Uhren der Kollektion MoonSwatch
Reuters/Arnd Wiegmann
Mond und Biokeramik

Swatch-Coup mit Billig-„Speedmaster“

Mit einer aus wenigen Teilen hergestellten Plastikuhr hat Swatch in den 1980er Jahren die Schweizer Uhrenindustrie gerettet. Erfolgsmodelle gab es seitdem immer wieder – die Kooperation mit der hauseigenen Luxusmarke Omega sorgt nun dennoch für Staunen.

Der Hintergrund ist wohl weniger der „völlig neuartige Mix aus Keramik und Biokunststoff“, aus dem die MoonSwatch laut Swatch hergestellt wird: Vielmehr befindet sich nun eine massentaugliche Version eines an sich hochpreisigen Uhrenklassikers im Portfolio der Swatch Group – und die erste Tranche der „Speedmaster“-Billigversion war bereits kurz nach Verkaufsstart ausverkauft. Da es sich im Gegensatz zu anderen Swatch-Modellen nicht um eine limitierte Auflage handelt, erscheint Nachschub zwar gesichert – dennoch wird die MoonSwatch in diversen Onlineplattformen derzeit zu Preisen gehandelt, die an das Original von Omega erinnern.

„Der Volksuhren-Verkäufer Swatch hat es nach langer Zeit wieder geschafft“, heißt es im Schweizer Onlineportal Watson. Ob in Singapur, London oder Wien – vor den Swatch-Filialen spielten sich teils chaotische Szenen ab. Dazu gab es auch Kopfschütteln: „Ich versteh es echt nicht. Die Uhr ist nicht einmal limitiert“, kommentierte auf Twitter ein User etwa ein Video, das eine lange Menschenschlange vor dem Swatch-Hauptquartier im Schweizer Biel zeigt.

„Papiersackerl mit Gucci-Logo“

„Das ist Produkte-PR wie aus dem Bilderbuch“, nichts sei dem Zufall überlassen, zitierte Watson eine Werbeexpertin, der zufolge etwa die Entscheidung, die Uhr nicht im Netz, sondern in den Swatch-Geschäften zu verkaufen, für zusätzliche Aufmerksamkeit und entsprechender Berichterstattung gesorgt habe: Der Erfolg sei „eine Folge eines sehr attraktiven Produkts, eines sehr guten Timings und einer richtig guten Medieninszenierung gewesen“.

Geht es nach Swatch-Chef Nick Hayek, habe man eben den Nerv der Zeit getroffen. Zwar seien Kollaborationen „sehr in Mode“, zitiert das Lifestylemagazin „GQ“ den Sohn des verstorbenen Konzerngründers Nicolas Hayek – im Gegensatz zu den meist reinen Marketingaktionen, wo man lediglich „die Logos des einen auf das Produkt des anderen klebt“, habe man bei Swatch nun aber zwei Ikonen der Schweizer Uhrenindustrie zusammengeführt.

Herausgekommen sei „ein bezahlbares Alltagsprodukt, das aber Luxus ausstrahlt“ – mit anderen Worten ein Diskonter-Papiersackerl mit einem Gucci-Logo drauf, heißt es dazu bei Watson. Schließlich, wie „GQ“ anmerkt, seien Kollaborationen „inzwischen ein todsicherer Weg, um Aufmerksamkeit zu erregen“. Als Beispiel nennt das Magazin die Zusammenarbeit des Modelabels Gucci mit der Outdoor-Marke The North Face bzw. des Fahrzeugtuners Mercedes-AMG mit der Skateboardmarke Palace; und „als Kim Jones bei Louis Vuitton eine spezielle Zusammenarbeit mit der Skatemarke Supreme ankündigte, verlor die Hype-Welt ihren kollektiven Verstand“.

„Nun plötzlich für alle zugänglich“

Der Hype um die Swatch-Omega-Kooperation habe aber selbst Experten und Expertinnen überrascht, sagt Benjamin Gilgen von der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) nach Angaben des Nachrichtenportals 20 Minuten. Swatch ignoriere mit der MoonSwatch „alle Trends – und hat trotzdem Erfolg“. Während andere Luxusuhrenmarken mit Anwälten gegen Fälschungen kämpfen, kopiere Swatch sich selbst, so Gilgen, der laut 20 Minuten von einem Tabubruch spricht und zum Schluss kommt: Bei Rolex wäre eine Kooperation mit einer Tochter aus dem Billigsegment wohl schwer vorstellbar.

Offen bleibe Gilgen zufolge, was – abseits der derzeitigen Aufmerksamkeit – die Zusammenarbeit für die Marke Omega bringt. „Wer 5.000 Franken und mehr für eine Omega Speedmaster bezahlt hat, nervt sich möglicherweise über die MoonSwatch“, zitiert 20 Minuten den Experten – denn wer das Original besitze, fühle sich „oft auch als Teil eines exklusiven Klubs, der nun plötzlich für alle zugänglich“ sei.

Würdigung für „Retter unserer Branche“

„Die ‚MoonSwatch‘-Kollektion würdigt die Retter unserer Branche auf eine witzige, zugängliche Art“, zitiert die „Neue Zürcher Zeitung“ ("NZZ) Omega-Chef Raynald Aechlimann. Ohne Swatch würde es Omega womöglich gar nicht mehr geben, so die Zeitung mit Verweis auf die Rolle von Swatch für die einst „unter der Quarz-Revolution leidende Schweizer Uhrenindustrie“.

Ein Quartzwerk tickt nun auch in der MoonSwatch – somit reicht diese auch wieder nur bedingt an das Original heran. Zwar seien alle wichtigen Designmerkmale vorhanden und etwa auch die charakteristischen Speedmaster-Totalisatoren absolut funktionstüchtig, so die „NZZ“: Automatikwerk gibt es zum Diskontpreis allerdings keines.