Viktor Orban bei seiner Siegesrede
Reuters/Leonhard Foeger
Ungarn-Wahl

Krieg spielte Orban in die Hände

Eine Zeit lang hatte es so ausgesehen, als ob es für den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban diesmal eng werden könnte. Doch die Wahl am Sonntag hat Orbans Macht wohl noch mehr zementiert. Er kann weiterhin mit Zweidrittelmehrheit regieren. Den Wahlerfolg hat er nicht nur seinem „System“ zu verdanken, mit dem er Politik und Medien beherrscht. Er nutzte den Ukraine-Krieg geschickt – und der Plan des großen Sechsparteienbündnisses gegen ihn ging eher nach hinten los.

Orbans rechtsnationale FIDESZ kam auf 53 Prozent und damit auf 135 der 199 Parlamentssitze. Die Opposition, die sich zum bunten Bündnis Ungarn in Einheit zusammengeschlossen hatte, blieb mit ihrem konservativen Spitzenkandidaten Peter Marki-Zay hinter den Erwartungen zurück. Die Allianz aus linken, grünen, liberalen und rechten Parteien vereinte 35 Prozent der Stimmen auf sich und errang 56 Mandate. Den Einzug ins Parlament schaffte erstmals die rechtsextreme Partei Unsere Heimat. Sie kam auf sechs Prozent der Stimmen und sieben Mandate.

Der Ukraine-Krieg habe in der Wahl eine zentrale Rolle gespielt, meinen Experten. FIDESZ und Orban hätten den Krieg zum Hauptthema gemacht, sagte der Politikwissenschaftler Zoltan Kiszelly vom regierungsnahen Institut Szazadveg am Montag der APA, und sich gleichzeitig als Friedensgaranten präsentiert. Dabei hatte es zuvor Spekulationen gegeben, die Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin könnte Orban bei der Wahl eher schaden.

Opposition als Kriegsbefürworter dargestellt

Auch ORF-Korrespondent Ernst Gelegs sieht darin den größten Faktor für den Wahlsieg: „Er hat der Opposition einfach unterstellt, dass sie den Krieg wolle. Er hat kommunizieren lassen, dass, wer für die Opposition stimmt, für den Krieg stimmt. Und wer für ihn stimmt, stimmt für Frieden und Sicherheit.“ Die Medien des Landes hätten diese Botschaft unhinterfragt transportiert und „als Tatsache hingestellt“. „Und das ist geglaubt worden. Und wie gesagt: In unsicheren Zeiten haben sich die Ungarn eben für den Frieden entschieden und Viktor Orban gewählt“, so Gelegs in der ZIB.

Analyse: Wahlsieg für Viktor Orban

ORF-Korrespondent Ernst Gelegs erläutert die Faktoren, die zu Orbans weiterem Sieg bei der Parlamentswahl in Ungarn geführt haben.

Orban nützte dabei geschickt Aussagen des Spitzenkandidaten des Oppositionsbündnisses, Marki-Zay. Der bejahte eine entsprechende Interviewfrage, dass Ungarn alle NATO-Maßnahmen mittragen würde – auch einen Einsatz in der Ukraine, wobei sich diese Frage derzeit aber nicht stelle. Das griff Orban – ohne den Nachsatz – auf und verwendete es im Wahlkampf. Gelegs erinnerte gegenüber Ö1 daran, dass Marki-Zay auch nur ein Kompromisskandidat des Anti-Orban-Bündnisses gewesen sei.

„Wunderwaffe“ ging nach hinten los

Auch ungarische Medien sehen den zunächst aussichtsreich gestarteten Versuch der geeinten Opposition als gescheitert an. Laut dem Onlineportal Madiner.hu ist jegliches Wort über die Oppositionsallianz überflüssig. Das Projekt sei gescheitert, die „Wunderwaffe“ sei nach hinten losgegangen, schrieb Daniel Kacsoh.

