Wahlplakate des französischen Präsidenten Emmanuel Macron (LREM) und der Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen (RN)
Reuters/Benoit Tessier
Frankreich-Wahl

Le Pen sorgt für Kopfweh bei Macron

Rund 48,7 Millionen Franzosen und Französinnen sind am Sonntag aufgerufen, ein neues Staatsoberhaupt zu wählen. Amtsinhaber Emmanuel Macron muss allerdings um seinen lange als sicher gegoltenen Sieg bangen. Nachdem Macron das Feld lange unangefochten anführte und seine Wiederwahl so gut wie sicher schien, konnte seine wichtigste Herausforderin, die Rechtspopulistin Marine Le Pen von der Rassemblement National, laut Umfragen zu Macron aufschließen.

Ein Kopf-an-Kopf-Rennen wird erwartet, insgesamt bewerben sich zwölf Kandidatinnen und Kandidaten für den Elysee-Palast. Bis 12.00 Uhr hatten am Sonntag 25,48 Prozent der eingeschriebenen 48,7 Millionen Wählerinnen und Wähler abgestimmt. Vor fünf Jahren lag die Wahlbeteiligung um dieselbe Uhrzeit bei 28,54 Prozent.

Macron, Le Pen und die anderen zehn Kandidatinnen und Kandidaten gaben bis Mittag ihre Stimme ab. In einer am Dienstag von Kantar-Epoka veröffentlichten Umfrage lagen Macron und Le Pen nur noch zwei Prozentpunkte auseinander – etwa so viel, wie die Fehlermarge betragen kann. Macron hat nach der Umfrage innerhalb von zwei Wochen vier Punkte verloren und kommt nun auf 25 Prozent.

Erste Runde der Präsidentschaftswahl Frankreich 2022: Wahlbeteiligung in den Departements um 12 Uhr.

Le Pen hingegen hat drei Punkte zugelegt und kommt auf 23 Prozent. Auch der Linkspopulist Jean-Luc Melenchon hat zwei Punkte zugelegt und liegt nun bei 16 Prozent. Im hinteren Feld liegt der rechtsextreme Eric Zemmour stabil bei elf Prozent, die rechtskonservative Kandidatin Valerie Pecresse hat zwei Punkte verloren und liegt nun bei acht Prozent.

Der französische Präsident Emmanuel Macron auf einer Wahlveranstaltung
APA/AFP/Thomas Coex
Der amtierende Präsident Emmanuel Macron bei seinem großen Wahlkampfauftritt

So gut wie kein Abstand auch in jüngsten Umfragen

Während der amtierende Präsident am Donnerstag in einer Umfrage von Ipsos-Sopra Steria leicht auf 26,5 Prozent fiel, legte die Rechte Le Pen auf 23 Prozent zu. Auf Rang drei liegt Melenchon mit 16,5 Prozent. Den gleichen Trend wies eine Ifop-Umfrage aus, die Macron ebenfalls mit leichten Verlusten bei 26,5 Prozent und Le Pen mit Zugewinnen bei 24 Prozent sah. Melenchon blieb in dieser Umfrage stabil bei 17,5 Prozent.

Abgeschlagen folgen in beiden Umfragen die Bewerber der klassischen Volksparteien, Pecresse mit 8,5 bis neun Prozent und die Sozialistin Anne Hidalgo mit jeweils zwei Prozent. Zemmour, der zu Beginn des Wahlkampfs einen Höhenflug erlebte, sehen beide Umfragen nur noch bei 8,5 Prozent.

Buhlen um 30 Prozent Unentschlossene

In einer Umfrage des Instituts Harris Interactive, die am Montag veröffentlicht wurde, liegen Macron mit 51,5 und Le Pen mit 48,5 eng beieinander. Unter Berücksichtigung einer Fehlermarge von etwa drei Punkten könnte das einen möglichen Sieg Le Pens in der zweiten Runde bedeuten.

Bei den vergangenen Wahlen haben die Kandidaten und Kandidatinnen rechtspopulistscher bzw. rechtsextremer Parteien oft schlechter abgeschnitten als zuvor in den Umfragen. Mehr als 30 Prozent der Franzosen und Französinnen sind laut Umfragen zudem noch unentschlossen, wem sie ihre Stimme geben, eine Gruppe, um die bis zuletzt gebuhlt wurde.

Macron: Zu spät in Wahlkampf eingestiegen?

Macron war mit der Sicherheit und Gelassenheit des Amtsinhabers sehr spät in den Wahlkampf eingestiegen. Er hatte sich in der Ukraine-Krise als europäischer Staatsmann und Vermittler medienwirksam in Szene gesetzt – doch ob das gegen die EU-skeptische Le Pen reicht, bleibt abzuwarten.

Macron kündigte bereits an, im Falle seiner Wiederwahl die Pension ab Sommer an die Inflation zu koppeln. Der Schwerpunkt der ersten Maßnahmen einer zweiten Amtszeit wäre die Erhaltung der Kaufkraft, sagte Macron am Mittwoch dem Fernsehsender TF1. Zudem will er die Erdgas- und Strompreise weiter deckeln.

