Bundeskanzler Karl Nehammer zusammen mit den ukrainischen Präsidenten Wolodymyt Selenskyj bei einer Pressekonferenz
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Nehammer bei Selenskyj

Krieg für Österreich „völlig inakzeptabel“

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist am Samstag für einen „Solidaritätsbesuch“ in die Ukraine gereist. Bei einer Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bezeichnete er Russlands Krieg als „völlig inakzeptabel“ und sicherte der Ukraine Hilfe zu. Österreichs Nein zu einem Gasembargo verteidigte Nehammer, der aber auch weitere Sanktionspakete ankündigte. Selenskyj dankte Nehammer explizit für den Besuch und gab sich zuversichtlich.

„Wir sind militärisch neutral, aber nicht, wenn es darum geht, Verbrechen zu benennen und wenn es darum geht, dort hinzugehen, wo tatsächlich Unrecht passiert“, betonte Nehammer bei der Pressekonferenz. Österreich trage die EU-Sanktionen mit, so der Bundeskanzler, und es werde noch weitere Sanktionspakete geben, „mit dem Ziel, dass der Krieg endet“.

Künftig sollten die Sanktionsmechanismen noch „feingliedriger und zielsicherer“ werden, versprach Nehammer. So könnte etwa die Lieferung „technischer Kleinteile“ nach Russland verboten werden, die für militärische Fluggeräte notwendig sind.

Nehammer verweist bei Gasfrage auf soziale Folgen

Von ukrainischer Seite auf Österreichs Weigerung, einem Gasimportstopp zuzustimmen, angesprochen, unterstrich Nehammer die Position, dass Sanktionen jene treffen sollten, gegen die sie gerichtet seien. Ein Ende der Gaslieferungen könnte aber in Österreich schwerwiegende wirtschaftliche und auch soziale Folgen haben.

Nehammer bei Selenskyj in Kiew

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist am Samstag für einen „Solidaritätsbesuch“ in die Ukraine gereist. Bei einer Pressekonferenz sprach er von „Hochachtung“ gegenüber den Menschen in der Ukraine und sagte, dass man die Hilfe immer weiter ausbauen werde.

„Es ist widerlich, dass wir vom russischen Gas abhängig sind, aber das ist keine Kategorie des politischen Denkens“, sagte Nehammer zuvor auch gegenüber Journalisten. Österreich steht ebenso wie Deutschland oder Ungarn bei einem in Erwägung gezogenen Importstopp von Gas aus Russland auf der Bremse. Einigen EU-Mitgliedsstaaten gehen die Sanktionen nicht weit genug.

Eine Gefahr, dass die Sanktionen von Firmen wie der in Russland groß engagierten Raiffeisen Bank International (RBI) umgangen werden könnten, stellte der Kanzler auf Anfrage in Abrede. Das würde in Österreich auf keinerlei Akzeptanz stoßen. Zudem sei die RBI aber auch ein großer Arbeitgeber in der Ukraine. Selenskyj forderte seinerseits weitere Sanktionen gegen Russland. „Jede Kopeke, jeder Dollar, jeder Euro, der dorthin geht, wird für den Krieg verwendet.“

Selenskyj über Besuch: „Das ist sehr wichtig“

Selenskyj dankte Nehammer für den Besuch: „Das ist sehr wichtig und zeugt von Unterstützung“, so der Präsident im Präsidentenpalais, dessen Zufahrten mit Panzersperren und Eingänge mit aufgetürmten Sandsäcken geschützt werden, zum Bundeskanzler. Auch wenn Österreich im Gegensatz zu anderen Staaten der Ukraine keine Waffen liefern könne, seien auch die „technischen Mittel“ aus Österreich eine große Hilfe.

Der Präsident bezog sich dabei unter anderem auf 20 Rettungsfahrzeuge und zehn Tanklöschwagen, deren Lieferung Nehammer im Rahmen des Gespräches angekündigt hatte. „Es ist ein schönes Signal, wenn führende Persönlichkeiten uns besuchen. Das zeigt, sie unterstützen uns nicht nur mit Worten.“

Selenskyj: „Glauben an unseren Sieg“

Selenskyj betonte auch, er habe in dem rund eine Dreiviertelstunde dauernden Gespräch mit Nehammer auch einen EU-Beitritt der Ukraine angesprochen. Der Bundeskanzler hatte sich diesbezüglich aber bereits zuvor zurückhaltend gezeigt. Im „Vorhof“ der Europäischen Union würden bereits einige Länder warten, Schnellschüsse würden da nur zu Verwerfungen führen.

