Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban winkt
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UNGARN-Wahl

Klarer Sieg für Orbans FIDESZ

Der rechtsnationale Ministerpräsident Viktor Orban hat bei der Parlamentswahl in Ungarn einen unerwartet klaren Triumph gefeiert. Seine Partei FIDESZ kam nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen auf 53 Prozent, wie das Wahlbüro am Montag mitteilte. Damit kommt die Partei auf 135 der 199 Parlamentssitze und kann zum vierten Mal in Folge mit einer verfassungsändernden Zweidrittelmehrheit regieren.

Das Sechsparteienbündnis der Opposition, Ungarn in Einheit, mit seinem Spitzenkandidaten Peter Marki-Zay schnitt weit unter den Erwartungen ab. Der Zusammenschluss von sechs Parteien aus dem linken, grünen, liberalen und rechten Spektrum kam auf nur 35 Prozent der Stimmen und 56 Mandate.

Den Einzug ins Parlament schaffte außerdem die rechtsradikale Partei Unsere Heimat mit sechs Prozent der Stimmen und sieben Mandaten. Ein für Nationalitäten erreichbares Mandat ging an den Vertreter der deutschen Minderheit, der als Verbündeter der FIDESZ gilt. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 70 Prozent und war damit ähnlich hoch wie vor vier Jahren.

„Riesiger Sieg“

„Es ist ein riesiger Sieg, so riesig, dass man ihn sogar vom Mond sehen kann, aber aus Brüssel auf jeden Fall“, sagte Orban in seiner Siegesrede in Budapest vor FIDESZ-Anhängerinnen und -Anhängern. „Wir haben die Unabhängigkeit und Freiheit Ungarns und seinen Frieden und seine Sicherheit beschützt“, sagte der Regierungschef.

„Enorme internationale Kraftzentren haben sich gegen uns in Stellung gebracht“, führte er weiter aus. Unter die zahlreichen Feinde seiner nationalistischen Politik zählte er „die internationale Linke, Brüssel, die internationalen Medien und den ukrainischen Präsidenten“. Wolodymyr Selenskyj hatte Orban zuletzt aufgefordert, von Russlands Präsident Wladimir Putin abzurücken und sich auf die Seite der von Russland angegriffenen Ukraine zu stellen.

„Ungleicher Kampf“

Die Opposition, die erstmals geschlossen gegen Orban angetreten war, zeigte sich schwer enttäuscht. „Wir erkennen FIDESZ’ Sieg an“, stellte Marki-Zay am Wahlabend vor Anhängern klar. „Es war ein ungleicher und chancenloser Kampf, aber wir haben uns ihm gestellt“, so Marki-Zay mit scharfer Kritik am Wahlsystem: „Wir bestreiten allerdings, dass diese Wahl demokratisch und frei gewesen wäre. FIDESZ hat nur aufgrund dieses (Wahl-)Systems gesiegt“.

Marki-Zay schaffte in seinem eigenen Wahlkreis kein Mandat. Er führt seit 2018 seine Heimatstadt Hodmezövasarhely als Bürgermeister, in diesem Wahlkreis trat er auch als Kandidat an.

Wahlsieg deutlicher als prognostiziert

Die Meinungsumfragen vor der Wahl hatten für FIDESZ einen Vorsprung von einem bis zehn Prozentpunkten ermittelt. Zudem wurde ein FIDESZ-Wahlsieg ohne erneute Zweidrittelmehrheit prognostiziert. Das ging sowohl aus einer knapp vor der Wahl durchgeführten Umfrage des Institutes Median hervor als auch aus den Einschätzungen des Wahlforschers Agoston Samuel Mraz vom regierungsnahen Institut Nezöpont gegenüber dem Nachrichtenportal „Telex“ am Wahltag. Die Median-Umfrage hatte 121 Parlamentssitze für FIDESZ und 77 für das Oppositionsbündnis prognostiziert.

Wahlforscher führten den unerwartet deutlichen Erfolg des Regierungslagers darauf zurück, dass die Mehrheit der Wähler mit den Zuständen im Land zufrieden sei. In der seit zwölf Jahren währenden Regierungszeit Orbans haben sich die Lebensbedingungen für viele Ungarn verbessert.

Zugleich sei es dem Regierungschef gelungen, die Gemüter angesichts des russischen Krieges gegen die Ukraine zu beruhigen. Mit seiner Beteuerung, dass nur er „Ungarn aus dem Krieg heraushalten“ könne, täuschte er über sein enges Verhältnis zur Führung in Moskau hinweg. Die Sanktionsmaßnahmen der EU gegen Russland trug er halbherzig mit. Die Opposition beschuldigte er wiederum, ohne Beweise vorzulegen, dass sie das Land „in den Krieg hineinziehen“ würde.