Die französische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen (RN) in einer TV-Sendung
APA/AFP/Ludovic Marin
Die französische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen (RN) in einer TV-Sendung

Le Pen und die Nähe zu Putin

Le Pen selbst hat ein anderes Problem: Bei der Wahl wird sich zeigen, wie die Wählerinnen und Wähler Le Pen ihre früher demonstrativ zur Schau getragene Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin sehen. Den russischen Einmarsch in der Ukraine verurteilte sie zwar als klare Verletzung internationalen Rechts. Doch diese Distanzierung offenbart auch, dass sie mit ihrem zuvor propagierten Konzept einer Zusammenarbeit mit Russland für die Sicherheit in Europa gescheitert ist.

Wahlnotiz: Frankreichs Haltung zu Putin

ORF-Korrespondentin Cornelia Primosch über die Haltung der Franzosen und Französinnen zum Ukraine-Krieg und den Umgang so mancher Politiker und Politikerinnen mit Russlands Präsident Wladimir Putin.

Zweiter Wahlgang so gut wie fix

Es wird damit gerechnet, dass weder Macron noch Le Pen den ersten Wahlgang für sich entscheiden werden können. Zwei Wochen später, am 24. April, folgt dann die Stichwahl zwischen den beiden Bewerbern mit den meisten Stimmen im ersten Wahlgang. Es wird damit gerechnet, dass es zu einer Entscheidung zwischen Macron und Le Pen kommen wird. Bereits 2017 gingen Macron und Le Pen in eine Stichwahl, die schließlich Macron mit 66 Prozent für sich entscheiden konnte.

Menschen vor Wahlplakaten in Spezet (Westfrankreich)
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Einwohnerinnen und Einwohner von Spezet in Westfrankreich vor Plakaten der Kandidatinnen und Kandidaten

Die Wahllokale sind am Sonntag bis 19.00 Uhr, in großen Städten bis 20.00 Uhr geöffnet. Aufgrund der Zeitverschiebung wird in den Überseegebieten und in einigen Auslandsvertretungen allerdings bereits am Samstag abgestimmt. Jeder muss seine bzw. ihre Stimme abgeben, wo sie auf der Wahlliste eingetragen sind. Das ist insbesondere wichtig, weil es keine Briefwahl gibt. Dafür ist allerdings die Wahl per Vollmacht möglich. Ist ein Wähler bzw. eine Wählerin verhindert, kann er oder sie jemanden beauftragen, für sie oder ihn abzustimmen. Der Bevollmächtigte muss das allerdings im örtlichen Wahllokal des Menschen tun, den er vertritt.

Auch Wahlbeteiligung bereitet Sorge

Zusätzliche Wichtigkeit bekommt wegen des prognostizierten Kopf-an-Kopf-Rennens die Wahlbeteiligung. Jüngsten Umfragen zufolge könnte sie in der ersten Runde bei 70 Prozent liegen. Das wären rund acht Punkte weniger als bei der vorigen Wahl 2017. Es gibt allerdings keine Mindestwahlbeteiligung, damit das Ergebnis Gültigkeit erhält. Angesichts von Befürchtungen der geringen Wahlbeteiligung wollte die Regierung junge Menschen über Snapchat zur Stimmabgabe bewegen. Das Onlinenetzwerk biete etwa Erinnerungsnachrichten, Links zum Erteilen einer Prokura und Bitmojis, eine Art Profilbilder in den französischen Nationalfarben, teilten die Regierung und das Unternehmen am Donnerstag mit – drei Tage vor der ersten Runde.

Wahlnotiz: Frankreichs „abgehobener“ Präsident

ORF-Korrespondentin Cornelia Primosch über Emmanuel Macrons Gratwanderung zwischen Ansehen und Arroganz.

„Diese Partnerschaft bricht mit den institutionellen Gepflogenheiten, und dazu stehen wir“, betonte Michael Nathan, Direktor des Informationsdienstes der Regierung. „Wir wollen unsere Plattform nutzen, (…) um die Generation, die mit Mobiltelefonen aufgewachsen ist, zu bewegen, sich zu engagieren“, ergänzte Sarah Bouchahoua vom Unternehmen Snapchat. Das Netzwerk, in dem überwiegend junge Menschen Nachrichten, aber vor allem Bilder und Videos austauschen, wird in Frankreich monatlich von etwa 24 Millionen Menschen genutzt.

Parlamentswahlen als nächste Herausforderung

Auch nach der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl ist für den Sieger bzw. die Siegerin politisch keine Ruhe zu erwarten. Die Parlamentswahlen finden am 12. und 19. Juni statt. Ihnen kommt eine große Bedeutung zu. Ohne Mehrheit im Parlament, in der Assemblee Nationale, wäre der Präsident gezwungen, eine Regierung aus Politikern und Politikerinnen eines anderen politischen Lagers zu ernennen. Der Premierminister wird dann deutlich wichtiger, als wenn er aus der gleichen Partei kommt. Es könnte, sollte kein Ausgleich gefunden werden, bei unterschiedlichen politischen Ansichten und Agieren sogar eine Blockade des Landes drohen.