MacKenzie Scott
Reuters/Danny Moloshok
Amazon-Vermögen

MacKenzie Scotts stille Spendenflut

Vor mehr als zwei Jahren haben sich Amazon-Gründer Jeff Bezos und seine langjährige Partnerin MacKenzie Scott scheiden lassen. Die Schriftstellerin und allererste Angestellte des heutigen Onlinegiganten wurde daraufhin zu einer der reichsten Frauen der Welt. Ihr Vermögen beläuft sich laut „Forbes“ auf rund 43,6 Milliarden Dollar. Zumindest derzeit – denn in weniger als drei Jahren hat Scott mindestens 12,5 Mrd. Dollar gespendet. Und das in aller Stille.

Mehr als 1.257 Hilfsorganisationen haben bisher direkt Spenden von Scott empfangen. Erst im März verteilte die 51-Jährige auf einen Schlag über 3,8 Mrd. Dollar – vor allem an NGOs, die auf lokaler Ebene Hilfe leisten. Mehr als 430 Mio. gingen etwa an Habitat for Humanity, eine Organisation, die Wohnraum für benachteiligte Menschen schafft. Auch Bürger- und Frauenrechte stehen im Fokus von Scotts Spendentätigkeit.

Dabei überrascht Scott nicht nur durch die Höhe der Spenden, sondern vor allem durch ihren fast schon mysteriösen Modus Operandi: Ihre „Beauftragten kommen mit einem riesigen Scheck und ohne Fanfare aus dem Nichts, stellen keine Bedingungen und verschwinden dann wieder“, so „Forbes“. Scott spende unbürokratisch und mit rasanter Geschwindigkeit an Organisationen, die bisher übersehen wurden.

Amazon-Gründer Jeff Bezos mit seiner Frau Mackenzie im Jahr 2012
AP/Evan Agostini
Das einstige Ehepaar Bezos auf einer Gala im Jahr 2012

Mit Tempo in die Top Fünf der Philanthropen

Die Höhe der Spenden in Kombination mit dem kurzen Zeitraum ihrer Verteilung lässt andere Superreiche alt aussehen. Laut einer Auswertung von „Forbes“ von Ende Jänner hat sie sich binnen kürzester Zeit unter die Top Fünf der spendenfreudigsten US-Milliardäre katapultiert. Überholt wird sie nur von Michael Bloomberg (bis Jänner 2022 gespendet: 12,7 Mrd.), George Soros (18,1 Mrd.), Bill und Melinda Gates (33,4 Mrd.) und Warren Buffet (46,1 Mrd.).

Überholt hat sie damit auch ihren Ex-Mann Bezos. Dessen Vermögen schätzte „Forbes“ Ende Jänner auf rund 185 Mrd. Dollar – gespendet habe er aber bisher nur 2,1 Mrd., obwohl er kurz vor seinem Weltraumflug zehn Milliarden Dollar für Klimaschutzzwecke ankündigte.

Grafik zu den spendenfreudigsten US-Amerikanern
Grafik: ORF.at; Fotos: APA/AFP, AP; Quelle: Forbes

Höchste Diskretion

Auffällig ist, wie diskret Scott bei ihrer Wohltätigkeit vorgeht. Das übliche Vehikel für Spenden von US-Superreichen sind private Stiftungen wie die Gates Foundation und die Rockefeller Foundation, die auch ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit generieren, oft Hunderte Beschäftigte haben und eine eigene „Marke“ darstellen.

Doch Scott geht einen anderen Weg, wie das Portal Puck berichtete. Dessen Recherche zufolge hat Scott kurz nach der Finalisierung ihrer Scheidung für ihre philanthropischen Aktivitäten eine Firma namens Lost Horse Ventures gegründet, über die ihre Spenden abgewickelt werden. Dieses Unternehmen ist nicht kontaktierbar – es gibt keine Website, Kontaktdaten oder designierte Ansprechpartner. Nur wenig ist über das Team bekannt.

Übereinstimmend wird berichtet, dass die NGOs per Telefon kontaktiert und über den Geldsegen informiert werden – oftmals sollen dann auch Tränen bei den Empfängern fließen. Bedingungen gebe es nahezu keine. Die Empfänger könnten das Geld abrufen, wann sie wollen. Man verlange nur für die kommenden drei Jahre einen dreiseitigen Bericht über die Aktivitäten der NGO – und absolute Geheimhaltung, bis die Spenden offiziell verkündet werden. Scott nutzt hierfür lediglich einen Blog, dessen Einträge sie auf Twitter teilt.

Steuerfreundliche Fonds im Einsatz

Dem Puck-Bericht sowie Recherchen von „New York Times“ und „Forbes“ zufolge laufen Scotts Spenden dabei über mindestens drei Donor-Advised Funds (DAF) – Finanzvehikel, die bei Großspendern zunehmend beliebter werden und beispielsweise auch von Tesla-Gründer Elon Musk und Meta-Chef Mark Zuckerberg genutzt werden.

Diese werden zum Zweck der Verwaltung von Spenden für wohltätige Zwecke im Namen einer Person oder Organisation eingerichtet und von Dritten verwaltet. DAFs erlauben den Spendenden langfristig weitgehende Kontrolle über ihr Geld und bieten außerdem erhebliche Steuervorteile. Dabei wird oftmals kritisiert, dass bei der Nutzung der DAFs durch eine Lücke Schenkungen für ein Jahr steuerlich geltend gemacht werden können, ohne dass die Gelder tatsächlich freigegeben werden.

„Macht benötigt sorgfältige Überprüfung“

Zudem sind die Fonds intransparenter als reguläre Stiftungen, die in den USA relativ genau Rechenschaft über ihre Finanzflüsse offenlegen und jährlich mindestens fünf Prozent ihres Vermögens auch wirklich auszahlen müssen. Zwar wird Scott für ihr philanthropisches Engagement einhellig gelobt, wegen dieser Intransparenz musste sie allerdings auch schon Kritik einstecken. Sie hatte diese bisher damit begründet, dass nicht sie, sondern die Hilfsorganisationen per se im Mittelpunkt stehen sollten.

„Aufgrund ihrer Höhe verändern die Spenden das Gesicht der amerikanischen Zivilgesellschaft. Diese Macht benötigt eine sorgfältige Überprüfung und die Aufmerksamkeit der Zivilgesellschaft“, so Rob Reich vom Center on Philanthropy and Civil Society der Universität Stanford. Puck schrieb von „einem der größten Experimente in der Geschichte des sozialen Sektors, bei dem die Öffentlichkeit von mehr Transparenz profitieren würde“.

Scott hat auf die Kritik bereits reagiert und angekündigt, dass im Laufe des Jahres mehr Daten veröffentlicht werden sollen. Ihr Team arbeite an einer Website, die auch eine durchsuchbare Datenbank ihrer Spenden beinhalten soll. Weitere Spenden hat sie jedenfalls in Aussicht gestellt. Sie wolle so lange wohltätig sein, „bis der Safe leer ist“, teilte die 51-Jährige bei der Unterzeichnung von Bill und Melinda Gates’ Spendeninitiative „The Giving Pledge“ mit. Das könnte dauern – denn ihr mit der Scheidung erhaltenes Amazon-Aktienpaket ist heute bedeutend mehr wert als zum Zeitpunkt ihrer Scheidung.