Lithiumgewinnung in Chile 2018
Reuters/Ivan Alvarado
Wichtige Metalle

Die neuen Rohstoffmächte der Energiewende

Metalle wie Kobalt, Kupfer und Lithium sind für Technologien von Elektroautos bis hin zur Gewinnung erneuerbarer Energie unverzichtbar und könnten Ländern wie Chile, Peru und der Demokratischen Republik (DR) Kongo künftig Einnahmen in Billionenhöhe bescheren. Bis die steigende Nachfrage nach Metallen die Machtverhältnisse auf dem globalen Markt tatsächlich ändert, gilt es aber noch einige Hürden zu bewältigen – vor allem, was Umweltschutz betrifft.

Der angestrebte Übergang weg von fossiler und hin zu erneuerbarer Energie wird laut dem Magazin „Economist“ weniger von einer Energiewende, sondern mehr von einer Rohstoffwende geprägt sein. Denn der Anteil an Wind- und Solarenergie an der Stromerzeugung wird laut Schätzungen der Internationalen Energie Agentur (IEA) bis 2050 auf rund 70 Prozent steigen – und damit erhöht sich auch die Nachfrage nach Metallen wie Aluminium, Kobalt, Kupfer, Lithium, Nickel, Silber und Zink.

Egal um welche Art von Rohstoffen es sich handelt, zwei Probleme bleiben jedoch so gut wie immer bestehen: Einerseits geht die Gewinnung der Ressourcen mit schweren Umweltbelastungen einher, andererseits sind die Rohstoffe global ungleich verteilt. Letzteres mag für die einen ein Problem sein – für andere ist es allerdings ein Glücksfall, verschafft es ihnen doch Alleinstellungsmerkmale auf dem globalen Markt und eine große Einnahmequelle.

Die aktuelle Situation in Russland zeigt, wie sehr dieser Markt von politischen Entscheidungen beeinflusst werden kann – und wie sehr die Nachfrage nach erneuerbaren Energiequellen langsam, aber stetig zunimmt. Sollte die Politik das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 ernst meinen, geht die IEA davon aus, dass sich der Markt für Metalle bis 2030 fast versiebenfachen wird – und damit auch neue Rohstoffsupermächte hervorbringt, die den bisherigen Öl- und Gasgiganten den Rang ablaufen könnten.

Erinnerungen an Öl- und Gasboom ab 1940

Laut dem „Economist“ wird der Ansturm auf Metalle zwar nicht so groß sein wie jener auf Gas und Öl zwischen den 1940er und 1970er Jahren, eine Parallele könnte sich aber abzeichnen: der rohstoffbedingte Aufstieg einst ärmerer Volkswirtschaften. So geschehen etwa in Ländern wie Katar und Saudi-Arabien, in denen dank Erdölexporten kleine Dörfer zu boomenden Städten wurden und das Pro-Kopf-BIP in zehn Jahren um das Zwölf- bis 18-Fache wuchs.

Laut Berechnungen des „Economist“ haben auch diesmal einige Länder, die bisher als ärmere Volkswirtschaften galten, das Potenzial, durch ihren Reichtum an Metallen zu neuen Rohstoffmächten zu werden. Bis 2040 könnten jährlich mehr als 1,2 Billionen Dollar (1,1 Billionen Euro) durch den globalen Export der Metalle eingenommen werden, so die Prognose.

Minenarbeiter im Kongo 2016
Reuters/Kenny-Katombe Butunka
Bergarbeiter in einer einst industriellen Kupfer-Kobalt-Mine im Süden der Demokratischen Republik Kongo

„Economist“-Szenario für 2040

Um herauszufinden, welche Staaten künftig besonders von der Energiewende profitieren könnten, hat der „Economist“ ein Szenario für 2040 aufgestellt. Basierend auf der Annahme, dass die globale Erwärmung bis 2100 unter zwei Grad Celsius und die Rohstoffpreise auf dem heutigen Niveau bleiben, wurden Nachfrage und Einnahmen für die fossilen Brennstoffe Öl, Gas und Kohle sowie für die sieben wichtigen Metalle berechnet.

Geht es nach diesem Szenario, werden die weltweiten Ausgaben für Energieressourcen im Jahr 2040 insgesamt geringer sein als heute, da Wind- und Sonnenkraft kostenlos sind. Die Gesamtausgaben für fossile Brennstoffe gehen um mehr als die Hälfte zurück, und die Einnahmen wichtiger Metalle steigen, bleiben aber mit 0,7 Prozent des weltweiten BIP auf einem niedrigen Niveau – wobei sie sich in absoluten Zahlen allerdings fast verdreifachen.

