Bundeskanzler Karl Nehammer
APA/Georg Hochmuth
Treffen in Moskau

Nehammer reist am Montag zu Putin

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) wird am Montag den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau zu einem Gespräch treffen. Das kündigte Nehammer am Sonntag an. Nach eigenen Angaben will der Kanzler damit einen Dialog zwischen Russland und der Ukraine fördern. Zudem will Nehammer Putin bei dem Gespräch auch auf die „Kriegsverbrechen“ in der Ukraine ansprechen, wie er sagte.

Österreich hat sich bisher trotz seiner militärischen Neutralität eindeutig auf die Seite der von Russland angegriffenen Ukraine gestellt und zuletzt vier russische Diplomaten ausgewiesen. Von Journalisten gefragt, wie seine geplante Moskau-Reise dazu passt, entgegnete Nehammer, er werde Putin gegenüber „nicht moralisch neutral“ sein, er werde die „Kriegsverbrechen“ in der Ukraine ansprechen, versicherte er. „Reden heißt nicht, seine Position aufzugeben“, befand Nehammer, „ganz im Gegenteil, ich sage sie ihm (Putin, Anm.)“.

„Alles, was getan werden kann, um den Menschen in der Ukraine zu helfen, den Krieg zu stoppen, soll getan werden“, meinte Nehammer. „Es ist für mich das Gebot der Stunde, alles zu versuchen.“ Die Reise nach Moskau sei „eine Risikomission“, räumte Nehammer ein, aber es habe sich die Möglichkeit einer „Gesprächsbrücke“ ergeben. „Persönliche Diplomatie“ sei gefragt, es gehe um Dialogmöglichkeiten zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Putin, einen Waffenstillstand oder humanitäre Korridore, sagte Nehammer.

Erstes Treffen eines EU-Regierungschefs mit Putin

Es ist das erste persönliche Treffen eines Regierungschefs eines EU-Landes mit Putin seit Kriegsbeginn am 24. Februar. Bisher gab es nur telefonischen Kontakt, etwa mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron und dem deutschen Kanzler Olaf Scholz.

Hans Bürger über Nehammers Moskau-Reise

ZIB-Innenpolitikchef Hans Bürger analysiert den geplanten Besuch des österreichischen Kanzlers bei Russlands Präsident Putin.

Erst am Wochenende war Nehammer mit einem Tross an Journalistinnen und Journalisten nach Kiew gereist, um unter anderem dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj seine Solidarität zu versichern. Nach seiner Rückkehr kündigte er nun Sonntagnachmittag vor der Presse an, auch Aggressor Putin zu treffen.

Nehammer räumt geringe Chance ein

Die Initiative dazu sei von ihm ausgegangen, sagte Nehammer auf Nachfrage, und zwar schon während die Reise in die Ukraine geplant wurde. Die Reise nach Moskau habe er mit EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel abgesprochen, auch Selenskyj, den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und den deutschen Kanzler Scholz habe er informiert.

Bundeskanzler Karl Nehammer und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj
APA/AFP/Ronaldo Schemidt
Nehammer bei seinem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj

Er habe sich „vorgenommen, alles dafür zu tun, damit Schritte Richtung Frieden unternommen werden“, erklärte Nehammer seine Motivation. Auch wenn die Chancen, etwas zu erreichen, gering seien, wie er selbst einräumte. Er habe nicht die Erwartungshaltung, dass große Wunder geschehen, gestand Nehammer auf Nachfrage zu. Aber, betonte der Kanzler, „‚am besten gar nichts tun‘ ist nicht mein Zugang“, er wolle als „Brückenbauer“ auftreten. Es gehe darum, „alles zu tun, dass es aufhört“.

„Presse“: Keine gemeinsame Pressekonferenz

Das Gespräch mit Putin soll laut „Presse“ um 15.00 Uhr Moskauer Ortszeit (16.00 Uhr MEZ) stattfinden, wobei das Bundeskanzleramt nicht ausschließen dürfte, dass Putin seinen Gast etwas warten lässt. Danach sei ein Statement Nehammers in der österreichischen Botschaft in Moskau geplant. Eine gemeinsame Pressekonferenz mit Putin, wie von russischer Seite durchaus gewünscht, habe Nehammer abgelehnt, „wohl“, um Putin nicht eine solche Bühne zu bieten, wie die „Presse“ schreibt.

Nehammers Reise dürfte laut APA-Recherchen bereits seit einigen Tagen mit Moskau akkordiert gewesen sein. Er habe vom geplanten Besuch Nehammers bereits Mitte der letzten Woche gehört, sagte eine Person aus dem Kreml-Umfeld der APA. „Ich kann das (Mitte letzter Woche, Anm.) nicht bestätigen“, kommentierte ein Sprecher des Bundeskanzlers. Er wollte gleichzeitig aber nicht sagen, seit wann konkrete Planungen gelaufen waren.

„Bild“: Kritik aus Ukraine

Laut der deutschen „Bild“-Zeitung soll Nehammers Reise in der Ukraine auf Kritik stoßen. „Was für eine Selbstüberschätzung des österreichischen Kanzlers, dass er ernsthaft glaubt, eine Reise zum jetzigen Zeitpunkt hätte irgendeinen Sinn, nachdem Putin gezeigt hat, was für ein brutaler Kriegsverbrecher er ist“, zitierte das Blatt einen ukrainischen Diplomaten.

Der russische Präsident Wladimir Putin
Reuters/Sputnik
Putin hat seit Beginn des Kriegs keinen EU-Regierungschef mehr persönlich empfangen

Kritik kam auch vom Vizebürgermeister der Hafenstadt Mariupol, Serhij Orlow. Wochenlanger russischer Beschuss hat die Stadt zerstört, die humanitäre Lage der Bevölkerung ist katastrophal. „Das gehört sich nicht zur heutigen Zeit. Die Kriegsverbrechen, die Russland gerade auf dem ukrainischen Boden begeht, finden weiterhin statt. Das, was wir in Butscha gesehen haben – das ist möglicherweise in Mariupol noch schlimmer gewesen, auch wenn die russische Armee sich bemüht, die Verbrechen zu verschleiern. Ich verstehe nicht, wie in dieser Zeit ein Gespräch mit Putin geführt werden kann, wie mit ihm Geschäfte geführt werden können“, sagte Orlow der „Bild“.

NEOS: Österreich darf europäischen Weg nicht verlassen

Nehammers Besuch dürfe nicht dazu führen, dass Österreich den gemeinsamen europäischen Weg verlasse, betonte NEOS-Vorsitzende Meinl-Reisinger. „Putin ist ganz klar der Aggressor in diesem Krieg. In dieser Frage kann es keine Neutralität geben“, so Meinl-Reisinger. Insgesamt bestehe die Sorge, dass das Treffen Putin letztlich mehr nutzt als der Ukraine. „Schließlich kam es schon vor, dass sich Österreichs Politiker vor den russischen Propagandakarren spannen ließen“, sagte die NEOS-Vorsitzende.