Im Ukraine-Krieg zeichnet sich laut Militärexperten ab, dass die russischen Truppen im Osten des Landes eine Offensive planen. „Das wird ein schwerer Kampf, aber wir glauben an unseren Sieg“, erklärte Selenskyj bei der Pressekonferenz. „Aber wir wollen parallel auch den Dialog suchen, um diesen Krieg zu beenden.“

Bundeskanzler Karl Nehammer in Bucha, Ukraine
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Nehammer besuchte bei seiner Auslandsreise auch die ukrainische Stadt Butscha

Nehammer zu Besuch in Butscha

Am Nachmittag reiste der Bundeskanzler nach Butscha, wo nach dem Abzug Russlands über 300 Tote gefunden worden waren. Am Rande eines jüngst ausgehobenen Massengrabs erzählten Vertreter der lokalen Behörden, dass die russische Seite behaupte, die Taten seien von Ukrainern begangen worden, um sie den Russen in die Schuhe zu schieben. Es gebe aber unter anderem Videos, die beweisen würden, dass die Menschen schon vor dem Abzug der russischen Truppen ermordet worden seien, betonten sie. Zudem würden die Forensiker aufzeigen, mit welcher Munition die Taten begangen worden seien.

Man habe auch Familien gefunden, die in ihren Autos getötet und dann gleich neben der Fahrbahn verscharrt worden seien, wurde Nehammer von den örtlichen Behörden berichtet. Zudem seien ganze Dörfer in der Umgebung dem Erdboden gleich gemacht und auch Wohnhäuser in der Umgebung schwer beschädigt worden. Der Kanzler zündete in einer ukrainisch-orthodoxen Kirche Kerzen zum Gedenken der Opfer an. Die Verantwortlichen für diese Taten würden zur Verantwortung gezogen, wenn die Kriegsereignisse einmal aufgearbeitet würden, sagte Nehammer.

Kanzler Nehammer in der Ukraine

Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat am Samstagvormittag im Rahmen eines Solidaritätsbesuchs in der Ukraine Präsidenten Selenskyj getroffen und ist dann in den Vorort Butscha gefahren, wo Massaker an der Zivilbevölkerung stattgefunden haben sollen. Der Krieg sei inakzeptabel, der Ukraine sicherte Nehammer Hilfen zu.

Treffen mit Klitschko

Nach dem Besuch in Butscha sprach Nehammer mit dem Bürgermeister von Kiew, Witali Klitschko. „Putin ist ein psychisch kranker Mann, der ein russisches Imperium aufbauen will“, sagte dieser. Die Ukraine sei ein friedliches Land, das vor einigen Jahren freiwillig seine Nuklearwaffen abgegeben habe, so der Bürgermeister. Der Dank dafür sei nun „Krieg und Völkermord“.

„Unser Traum ist es, Teil der europäischen Familie zu sein, und dafür bezahlen wir jetzt.“ Instabilität in der Ukraine bedeute aber „Instabilität in Europa“. Daher müsse auch gemeinsam – etwa durch Wirtschaftssanktionen westlicher Staaten gegen Russland – für ein Ende des Kriegs gekämpft werden. Sanktionen seien wichtig.

In die gleiche Kerbe schlug Witalis Bruder Wladimir, ebenfalls ein ehemaliger Boxweltmeister. „Man muss es beim Namen nennen“, sagte er, „die Menschen hier sind nicht einfach gestorben. Sie wurden ermordet, gequält, vergewaltigt. Das ist die bittere Wahrheit, dass 2022 in der Ukraine Menschen mit gefesselten Händen durch Kopfschuss getötet werden.“ Ein Gasembargo möge für die Österreicher schmerzhaft sein, sagte Wladimir Klitschko hinsichtlich des österreichischen Vetos gegen einen EU-Gasimportstopp aus Russland. „Aber wir bezahlen hier mit Blut. Und wenn wir fallen, werdet auch ihr fallen.“