Fachleute warnen vor Gasembargo gegen Russland

Fachleute haben vor schweren wirtschaftlichen Folgen eines Lieferstopps für russisches Gas in Reaktion auf den Krieg in der Ukraine gewarnt. „Ein volles Embargo würde eine sofortige Rezession in Europa auslösen, die Inflation würde weiter steigen und die Innenpolitik noch schwieriger werden“, so der Ökonom Simone Tagliapietra von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel. Er schlägt stattdessen vor, Zölle auf russische Energie einzuführen, um weiter Druck auf Moskau auszuüben.

Auch WIFO-Chef Gabriel Felbermayr sprach sich für Zölle auf russisches Öl und Gas aus. Ein Gasimportstopp bedeute eine Rezession. „Wenn unvorbereitet im Herbst das Gas abgedreht wird, wären die Schäden noch höher“, schrieb Felbermayr auf Twitter.

Er drängte die Politik, sich jetzt darauf vorzubereiten. Dafür brauche es Preissignale und graduell eingeführte Importzölle auf Öl und Gas, ein Ausgleich über Transferzahlungen könnte das leisten, so der Wissenschaftler.

Sorgen aus der Pharmaindustrie

Raphael Hanoteaux von der Organisation E3G sagte mit Blick auf ein Gasembargo: „Die deutsche Industrie zum Beispiel würde ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren.“ Grund dafür seien Schließungen in der Industrie und noch höhere Preise.

Aus der Pharmaindustrie wurde die Sorge geäußert, ein schneller Stopp von Gaslieferungen aus Russland könne die Produktion lebenswichtiger Medikamente gefährden.

Die Vorstandschefin des Herstellers Merck, Belen Garijo, sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, man benötige eine erhebliche Menge an Erdgas, vor allem zur Erzeugung von Strom und Prozessdampf.

Viel Geld für Kohle – viel mehr für Gas

Ab Anfang August gilt ein Embargo gegen russische Kohle, auf das sich die EU-Länder diese Woche geeinigt haben. Schätzungen von Tagliapietra zufolge gibt die EU derzeit täglich 15 Millionen Euro für Kohle aus Russland aus, aber noch viel mehr für russisches Gas – etwa 400 Millionen Euro pro Tag – sowie 450 Millionen Euro für Öl. Daher fordern etwa Polen und die baltischen Länder weitreichendere Maßnahmen.