Hans Jörg Schelling im ÖVP Untersuchungsausschuss
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ÖVP-U-Ausschuss

Schelling-Befragung reizt Grenzen aus

Steuercausa Wolf und Beinschab-Studien: Diese zwei Themen standen am Mittwoch im Zentrum der Befragungen im ÖVP-U-Ausschuss. Geladen war neben Manager Siegfried Wolf der damals zuständige Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP). Als Beschuldigter machte er von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch – doch er stieß an seine Grenzen.

Schon in seiner einleitenden Stellungnahme schickte Schelling seine Vorgehensweise voraus: Er könne sich nicht an alle Nachrichten, die ihm geschickt wurden oder die er verfasst hat, erinnern. Zudem habe er keine beruflichen Wahrnehmungen zum Untersuchungszeitraum – Schelling war von April 2014 bis Dezember 2017 Finanzminister. Bei Bedarf werde der Ex-Ressortchef eine Antwort verweigern, weil er in der Steuercausa rund um Manager Wolf als Beschuldigter geführt wird (die Causa ist Teil des großen Casinos-Aktes).

Gleich zu Beginn gipfelte eine Antwortverweigerung Schellings in einen Antrag einer Beugestrafe beim Bundesverwaltungsgericht. Die Genese ist simpel: Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl bereitete für den Ausschusstag Fragen vor – seine erste Frage betraf die Studien der Meinungsforscherin Sabine Beinschab und die enorm gestiegenen PR-Ausgaben des Finanzressorts. Für viele der Aufträge seien auch gar keine Unterlagen vorgelegen, so Pöschl.

Hans Jörg Schelling im ÖVP Untersuchungsausschuss
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Wie Wolf verweigerte auch Schelling am Mittwoch einen Kameraschwenk

Schelling wollte partout nicht antworten, weil er im Casinos-Akt als Beschuldigter geführt wird. Pöschl widersprach, weil die Frage nicht Schellings Verfahren betreffe. Doch der Ex-Finanzminister blieb bei seinem Standpunkt, dass er wegen mangelnder Akteneinsicht nicht antworten müsse – trotz anderslautender Meinung des Juristen. Es kam, was kommen musste: Vorsitzender Norbert Hofer (FPÖ) wird einen Antrag auf Beugestrafe (bis zu 1.000 Euro) stellen. Schelling war mit dieser Entscheidung einverstanden, der Antrag ist in Vorbereitung.

„Gar nichts vorzuwerfen“

Die anschließende Befragung ging fast in derselben Tonart weiter. Die FPÖ wollte wissen, wer die Studien und Meinungsumfragen in Auftrag gegeben habe. Schelling entschlug sich erneut, auf die Frage, ob eine Beauftragung „Chefsache“ sei, antwortete der Ex-Finanzminister, dass ein bestimmtes Budget für die Öffentlichkeitsarbeit festgelegt werde. Ob Research Affairs von Beinschab als Bestbieterin hervorgegangen sei, könne er nicht mehr sagen.

Fragen zur Steuercausa Wolf beantwortete Schelling aufgrund der laufenden Ermittlungen gegen seine Person nicht. Zur Erinnerung: Der Ex-Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, schrieb laut den bisher veröffentlichten Chats an Schelling: „Haben heute Einigung mit Sigi geschafft. 75:25. Er zahlt zwischen 7 und 8 Mio. Euro nach. Muss noch genau berechnet werden. Er rief mich mehrmals an und wollte auf 6 runter.“ Laut Opposition und gemäß Aussagen von hohen Finanzbeamten im U-Ausschuss wurde ein enormer Aufwand betrieben, um Wolf bei dessen Finanzproblemen zu helfen.

Schelling selbst sagte, dass er sich „gar nichts vorzuwerfen“ und auch nichts zu verbergen habe. Anliegen, die an ihn herangetragen wurden, habe er immer an die zuständigen Stellen weitergeleitet – auch die Steuercausa rund um Wolf. Ihm sei klar, dass Nachrichten von ihm („Bitte Nachricht gleich löschen“) missverständlich sein könnten. Aber es zeige sich nun eben, so der Ex-Ressortchef, dass eine Korrespondenz vor Veröffentlichungen und Missinterpretationen nicht gefeit sei.