Orban seit 2010 im Amt

Orban regiert seit 2010 in Ungarn. Kritiker und Kritikerinnen werfen ihm einen autoritären Regierungsstil vor. In der EU, der das Land seit 2004 angehört, hat er zahlreiche Konflikte vom Zaun gebrochen, so etwa mit Verstößen gegen das Asylrecht und Maßnahmen zur Schikanierung von Zivilorganisationen.

Verstörend wirkt auch seine Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin. Von ihm hat sich Orban auch nach dem militärischen Angriff Russlands auf die Ukraine nicht wirklich distanziert.

Opposition trat vereint an

Vor vier Jahren hatte Orbans FIDESZ-Partei mit 49 Prozent der Stimmen knapp mehr als zwei Drittel der 199 Parlamentsmandate gewonnen. Aus diesem Grund trat die Opposition diesmal vereint an. Sechs Parteien schufen die gemeinsame Liste Ungarn in Einheit und ermittelten in selbst organisierten Vorwahlen die gemeinsamen Kandidaten für die 106 Direktwahlkreise. Auch der gemeinsame Spitzenkandidat, der parteilose Konservative Marki-Zay, ging aus diesen Vorwahlen hervor.

Der Oppositionsführer Peter Marki-Zay
AP/Anna Szilagyi
Peter Marki-Zay vom Oppositionsbündnis Ungarn in Einheit forderte Orban heraus

Dem Oppositionsbündnis gehören die Ungarische Sozialistische Partei (MSZP), die sozialdemokratische Demokratische Koalition (DK), die links-grüne Dialog-Partei, die Grün-Partei Politik kann anders sein (LMP), die liberale Momentum-Partei und die rechts-konservative Partei Jobbik (Die Besseren) an. Spitzenkandidat Marki-Zay ist seit 2018 Bürgermeister der südostungarischen Kleinstadt Hodmezövasarhely. Der Ort hatte vor seiner Wahl als FIDESZ-Hochburg gegolten.

Ukraine-Krieg überschattete Wahl

Die Wahl war indes vom Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine überschattet. In einem letzten Fernsehinterview am Samstag unterstellte Orban der Opposition, sich in den Krieg in der benachbarten Ukraine einmischen zu wollen. „Die Linke hat mit den Ukrainern einen Pakt geschlossen, und wenn sie gewinnt, zieht sie Ungarn in den Krieg hinein“, sagte er.

Tatsächlich gibt es einen solchen Pakt nicht, und Orban legte dafür auch keine Beweise vor. Linke Parteien bilden wiederum nur einen Teil des Oppositionsbündnisses. Dessen Spitzenkandidat Marki-Zay ist ein bekennender Katholik mit wirtschaftsliberalen Auffassungen. Auf der Abschlusskundgebung der Opposition am Samstag in Budapest warf er dem Regierungschef wegen seiner Haltung zu Moskau „Landesverrat“ vor. „Wir alle schämen uns für Viktor Orban“, sagte er. „Doch jetzt waschen wir diese Schande von uns ab.“

Wahlgesetze begünstigen FIDESZ

Orban, der 2014 die „illiberale Demokratie“ nach russischem Vorbild ausgerufen hatte, änderte auch die Wahlgesetze derart, dass es für politische Konkurrenten immer schwieriger wird, ihn abzuwählen. Der Zuschnitt der Wahlkreise sowie das Wahlrecht für ethnische Ungarn in den Nachbarländern begünstigen seine FIDESZ-Partei.

Außerdem stellte Orban die Ressourcen der Regierung und des Staates ungeniert in den Dienst der FIDESZ-Wahlwerbung. Wahlforschern zufolge gab das FIDESZ-Lager acht- bis zehnmal so viel Geld für den Wahlkampf aus wie die Opposition.

Gratulation von Putin

Der russische Präsident Wladimir Putin gratulierte Orban zum Sieg. Dabei habe sich Putin „zuversichtlich gezeigt, dass die künftige Entwicklung der bilateralen und partnerschaftlichen Beziehungen trotz der schwierigen internationalen Lage den Interessen der Völker Russlands und Ungarns entsprechen wird“, erklärte der Kreml am Montag.

Der Chef von Italiens rechter Regierungspartei Lega, Matteo Salvini, begrüßte Orbans Wahltriumph: „Ehre für das freie ungarische Volk!“, lobte Salvini das Wahlergebnis auf Twitter. Auch Österreich gab es lediglich eine Gratulation von FPÖ-Chef Herbert Kickl.