Die großen Gewinner und Verlierer der Wende

Obwohl die weltweiten Ausgaben für Energie zurückgehen, gibt es große Gewinner in diesem Szenario. Etwa das bereits wohlhabende Australien, das über alle der genannten sieben Metalle verfügt. Auch Chile würde von solchen Bedingungen profitieren, da es über 42 Prozent der weltweiten Lithiumreserven und ein Viertel der Kupfervorkommen verfügt – ein Großteil davon befindet sich in der Atacama-Wüste. Und auch China profitiert von Aluminium-, Kupfer- und Lithiumressourcen.

In Asien und Lateinamerika wird sich der Prognose nach der Anteil an Nickel, Silber, Kupfer und Lithium noch als großer Vorteil erweisen, während den Mitgliedern der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) wie dem Iran, Irak, Saudi-Arabien und auch Russland entweder gleich bleibende oder leicht sinkende Einnahmen vorhergesagt werden. Obwohl etwa Nordamerika und Kanada Einnahmen aus fossilen Brennstoffen verlieren, können sie diese mit Mineralienvorkommen kompensieren.

Zu den großen Verlierern zählen besonders erdölreiche Länder wie Algerien, Ägypten, Angola, Nigeria, Großbritannien und Norwegen. Und auch die Golfstaaten Bahrain und Katar müssen in dem „Economist“-Szenario Einbußen um mehr als ein Fünftel einstecken.

Lithiumgewinnung in Chile 2016
APA/AFP/SQM
Chile könnte mit Lithiumminen wie dieser in der Atacama-Wüste besonders von der Energiewende profitieren

Einige Hürden auf dem Weg

Um die hohe globale Nachfrage in den nächsten Jahren tatsächlich zu befriedigen, müssten diese Länder bereits jetzt mit dem Bau zusätzlicher Minen beginnen, der im Schnitt bis zu sechzehn Jahre dauern kann und teuer ist. Und auch die Geschichte vergangener Rohstoffbooms zeigt laut „Economist“, dass diese nicht nur ein wirtschaftlicher Segen für Länder, sondern auch ein Fluch für sie sein können.

Etwa wenn große Dollar-Zuflüsse aus dem Ausland die eigenen Währungen in die Höhe schießen lassen oder bestimmte politische Gruppen im Land um den neu erschlossenen Reichtum wetteifern. In Chile wehrte sich die Bevölkerung in den vergangenen Jahren vehement gegen des Lithiumabbau durch das Bergbauunternehmen SQM – einst Soquimich –, das unter Augusto Pinochets Militärdiktatur in den 1980er Jahren privatisiert wurde.

„Wir sagen nicht, dass keine privaten Unternehmen am Lithiumabbau teilnehmen dürfen“, sagte der Leiter der Bewegung „Lithium für Chile“ laut Deutschlandfunk. „Aber der Staat muss die Kontrolle haben. Eine Ausbeutung des Atacama-Salzsees könnte eine Umweltkatastrophe verursachen.“ Der neue linksgerichtete Präsident Gabriel Boric hat bereits angekündigt, den Abbau künftig besser kontrollieren zu wollen.

Demonstration in Santiago, Chile
APA/AFP/Javier Torres
In Chile protestiert die Bevölkerung gegen eine Privatisierung der Lithiumindustrie

Umweltverschmutzung für die nachhaltige Wende?

Auch in anderen Teilen Südamerikas spielen Umweltbedenken beim Bergbau eine immer größere Rolle für die lokale Bevölkerung. Denn obwohl etwa Kupfer für die nachhaltige Wende eine große Rolle spielt, geht dessen Gewinnung häufig mit einer Verschmutzung der Wasserqualität und Zerstörung der lokalen Landwirtschaft einher.

Bei den Protesten gegen eine Kupfermine in Tia Maria im Süden Perus ist es 2019 deshalb bereits zu Ausschreitungen mit mehreren Toten gekommen. „In vielen Fällen sind die Minen in direkter Nähe zum Quellwasser, sodass ein Konflikt entsteht, sobald ein Unternehmen eine Konzession beantragt“, so Susanne Friess, Beraterin des Hilfswerks Misereor für Bergbau und Entwicklung in Lateinamerika, gegenüber der Deutschen Welle. Laut Daten der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) ist Lateinamerika die Region mit den meisten sozioökologischen Konflikten im Zusammenhang mit Bergbauprojekten weltweit.

Preise müssen noch weiter steigen

Damit es sich für ausländische Investoren langfristig tatsächlich lohnt, das Risiko einzugehen, müssen die Metalle laut „Economist“-Einschätzung noch teurer werden, um einen echten Anreiz zu schaffen. Steigende Preise könnten jedoch auch die Nachfrage dämpfen oder die lokale Politik negativ beeinflussen, was die Investitionen erneut gefährden könnte.

Den metallreichen Ländern mag ihre wichtige Rolle in der Energiewende bereits bewusst sein. Um tatsächlich zu Rohstoffsupermächten zu werden, gilt es jedoch noch einige Hürden zu bewältigen. Ob bis 2040 nachhaltige Wege gefunden werden, um die Ressourcen für die nachhaltige Wende zu gewinnen, dürfte dabei entscheidend sein.