Mit Ausnahme des Linksaußenpolitikers Jean-Luc Melenchon kam keiner der Kandidaten auch nur in die Nähe der Stichwahl – ganz im Gegenteil endete der erste Wahlgang etwa für die Konservative und die Sozialisten, die einstigen großen Regierungsparteien des Landes, mit einem Debakel.
„Nichts wird wie früher sein“, sagte Macron wohl auch mit Blick auf Frankreichs Parteienlandschaft noch am Wahlabend. Vielmehr wolle er nun eine neue politische Bewegung begründen, der sich alle anschließen können. Zur Erinnerung: Macron stellte bereits bei seinem ersten Einzug in den Elysee-Palast im Jahr 2017 mit der von ihm gegründeten „Bewegung“ En Marche, aus der später La Republique en Marche (LREM) hervorging, Frankreichs Parteienlandschaft auf den Kopf.
Stichwahl zwischen Macron und Le Pen
Frankreichs Präsident Macron liegt nach der Wahl vor der Rechtsaußen-Kandidatin Le Pen auf Platz eins. Wie schon vor fünf Jahren kommt es zu einer Stichwahl zwischen den beiden.
„Das ist keine Wahl“
Wie 2017 lautet das Duell erneut Macron vs. Le Pen. „Die Überraschung ist, dass es keine Überraschung gibt“, schrieb „Le Figaro“. Meinungsforscher erwarten diesmal allerdings ein deutlich knapperes Rennen. Waren es vor fünf Jahren noch 66 Prozent, die im zweiten Wahlgang Macron die Stimme gaben, prognostizierte am Wahlabend etwa das Institut Ipsos-Sopra Steria ein Ergebnis von 54 zu 46 Prozent. Ifop-Fiducial prognostizierte mit 51 zu 49 Prozent einen denkbar kleinen Vorsprung für Macron.
Bei ihrem dritten Anlauf erscheint Le Pen dem höchsten Amt im Land so nah wie nie zuvor. „Was am 24. April auf dem Spiel steht, ist keine Wahl der Umstände, sondern eine Entscheidung für die Gesellschaft, eine Entscheidung für die Zivilisation“, sagte Le Pen am Sonntagabend. Zwei entgegengesetzte Visionen für die Zukunft hätten sich durchgesetzt.
Rechtsextremer Zemmour wirbt für Le Pen
Ungeachtet des deutlichen Vorsprungs auf Le Pen verwies Macron auf das starke Abschneiden der Parteien im rechten Spektrum: „Wenn die Rechtsextreme in all ihren Formen so viel Rückhalt im Land hat, kann man nicht davon sprechen, dass die Dinge gut laufen.“ Vorbei scheinen somit auch die Tage, als sich die Reihen des linken und bürgerlichen Lagers in einem Abwehrreflex gegen rechts schlossen und eine Art republikanische Front bildeten.
Von rechtsaußen, konkret von dem rechtsextremen Politquereinsteiger Eric Zemmour, der mit seiner Bewegung Reconquete im ersten Wahlgang rund sieben Prozent der Stimmen holte, gibt es wenig verwunderlich eine klare Wahlempfehlung für Le Pen.
Keine Macron-Empfehlung von Melenchon
Der in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl nur knapp unterlegene Melenchon forderte seine Wähler zwar eindringlich auf, Le Pen keine einzige Stimme zu geben – eine Wahlempfehlung für Macron sparte der letzte Hoffnungsträger der Linken, der mit 22 Prozent Zustimmung einen Überraschungscoup landen konnte, im Gegensatz zu Valerie Pecresse (Republikaner) und Anne Hidalgo (Sozialdemokraten) sowie den Kandidatinnen und Kandidaten von Grünen und Kommunisten aber aus.

Sollte Le Pen an die Macht kommen, drohten „desaströse Folgen für das Land und für folgende Generationen“, warnte Pecresse, die mit 4,8 Prozent der Stimmen gleichzeitig auf einen historischen Negativrekord für ihre Partei blickt. Gleiches gilt für die Pariser Bürgermeisterin Hildago mit lediglich 1,7 Prozent. Stellt sich somit die Frage nach dem Wert dieser Wahlempfehlungen: „Unter den Politikern kommt die republikanische Front zwar in Gang. Es bleibt aber abzuwarten, ob die Wähler folgen“, sagte der Demoskop Mathieu Gallard vom Institut Ipsos.
Damoklesschwert Wahlbeteiligung
Für „Le Parisien“ steht außer Frage, dass der Ausgang der Stichwahl „vor allem vom Verhalten der Pro-Melenchon-Wähler abhängen“ werde. Im Gegensatz zu Zemmours Wählern, von denen laut einer von der Zeitung veröffentlichten Umfrage von Ipsos-Sopra Steria nun 85 Prozent für Le Pen stimmen wollen, seien die Wählerinnen und Wähler Melenchons „weitaus gespaltener“. Laut der Umfrage gaben 34 Prozent an, Macron wählen zu wollen, 30 Prozent setzen auf Le Pen, und 36 Prozent seien noch unschlüssig bzw. wollten der Stichwahl fernbleiben.
Großes Fragezeichen bleibt somit die Wahlbeteiligung: Viele linke Wählerinnen und Wähler haben bereits zuvor in Umfragen erklärt, dass sie anders als 2017 Macron in der Stichwahl nicht wählen würden, nur um einen Einzug der Rechtspopulistin Le Pen in den Elysee-Palast zu verhindern. Diese Wahlberechtigten muss Macron nun überzeugen, ihre Meinung zu ändern und in der zweiten Runde am 24. April doch für ihn zu stimmen.