Arbeiter vor den Plätzen des al-Bayt-Stadions in Doha (Katar)
APA/AFP/Giuseppe Cacace
Weltmeisterschaft in Katar

Arbeiter mussten für eigene Jobs zahlen

Ein neuer Bericht zeigt, dass Arbeiter Milliarden von Anwerbegebühren zahlen mussten, um im Emirat Katar zu arbeiten. Darunter sind viele, die bei Bauprojekten im Zusammenhang mit der Weltmeisterschaft beschäftigt waren. Einmal mehr wird das Ausmaß der Ausbeutung deutlich, das einige der ärmsten Arbeiter der Welt im Golfstaat erleiden.

Laut dem Bericht sollen migrantische Arbeiter in den letzten Jahren Milliarden Euro an Rekrutierungsgebühren gezahlt haben, um ihre Arbeitsplätze im WM-Gastgeberland Katar zu sichern. Betroffen sind auch Arbeiter, die auf den Baustellen und Projekten im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft arbeiten. Die Untersuchungen des „Guardian“ decken sich auch mit den Berichten von Arbeitern, die Amnesty International vorliegen, sagt Sandra Iyke von Amnesty International Österreich im Interview mit ORF.at.

Arbeiter auf der Baustelle des Lusail-Stadions in Katar
Reuters/Kai Pfaffenbach
Etwa zwei Millionen Arbeitsmigranten leben in Katar, die meisten kommen aus südasiatischen Ländern

Oft würden katarische Unternehmer und Vermittlungsagenturen in den Herkunftsländern zusammenarbeiten und die Männer und Frauen zwingen, für ihre eigene Rekrutierung zu bezahlen. Um die hohen Gebühren aufzubringen, würden die Arbeiter Kredite aufnehmen und Land verkaufen. Oft machten sie hohe Schulden bei ihrem Arbeitgeber, sagt Iyke. So würden die Arbeiter in eine Art Schuldknechtschaft gelangen, eine Form der modernen Sklaverei, da sie ihre Jobs nicht verlassen können, bevor die Schulden zurückgezahlt sind.

Ausbeutung besteht weiter

Seit der umstrittenen WM-Vergabe 2010 an den Golfstaat berichten internationale Medien, Gewerkschaften sowie Menschenrechtsorganisationen in regelmäßigen Abständen über die prekären Arbeitsverhältnisse der ausländischen Arbeiter. Schätzungsweise leben mehr als zwei Millionen Arbeiter im Golfstaat, die meisten der Männer und Frauen kommen aus Indien, Pakistan, Nepal, Bangladesch, Sri Lanka und ostafrikanischen Ländern wie Kenia und Uganda. Sie wurden nicht nur für den Bau der Stadien und WM-Infrastruktur benötigt, sondern auch für andere Bauprojekte in Katar.

Wiederholt berichtete der „Guardian“ aber auch Amnesty International über die unzulänglichen Unterkünfte der Arbeiter, die Einbehaltung von Löhnen und die Konfiszierung von Reisedokumenten, die einen Arbeitsplatzwechsel sowie eine Ausreise unmöglich machten. Umstritten war auch das Kafala-System, das vor allem in den arabischen Golfstaaten verbreitet ist und ausländische Arbeiter an einen einheimischen Bürgen wie einen Arbeitgeber bindet.

Ungeklärte Todesfälle

Tausende Gastarbeiter sind in den vergangenen Jahren auf den Baustellen Katars gestorben. Laut Recherchen des „Guardian“, die im vergangenen Jahr veröffentlicht wurden, sollen mehr als 6.500 Arbeiter, vor allem aus Bangladesch und Nepal, bei den Arbeiten ums Leben gekommen sein. Die Gesamtzahl der Todesopfer ist vermutlich höher, da in den Zahlen die Todesfälle aus einer Reihe anderer Länder nicht enthalten sind.

Das Stadion von Lusail (Katar) mit der Stadt im Hintergrund
APA/AFP/Qatar’s Supreme Committee for Delivery and Legacy
Das Lusail-Stadion nördlich der katarischen Hauptstadt Doha

Amnesty International berichtete, das Katar routinemäßig Totenscheine für Gastarbeiter ausstellen würde, ohne angemessene Untersuchungen zur Todesursache durchzuführen – stattdessen würden natürliche Todesursachen oder vage definierte Herzfehler angeführt werden. „Wir haben Todesurkunden untersucht und mit Hinterbliebenen gesprochen,“ sagt Iyke gegenüber ORF.at, „zurück bleiben Familien, die über die Umstände ihrer Väter oder Brüder im Unklaren sind.“ Es herrsche deutlich ein Mangel an Klarheit und Transparenz bei der Erfassung der Todesfälle in Katar, so Iyke.

Nachhaltige Reformen gefordert

Trotz umfangreicher Arbeitsrechtreformen, die 2017 durch ein Abkommen zwischen den katarischen Behörden und der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO) eingeleitet wurden, seien die Arbeiter nach wie vor Ausbeutung und Missbrauch ausgesetzt, sagt Iyke im Interview.

So etwa hat der Golfstaat das umstrittene Kafala-System abgeschafft, einen Mindestlohn eingeführt und Beschwerdestellen für Arbeiter errichtet, aber der Alltag der Arbeiter sei nach wie vor hart, zeigen die neuesten Untersuchungen von Amnesty International. Berichte würden vorliegen, in denen Arbeitgeber Löhne zu spät oder nicht ausbezahlt hätten und Arbeitern mit der Polizei gedroht wurde, wenn sie ihren Arbeitsplatz wechseln wollten. „Die Reformen bestehen zwar auf Papier, aber es mangelt an Kontrolle und Durchführung“, sagt Iyke. Amnesty International fordert eine konsequentere Umsetzung durch der katarischen Behörden sowie eine Ausweitung der Reformen auf alle Arbeiter.