Arbeiter vor dem im Bau befindlichen WM-Stadion in Lusail (Katar)
AP/Hassan Ammar
WM in Katar

Ausbeutung erstmals offiziell eingestanden

Lange Zeit haben die offiziellen Stellen Vorwürfe über die Ausbeutung von Arbeitern rund um die Fußball-WM in Katar abgetan. Jetzt gaben die Organisatoren des Großereignisses das erste Mal Verfehlungen zu. Das berichtete die US-Nachrichtenagentur AP Donnerstagfrüh unter Berufung auf eine Stellungnahme. Dem Eingeständnis war ein weiterer Bericht von Amnesty International (AI) vorausgegangen.

Die WM in Katar – und vor allem die Arbeitsbedingungen ausländischer Arbeitskräfte – stehen schon lange in der Kritik. Erst vergangene Woche berichtete der britische „Guardian“ in einer ausführlichen Recherche über die Ausbeutung von Arbeitern bei Bauprojekten in dem Emirat. Am Mittwoch veröffentlichte Amnesty einen weiteren Bericht, der die Arbeitsbedingungen im Vorfeld des Großereignisses anprangerte.

Die Menschenrechtsorganisation warf darin etwa privaten Sicherheitsfirmen in Katar die Ausbeutung von Arbeitsmigranten vor. Die Menschen seien „schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen“ ausgesetzt, die „teilweise Zwangsarbeit“ entsprächen, hieß es von Amnesty. So hätten Arbeiter gegen ihren Willen und unter Androhung von Strafen Arbeit verrichten müssen. „Manche von ihnen mussten bis zu 84 Wochenstunden arbeiten – und das mit dem Wissen der katarischen Regierung“, kritisierte Amnesty.

„Inakzeptable Verstöße“ dreier Firmen

Bisher waren solche Vorwürfe von offizieller Seite entweder negiert oder ignoriert worden. Doch nun gestanden die WM-Organisatoren in einer Stellungnahme erstmals Verfehlungen ein. Drei Firmen hätten sich in mehreren Bereichen nicht an Regeln gehalten, hieß es in der Stellungnahme nach Angaben von AP. Betroffen waren laut der Agentur private Sicherheitsfirmen, die bei der Club-WM und dem Arabien-Pokal eingespannt waren.

Arbeiter in dem im Bau befindlichen WM-Stadion in Lusail (Katar)
AP/Hassan Ammar
Bisher standen zumeist die Arbeitsbedingungen von Bauarbeitern in der Kritik. Diesmal geht es um Personal von Sicherheitsfirmen.

„Diese Verstöße waren absolut inakzeptabel und haben zu einer Reihe von Maßnahmen geführt, darunter das Platzieren von Auftragnehmern auf Beobachtungslisten oder schwarzen Listen, um zu verhindern, dass sie bei zukünftigen Projekten arbeiten – inklusive der WM –, bevor diese Auftragnehmer dem Arbeitsministerium für weitere Untersuchungen und Strafen gemeldet wurden“, hieß es demnach.

Amnesty sprach mit Betroffenen

Amnesty berief sich für den neuen Bericht auf Gespräche mit Personal von acht Sicherheitsfirmen. Darin beklagen Mitarbeiter, ihnen würden freie Tage und Urlaub vorenthalten. „Wir arbeiten von Jänner bis Jänner, von Sonntag bis Sonntag, kein freier Tag“, zitierte die Organisation einen Wachmann aus Uganda. Anderen Mitarbeitern sei der Lohn gekürzt worden, wenn sie wegen Krankheit nicht arbeiten konnten.

Mindestens drei Firmen hätten Sicherheitspersonal an WM-Projekte und Veranstaltungen des Weltverbandes ausgeliehen, hieß es. Auch hier seien einige der Wachmänner Zwangsarbeit ausgesetzt gewesen. „Unsere Erkenntnisse zeigen erneut, dass die katarische Regierung nicht ernsthaft darum bemüht ist, ihre eigenen Gesetze umzusetzen und diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die sie brechen“, sagte die Amnesty-Expertin für den Nahen Osten, Katja Müller-Fahlbusch.

Gesetz vs. Wirklichkeit

Katars Regierung hatte bei Vorwürfen in der Vergangenheit gerne auf Reformen im eigenen Land verwiesen – etwa die Abschaffung des in den Golfstaaten üblichen Kafala-Systems. Dieses bindet ausländische Arbeiter fest an einen einheimischen Bürgen wie einen Arbeitgeber und öffnet Ausbeutung häufig Tür und Tor. In Katar können Migranten hingegen zumindest laut Gesetz ohne Zustimmung ihres Arbeitgebers ausreisen oder den Job wechseln.

FIFA-Präsident Gianni Infantino und der Emir von Katar, Scheich Tamim bin Hamad al-Thani
APA/AFP/Franck Fife
Seit der Vergabe der WM 2022 an Katar reißt die Kritik nicht ab

Menschenrechtsorganisationen kritisieren jedoch, offiziell sei das Kafala-System zwar abgeschafft, „de facto“ aber noch da. Die WM beginnt am 21. November und geht bis zum 18. Dezember. Als Reaktion auf Menschenrechtsverletzungen waren in den vergangenen Monaten immer wieder Rufe nach einem Boykott laut geworden.