Selenskyj in Butscha: Welt wird „Völkermord“ anerkennen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bei einem Besuch im Kiewer Vorort Butscha seinen Völkermordvorwurf gegen Russland bekräftigt. „Nun sehen Sie, was jeden Tag (…) passiert“, sagte Selenskyj heute an Ort und Stelle zu Journalisten. „Das sind Kriegsverbrechen, und sie werden von der Welt als Völkermord anerkannt werden.“

Laut Ukraine ist die Zahl Getöteter in der Umgebung von Kiew viel höher als bisher bekannt. Vor allem die Bilder von – teils gefesselten – Leichen von Zivilisten auf den Straßen von Butscha lösten international Entsetzen aus.

Der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von „Kriegsverbrechen“ und kündigte verschärfte Sanktionen gegen Moskau an. Der Westen fordert Aufklärung und dass die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden. Russland wies die Vorwürfe entrüstet von sich.

Russland: Verfahren wegen „Falschmeldungen“

Russlands Ermittlungskomitee leitete unterdessen ein Verfahren wegen der Verbreitung angeblicher Falschmeldungen zu Morden an Zivilisten in Butscha ein. Russlands Chefermittler Alexander Bastrykin habe die Behörde angewiesen, die „Provokation vonseiten der Ukraine“ strafrechtlich zu bewerten, teilte das Ermittlungskomitee auf seinem Telegram-Kanal mit. Russland bestreitet wie etwa heute Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, dass sein Militär Zivilisten in Butscha in der Nähe von Kiew getötet und die Leichen auf den Straßen hinterlassen habe.

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UNO: Butscha wirft Frage nach Kriegsverbrechen auf

Die zahlreichen nach dem russischen Truppenabzug entdeckten getöteten Zivilisten in Butscha nahe der ukrainischen Hauptstadt werfen nach Angaben der Vereinten Nationen Fragen nach möglichen Kriegsverbrechen auf.

Das UNO-Menschenrechtsbüro in Genf teilte gestern mit, es könne sich noch nicht zu den Ursachen und Umständen äußern. „Aber das, was bisher bekannt ist, wirft eindeutig ernsthafte und beunruhigende Fragen über mögliche Kriegsverbrechen und schwerwiegende Verletzungen des humanitären Völkerrechts auf.“

UNO-Mitarbeiter und -Mitarbeiterinnen hätten noch nicht die von den ukrainischen Behörden übermittelten Zahlen oder Informationen überprüfen können. Gleichzeitig könne nicht ausgeschlossen werden, dass unter den Toten auch die Leichen von ukrainischen oder russischen Soldaten seien, die bei Kämpfen getötet worden seien, hieß es weiter.

Da die Möglichkeit von Kriegsverbrechen bestehe, sei es wichtig, „alle Leichen zu exhumieren und zu identifizieren“. Das sei wichtig, damit Angehörige informiert und die genaue Todesursache festgestellt werden könne und Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden könnten.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres reagierte „zutiefst schockiert“ auf die „Bilder von getöteten Zivilisten in Butscha“ und forderte eine „unabhängige Untersuchung“. Es sei „unerlässlich“, dass die Verantwortlichen nach einer „unabhängigen Untersuchung zur Rechenschaft“ gezogen würden, sagte Guterres nach Angaben seines Sprechers. Russland will angesichts des Vorwurfs von Kriegsverbrechen im ukrainischen Butscha für heute eine Sitzung des UNO-Sicherheitsrats einberufen.