem den Immobilieninvestor Tojner in strafrechtlichen Belangen. Gefragt von Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl nach der Hausdurchsuchung bei Tojner am 25. Juni 2019 sagte Brandstetter, dass er persönlich nicht dabei war, er habe aber rund zwei Wochen vorher von einer Journalistin von der anstehenden Hausdurchsuchung erfahren. In weiterer Folge habe er die Behörde angeschrieben, mit dem Hinweis, dass diese nicht notwendig sei und auch schädlich für Tojners börsennotiertes Unternehmen.

Dieses Schreiben habe er am 24. Juni abgeschickt – am nächsten Tag wurde die Hausdurchsuchung durchgeführt. Er habe Pilnacek nie informiert, so Brandstetter, vielmehr sei die Info in die andere Richtung geflossen. Er habe auch keine Info über das konkrete Datum gehabt, aber damit gerechnet, dass die Durchsuchung als Reaktion auf seinen Brief entweder sofort durchgeführt oder überhaupt abgesagt wird.

Damit erklärte Brandstetter auch seine Nachricht an Tojner vom 25.Juni um 7.37: „Wenn die heute kommen, ganz ruhig bleiben. Rechtsmittel gegen diese Hausdurchsuchung machen durchaus Sinn“, kurz vor der tatsächlichen Hausdurchsuchung. Warum er am 24.Juni dreimal versuchte, Tojner per Telefon zu erreichen, wollte er unter Verweis auf seine Funktion als Verteidiger nicht beantworten, sagte Brandstetter auf Fragen von NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper.

Julia Herr (SPÖ)
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Herr fragte genau zum Themenkomplex Tojner nach

Er habe sich öfter mit Pilnacek zur Sache Tojner ausgetauscht, so Brandstetter unter Verweis darauf, dass er sich mit der Frage zum Thema Untreue befasst habe. Es schmerze ihn „schon ein bisserl“, dass man glaube, dass er eine Freundschaft ausnützen würde, um an Auskünfte zu gelangen. Hätte er nach einem Verfahren gefragt, hätte Pilnacek wohl gesagt: „Ja, morgen wird das Wetter schön.“ Er habe keine Erinnerung, dass er sich mit anderen Personen zu dem Thema getroffen habe, Pilnacek sei als Fachaufsicht zuständig.

Die Personalie Marek

Befragt wurde Brandstetter auch nach der Besetzung der Leitung der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, wo er sich für die damals Drittgereihte Eva Marek entschied. In seinen Augen sei sie die fachlich Beste gewesen – auch wenn die Personalkommission die heutige Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), Ilse-Maria Vrabl-Sanda, erstgereiht hatte. Die WKStA habe Vrabl-Sanda gebraucht, so Brandstetter. Er stehe zu seiner Entscheidung und würde sie so wieder treffen.

Marek, mittlerweile OGH-Vizepräsidentin, kenne er von früher, wenn es auch keine nähere persönliche Bekanntschaft laut ihm gab – obwohl er einmal zu einem Abendessen bei ihr zu Hause gewesen sei, bei der auch ihr Mann anwesend war, so Brandstetter auf weitere Fragen von Herr. Dass Marek als Drittgereihte der Peronsalkommission die Generalprokuratur wegen nicht ausreichender Eignung nicht bekam, tue ihm leid. Brandstetter stellte in Abrede, dass er Marek zur Bewerbung aufgefordert hat – Chats legen anderes nahe.

Für die Stelle brauche es auch ein anderes Anforderungsprofil, die Tätigkeit stehe zudem eher am Ende einer Karriere. Offenbar war aber anderes vereinbart, nämlich, dass Marek nach der OStA Wien die Generalsprokuratur übernimmt, wie Chats von Marek mit Brandstetter nahelegen. Marek zeigte sich in aufgetauchten Chats gegenüber Brandstetter mehr als erbost, dass sie nicht genommen wurde, mit Hinweis auf die „Versorgung“ seiner Leute. Er habe diese „tiefe Enttäuschung“ nicht verstanden und auch nicht einordnen können. Er habe „eigentlich keinen Kontakt mehr“ mit ihr.