Es habe keine klare Botschaft gegeben, das Programm sei zu spät präsentiert worden, und schon im Wahlkampf habe es Uneinigkeit in der „Zwangsehe“ der Opposition gegeben, schreibt etwa das Magazin „Politico“ (Onlineausgabe). Auch Kiszelly weist gegenüber der APA darauf hin, das Konzept der Opposition, als geeinter Block gegen Orban anzutreten, nicht aufgegangen ist. So habe die früher rechtsradikale Jobbik-Partei bei ihrem Schwenk in die rechte Mitte viele ihrer Wählerinnen und Wähler verloren, die seien in Scharen zur Nachfolgepartei von Jobbik, der rechtsextremen Bewegung Unsere Heimat, übergelaufen.

Materialschlacht und Wahlzuckerln

Umgekehrt profitierte Orban von seinem Umbau Ungarns in Richtung „illiberale Demokratie“. Änderungen in den Wahlgesetzen machen es für politische Konkurrenten immer schwieriger wird, ihn abzuwählen. Außerdem stellte Orban die Ressourcen der Regierung und des Staates ungeniert in den Dienst der FIDESZ-Wahlwerbung. Wahlforschern zufolge gab das FIDESZ-Lager acht- bis zehnmal so viel Geld für den Wahlkampf aus wie die Opposition.

Orban bleibt Ungarns Ministerpräsident

Ungarns rechtskonservativer Ministerpräsident Viktor Orban kann in seine fünfte Amtszeit starten. Bei der Parlamentswahl hat seine FIDESZ-Partei 53 Prozent der Stimmen erreicht – und offenbar eine Zweidrittelmehrheit im Parlament.

Seit der Wende habe es keine „so schmutzige, gemeine Kampagne gegeben“, schrieb Istvan Zsolt Nagy für das Onlineportal HVG.hu. Ein Rezept von FISEZ sei zudem die Verteilung von Wahlgeschenken gewesen wie Deckelung von Treibstoff- und Lebensmittelpreisen.

Referendum über „Anti-Pädophilie-Gesetz“ klar gescheitert

Einen kleinen Rückschlag erlitt Orban mit seinem Referendum über das „Anti-Pädophilie-Gesetz“, das die im In- und Ausland als Anti-LGBTQ-Gesetz kritisierte Rechtsnorm vom Volk absegnen lassen sollte. Das Referendum verfehlte nämlich das Beteiligungsquorum von 50 Prozent.

Orban hatte das Referendum eigens auf den Tag der Parlamentswahl legen lassen, um von der traditionell höheren Beteiligung an Wahlen zu profitieren. Tatsächlich lag diese bei rund 70 Prozent. Allerdings machten viele Regierungsgegner dem Premier einen Strich durch die Referendumsrechnung, indem sie ungültige Stimmen abgaben oder gar nicht erst an der Volksabstimmung teilnahmen.

Die Opposition hatte ihre Anhänger aufgerufen, bei den vier Referendumsfragen gleichzeitig Ja und Nein anzukreuzen. So wurden 20 Prozent der Stimmzettel ungültig, 35 Prozent der Wahlberechtigten nahmen an dem Votum gar nicht erst teil. Damit erreichte die offizielle Beteiligung an der Volksabstimmung nur 44,5 Prozent. Von jenen, die gültig abstimmten, votierten jeweils knapp 96 Prozent mit Nein auf Suggestivfragen wie: „Unterstützen Sie das Bewerben von Behandlungen zur Geschlechtsumwandlung bei minderjährigen Kindern?“

Einschlägige Gratulanten

Ein deutliche Sprache sprechen auch die Reaktionen auf den Wahlsieg Orbans: Gratulationen kamen unter anderen vom russischen Präsidenten Putin, der sich „zuversichtlich“ zeigte, „dass die künftige Entwicklung der bilateralen und partnerschaftlichen Beziehungen trotz der schwierigen internationalen Lage den Interessen der Völker Russlands und Ungarns entsprechen wird“.

Der Chef von Italiens rechter Regierungspartei Lega, Matteo Salvini, begrüßte Orbans Wahltriumph: „Ehre für das freie ungarische Volk!“, lobte Salvini das Wahlergebnis auf Twitter. Gratulationen kamen auch vom Vizefraktionschef der AfD im deutschen Bundestag, Norbert Kleinwächter, von der französischen Rechten Marine Le Pen und von dem niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders. Aus Österreich gab es eine Gratulation von FPÖ-Chef Herbert Kickl. Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) bezeichnete Orban als „verlässlichen Partner für das Burgenland“.