SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner
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Sondersitzung

Emotionale Debatte zu Teuerung

Gegenseitige Schuldzuweisungen, selektiv gewählte Beispiele und viel Emotion: Die von der SPÖ beantragte Sondersitzung des Nationalrats zur Teuerung am Dienstag ist von besonders lebhaften Schlagabtäuschen geprägt gewesen. „Wissen Sie eigentlich noch, für wen Sie arbeiten?“, warf SPÖ-Chefin Rendi-Wagner ÖVP-Kanzler Karl Nehammer vor. ÖVP-Klubchef August Wöginger reagierte mit Kritik an Wien und dessen SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig, den er mit dem Sheriff von Nottingham verglich.

Statt zu helfen, versinke die ÖVP-Grünen-Bundesregierung im „Dämmerschlaf“ und zeichne sich durch Tatenlosigkeit aus, so Rendi-Wagner zum Auftakt. Sie wolle nicht, „dass die Sozialmärkte in Österreich gestürmt werden“, sagte Rendi-Wagner. Das sei derzeit aber der Fall. „Die Menschen leiden unter einer Rekordinflation von knapp sieben Prozent.“ Und was mache die Regierung, fragte die SPÖ-Chefin: „Sie erhöht die Altbaumieten ab April.“

Das sei ein „Sündenfall“. Schließlich treibe diese starke Mieterhöhung die Inflation noch weiter an, was auch wirtschaftspolitisch ein schwerer Fehler sei. Sie erinnerte daran, dass die Anpassung der Richtwertmieten auch in der Vergangenheit mehrmals ausgesetzt worden sei.

Nationalrat debattiert über steigende Teuerung

Auf Antrag der SPÖ findet am Dienstag im Parlament eine Sondersitzung wegen der rasant steigenden Teuerung statt. Im März lag die Inflation bei 6,8 Prozent. Die SPÖ wirft der Regierung Untätigkeit vor und fordert eine Reihe von Gegenmaßnahmen.

„Für viele existenzbedrohend“

Die Energiepreise seien „dramatisch gestiegen“. Und die Teuerung bei den Lebensmittelpreisen habe „gerade erst begonnen“. Die Preise gingen weiter „durch die Decke, und das ist für viele existenzbedrohend“, argumentierte die SPÖ-Chefin. Zudem gehe die Problematik „tief in die arbeitende Mittelschicht“ hinein, so Rendi-Wagner: „Menschen können sich trotz Arbeit nichts mehr leisten bzw. nichts mehr aufbauen. Diese Menschen haben keine Wahl, die können es sich nicht aussuchen, ob sie das Geld für Heizen und Lebensmittel ausgeben möchten.“

Zugleich befänden sich Energieunternehmen in einer „Gewinn-Preisspirale“. Mineralölkonzerne würden hohe Gewinne machen. Auch der Finanzminister verdiene gut mit Mehrwertsteuereinnahmen auf Strom und Gas.

Forderungskatalog der SPÖ

Kritik übte die SPÖ-Chefin auch an der jüngsten Mahnung von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), Gewerkschaften müssten sich bei den Lohnrunden zurückhalten, um eine Lohn-Spreis-Spirale zu verhindern. Das sei „erbärmlich und unerträglich“. Immerhin habe die Regierung auch zwölf Mrd. Euro an Unternehmen „freihändig“ via COFAG verteilt, und das bis heute ohne Offenlegung. Rendi-Wagner nannte es die „größte Umverteilungsmaßnahme in der Geschichte der Zweiten Republik“.

Die SPÖ-Chefin forderte unter anderem eine Lohnsteuersenkung, eine Inflationsanpassung der Pensionen, Steuersenkungen auf Sprit, Gas und Strom und die Rücknahme der Richtwertmietenerhöhung. Das Arbeitslosengeld solle auf 70 Prozent des Letzteinkommens erhöht werden. Zusätzlich sollten die „Übergewinne“ der Energiekonzern abgeschöpft werden.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP)
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Nehammer verwies auf beschlossene und geplante Entlastungen

Nehammer verweist auf Milliardenentlastung

Nehammer konterte und verwies auf die bereits beschlossenen Entlastungen, darunter auch die ökosoziale Steuerreform. Diese bringe Entlastungen im Wert von 18 Mrd. Euro. Es sei zwar das „Vorrecht“ der Opposition zu kritisieren, so Nehammer: „Sie darf aber nicht negieren, was passiert.“ Mit dem ersten und zweiten Teuerungspaket habe man jene Menschen entlastet, die besonders betroffen sind. Zudem verwies der Kanzler auf das Aussetzen der Ökostrompauschale, womit alle Haushalte entlastet würden.

