Eckart Ratz beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss am 31.03.2022
ORF.at/Peter Pfeiffer
ÖVP-U-Ausschuss

Ratz verneint „dunkle Machenschaften“

Der ÖVP-U-Ausschuss hat am Donnerstag mit zwei Ex-Ministern aufgewartet: Nach den wortreichen Ausführungen des früheren ÖVP-Justizministers Wolfgang Brandstetter zu diversen Chats holte Ex-Innenminister Eckart Ratz noch weiter aus. Die Befragung mutierte teils zu einem Seminar im Bereich der Rechtswissenschaften. „Dunkle Machenschaften“ konnte Ratz während seiner Politkarriere nicht ausmachen.

Der frühere Präsident des Obersten Gerichtshofs (OGH) war von 22. Mai bis 3. Juni 2019 Innenminister. Der damalige Kabinettschef von Alt-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) habe ihn davor gefragt, ob er das Amt übernehmen wolle. „Ich sagte, ‚kommt darauf an, welches Ministerium‘. Er sagte, das Innenministerium ist frei, und ich Trottel sage: ‚Ja, das kann ich‘.“

Enttäuscht zeigte er sich allerdings von der Organisation im Ressort. Weder ein Computer noch ein Organisationsplan seien ihm anfänglich zur Verfügung gestanden. Dass er das Amt ohne Rücksprache mit seiner Frau übernommen habe, wisse nur er. Nach dem Hinweis, dass das stenografische Protokoll der Befragung veröffentlicht wird, sagte er: „Wir sind seit 42 Jahren verheiratet, das wird schon gut ausgehen.“

Kritik an Vorgehensweise

Ratz war eigentlich zum Beweisthema Einflussnahme auf Ermittlungen geladen – doch schnell wurde klar: Dabei bleibt es nicht. Vielmehr führte er wortreich aus, warum der Jurist diesen oder jenen Fall anders sieht als die fallführende Staatsanwaltschaft. So sagte er, dass das Verfahren gegen Kurz wegen mutmaßlicher Falschaussage vor dem U-Ausschuss „juristisch“ nicht einwandfrei sei. Kurz wollte dann, dass er das auch öffentlich sagte, doch das wollte er wiederum nicht.

Eckart Ratz beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss am 31.03.2022
ORF.at/Peter Pfeiffer
In der Befragung äußerte sich Ratz wortreich und theoretisch zu mehreren Themen

Im vergangenen Jahr sei er trotzdem bei einem ÖVP-Pressegespräch, in dem die Arbeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) infrage gestellt wurde, als Experte dabei gewesen. Dafür habe er ein „Glas Mineralwasser“ bekommen. Auf die Frage, ob seine Meinung mit der ÖVP abgesprochen wurde, sagte Ratz: „Na, eben nicht, das ist ja das Problem der ÖVP. Sie tut nichts von dem, was ich geschrieben habe. Super, weiter so.“ Die WKStA sei laut Ratz aber nicht „politisch verseucht“.

Gründung von SoKo für Ratz in Ordnung

Sehr theoretisch wurde Ratz bei der Frage, warum die „SoKo Tape“, die in der „Ibiza-Affäre“ sowohl der Staatsanwaltschaft (StA) Wien als auch der WKStA zuarbeitete, errichtet wurde. Nach Ansicht des früheren OGH-Präsidenten sei es im „Ibiza“-Video nicht um Korruption gegangen, sondern um konnexe Delikte. Deshalb sei die SoKo installiert worden – denn wäre es nur um ein Korruptionsdelikt gegangen, hätte man das Bundesamt zur Korruptionsprävention und -bekämpfung (BAK) heranziehen müssen.

Den Vorwurf, dass das BAK außen vor gelassen wurde, um mit Absicht das Bundeskriminalamt heranzuziehen, konnte Ratz hingegen nicht ganz nachvollziehen. Als Innenminister wollte er über das operative Geschäft auch nichts wissen, wie er erklärte. Die Initiative zur Gründung der SoKo ging vom damaligen Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Franz Lang, aus. Er, Ratz, habe sich gar nicht ausgekannt, weil es die Polizei betraf und nicht die Justiz. Erst nach seiner Politkarriere habe er sich näher mit der SoKo beschäftigt. Die Gründung sei möglich gewesen, so Ratz.

Die theoretische Ausführung erinnerte phasenweise an ein Seminar im Bereich der Rechtswissenschaften. So äußerte sich Ratz zum Streit zwischen WKStA und „SoKo Tape“, der jüngst mit einer Entziehung der Ermittlungsaufträge endete. „Nach meinem logisch systematischen Denken darf die WKStA eine SoKo verweigern, die anderen Staatsanwaltschaften dürfen das aber nicht. Sie müssen tun, was der Minister sagt“, so Ratz, der dies nach einer nächtlichen Lektüre am Tag vor seiner Befragung festgestellt habe.

Viele Kontakte

Angesprochen auf Observierungspläne, die in den Chats zwischen dem suspendierten Sektionschef Christian Pilnacek und dem mittlerweile angeklagten Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien auftauchten, sagte Ratz, dass es durchaus möglich sei, Staatsanwälte zu observieren. Aber das bedeutete ja nicht, dass die Observierten schuldig seien. Die Spannungen zwischen WKStA, Ministerium und OStA seien ihm aufgefallen, wo diese ihren Ausgangspunkt haben, könne er nicht sagen, versuchte Ratz zu verdeutlichen.

Norbert Hofer beim ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss am 31.03.2022
ORF.at/Peter Pfeiffer
In den ersten Minuten der Ratz-Befragung führte Norbert Hofer (FPÖ) den Vorsitz, danach Wolfgang Sobotka (ÖVP)

Er habe weiterhin Kontakt zu Pilnacek und Fuchs. Während das Verhältnis mit Fuchs entspannt und fachlich sei, sei jenes mit dem früheren Sektionschef Pilnacek „schon immer angespannt gewesen, aber respektvoll“. Gefragt, ob er von politischen Einflussnahmen auf Verfahren wisse, reagierte der Kurzzeitinnenminister durchaus heftig: „Der gehört ja erschossen!“, rief er und meinte Politiker, die Derartiges versuchen. Es habe aber keine „dunkle Machenschaften“ gegeben. Dass er seinen damaligen Kabinettschef nicht selbst aussuchte, sondern dieser sich bei ihm „meldete“, sei nicht fragwürdig.

Ratz schilderte recht ausführlich Kontakte zu Personen, deren Namen in den vergangenen Wochen im Zuge des justizinternen Streits öfter auftauchten. So habe er sich mit der früheren WKStA-Staatsanwältin Linda P. getroffen, die Fuchs mit WKStA-Interna versorgt haben soll. Sie habe ihm damals erklärt, dass sie nicht zurück zur WKStA will, sondern zu einer Anwaltskanzlei – das geschah dann auch. Ratz gab zudem an, dass er mit der Rechtsschutzbeauftragten Gabriele Aicher, die eine Freundin von P. sei, über Emotionales gesprochen habe.