Julia Herr (SPÖ)
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SPÖ-Mandatarin Julia Herr stellte Fragen nach Schellings Vorgehensweise bei Steuerfragen

Schelling will von selbst gegangen sein

Mit Schmid habe er als Finanzminister ein gutes Arbeitsverhältnis gehabt. Er habe Schmid deshalb von seinen Vorgängern und Vorgängerinnen übernommen, weil Schelling über keinen Staatssekretär verfügte. Schmid habe die nötige Kompetenz mitgebracht und wurde deshalb neben dessen Job als Kabinettschef zum Generalsekretär befördert. Zum damaligen Zeitpunkt sei das richtig gewesen, so Schelling.

Es sei ein „allgemeiner Wunsch“ bzw. eine „generelle Überlegung“ der SPÖ-ÖVP-Regierung gewesen, Generalsekretäre zu installieren. Richtig umgesetzt wurden diese Posten zwischen Verwaltung und Politik erst unter der ÖVP-FPÖ-Regierung. Angesprochen auf eine Nachricht von Schmid, wonach Schelling auf Wunsch von Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz „draußen sein“ werde, wenn dieser in einer Steuerfrage einen Kompromiss mit der SPÖ finde, sagte die Auskunftsperson: Man möge den Verfasser der Nachricht fragen, was damit gemeint sein könnte.

Nina Tomaselli (Die Grünen) und David Stögmüller (Die Grünen)
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Nina Tomaselli von den Grünen mit ihrem Kollegen David Stögmüller

Im November 2017 kündigte Schelling an, nicht mehr als Finanzminister zur Verfügung zu stehen. Dass Kurz ihn nicht in dessen Team haben wollte, habe ihm der spätere Kanzler nicht gesagt. Die Entscheidung, sich zurückzuziehen, sei seine eigene gewesen, so Schelling, der sich im Herbst 2017 in diversen Chats enttäuscht über die mangelnde Berücksichtigung vonseiten Kurz zeigte („Ich bin 64 und zu alt für Spielchen“). Von dem „Projekt Ballhausplatz“, mit dem die ÖVP in das Kanzleramt gehievt wurde, habe er nichts gewusst, mit der Suche nach Spendern und Spenderinnen für den Wahlkampf nichts zu tun gehabt.

Prominente Befragte bei U-Ausschuss

Beim ÖVP-Untersuchungsausschuss gab es am Mittwoch zwei prominente Auskunftspersonen. Großinvestor Sigfried Wolf, gegen den wegen einer Steueraffäre ermittelt wird sowie Ex-ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling.

Schelling: Pierer nahm keinen Kontakt auf

Die SPÖ konzentrierte sich – wie schon im „Ibiza“-U-Ausschuss – auf KTM-Chef und ÖVP-Spender Stefan Pierer. SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer hatte Pierer 2017 in die Nähe einer „Abschleicherliste“ gebracht. Bei dieser handelte es sich um eine Liste im Finanzministerium über österreichische Steuerpflichtige, die noch schnell ihr Geld nach Österreich transferiert haben sollen, bevor Steuerabkommen mit Liechtenstein und der Schweiz in Kraft traten. Auf dieser soll sich Pierers Name befunden haben, was Thema im Nationalratswahlkampf 2017 war.

Andreas Hanger (ÖVP)
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Bereits vor Beginn der Befragung sagte ÖVP-Fraktionschef Andreas Hanger, dass er keine neuen Erkenntnisse erwarte

Schelling erkundigte sich damals bei Schmid: „Eigentlich müsste die Bundespartei Krainer auffordern, seinen Informanten zu nennen? Hat Krainer jemanden zum Amtsmissbrauch angestiftet?“ Im U-Ausschuss sagte Schelling dazu, dass er mit Pierer „ein-, zweimal“ bei Veranstaltungen Kontakt gehabt habe. Der KTM-Chef habe sich auch nicht wegen seiner Steuern an ihn gewandt, sagte der ehemalige Finanzminister.

Er habe sich auch nicht die Steuerakten von „irgendjemandem“ angesehen, dazu gebe es eine Verwaltung, das sei nicht die Aufgabe des Ressortchefs. Auf die Frage, ob Schmid in dieser Sache im Auftrag von Schelling unterwegs gewesen sei, wiederholte die Auskunftsperson, dass das nicht seine Aufgabe gewesen sei. Im „Ibiza“-U-Ausschuss sagte Pierer, dass er keinen Kontakt zu hochrangigen Amtsträgern im Finanzministerium hatte.