„Wichtig und richtig“

Man habe nicht nur jene mit wenig Einkommen mit bis zu 800 Euro im Jahr entlastet, sondern entlaste auch jene, die für eine Erwirtschaftung der Transferleistungen sorgen, so Nehammer: „Das ist wichtig und richtig, denn es sind diejenige, die für unseren Wohlstand sorgen.“ Die SPÖ-Vorschläge hingegen würden von Wirtschaftsforschern kritisch gesehen. Den von Rendi-Wagner angegriffenen Finanzminister Brunner verteidigte Nehammer: Brunner habe nur eingemahnt, „maßvoll mit dem Thema Löhne umzugehen“, um so einer Lohn-Preis-Spirale vorzubeugen.

Die SPÖ brachte mehrere Tatsächliche Berichtigungen zu Aussagen von Vertretern der Regierungsparteien ein, was bei ÖVP und Grünen für Kritik sorgte. Die SPÖ missbrauche dieses parlamentarische Instrument, mit dem unmittelbar nach einem Redebeitrag auf falsche Darstellungen von Fakten hingewiesen wird.

SPÖ-Abgeordnete halten während einer Sondersitzung des Nationalrats Schilder in die Höhe
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SPÖ-Taferlprotest bei Nehammers Rede

Wöginger und der Sheriff von Nottingham

ÖVP-Klubchef Wöginger wies die Kritik der SPÖ zurück und ging – nicht zum ersten Mal – im Gegenzug zum Angriff auf die SPÖ-geführte Wiener Stadtregierung über. Dort würden die Gebühren österreichweit am stärksten erhöht, während die Bundesregierung die Menschen entlaste. Wiens Bürgermeister Ludwig sei mit dem Sheriff von Nottingham vergleichbar, so Wöginger in Anspielung auf den Steuereintreiber und Bösewicht bei Robin Hood.

Mehreren Fallbeispiele, mit denen die SPÖ die Probleme insbesondere von Mindestpensionistinnen und -pensionisten aufzuzeigen versuchte, konterten Nehammer und Wöginger mit eigenen Zahlen und Berechnungen, die eine Nettoentlastung statt Belastung zeigen sollten. Dagegen brachte die SPÖ umgehend erneut eine Tatsächliche Berichtigung ein.

Maurer: Wenn nötig weitere Hilfen

Die grüne Klubchefin Sigrid Maurer beklagte die „Faktenbefreitheit der Wortmeldungen hier“ – und kritisierte die SPÖ, allerdings historisch: Die aktuelle Entlastung der Bundesregierung „stellt alles in den Schatten, was vorhergehende Regierungen gemacht haben“, meinte sie, unter der SPÖ-Zuständigkeit für Sozialpolitik habe es „auch nicht nur ansatzweise dermaßen umfangreiche Maßnahmen gegeben“. Und sie stellte in Aussicht, die Regierung werde weitere Hilfen beschließen, sollten diese erforderlich sein.

Kickl mit Ordnungsruf für „Lügen“-Vorwurf

FPÖ-Klubchef Herbert Kickl hielt ÖVP und Grünen, aber auch der „Scheinopposition SPÖ“ mehrfach „Lüge“ vor – etwa wenn die Regierung behaupte, die Bevölkerung entlastet zu haben. Das brachte ihm einen Ordnungsruf ein. Schwarz-Grün sei es im Bund ebenso wie die SPÖ mit NEOS in Wien, „die die Teuerung verursachen und anheizen“, verwies er auf die Lockdowns und „nicht zu Ende gedachte Sanktionen“ gegen Russland.

NEOS für Anhebung der Tarifstufen

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger kritisierte zunächst das Niveau der Nationalratsdebatte als „unwürdiges Schauspiel“. Dann wies sie die SPÖ-Forderungen als zu marktfeindlich zurück und betonte, der Staat müsse vielmehr dort handeln, wo er selbst die Menschen belaste. Sie nannte vor allem eine Reform der Steuersätze, insbesondere eine Anhebung der Tarifstufen und die Abschaffung der kalten Progression. Beides sind Kernforderungen der NEOS, das Aus der kalten Progression hat sich eigentlich auch die aktuelle Regierung auf die Fahnen geschrieben, bei der jüngsten Steuerreform aber nicht umgesetzt.