Offener Briefkasten
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Pandora-Papers Russia

Auf den Spuren der Oligarchengelder

Die Sanktionen gegen Russland machen es notwendig, den Besitz reicher Russen in Europa, den USA und in Großbritannien aufzuspüren. Ein weltweiter Verbund an Investigativjournalistinnen und -journalisten zeigt, wie die russische Elite über Briefkastenkonstruktionen ihr Vermögen im Westen parkt. Einige Spuren führen auch nach Österreich.

Das Unterfangen, Vermögen aufzuspüren, scheitert oft daran, dass die wahren Besitzverhältnisse hinter einer Reihe an Briefkästen, Gesellschaften, Stiftungen und Treuhändern verschleiert werden. Das Internationale Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ) und seine Partner haben deshalb die Pandora-Papers, die im Vorjahr veröffentlicht worden sind, erneut durchgearbeitet, mit anderen Quellen verknüpft und den Schwerpunkt auf die Geschäftstätigkeit russischer Milliardäre gelegt: die Pandora-Papers Russia.

In Österreich waren der ORF und „profil“ an der Aufarbeitung beteiligt. Die Recherchen zeigen, dass mit jeder Sanktionswelle auch Vermögen in Bewegung gerät. Schon 2014, als die ersten Sanktionen nach der Annexion der Krim durch Russland verhängt worden waren, wurden Gelder bewegt. Beachtliche Verschiebungen gab es auch 2018, nachdem die USA Sanktionen gegen mehrere Oligarchen verhängt hatten.

Über Besitz spricht man nicht

Die schwierige Suche nach Vermögen von Putin-treuen Oligarchen.

„Absicherung des Familienvermögens“

Peter Awen, Michail Fridman, German Khan und Alexej Kusmitschew, die vier Gründer der russischen Alfa Bank, sind für die EU mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin „eng verbunden“. Schon in den 90er Jahren kontrollierten sie über die britischen Jungferninseln ein Vermögen. Nach der Annexion der Krim gründeten sie weitere Briefkastenfirmen. Awen etwa etablierte eine Stiftung, in der er sein Vermögen parkt und so vor Sanktionen in Sicherheit bringt. In einer Stellungnahme gegenüber dem ICIJ nennt Awen die „Absicherung des Familienvermögens“ als Grund für die Umstrukturierung.

Auch andere Oligarchen sind äußerst umtriebig. So sind Alexej Mordaschwo, dem Großaktionär des Reisekonzerns TUI, laut Recherchen gleich 60 Offshore-Gesellschaften zuzuordnen. Michail Guzerijew, Gründer des russischen Ölkonzerns RussNeft, lässt sich gemeinsam mit seinem Bruder mit 80 Briefkästen in Verbindung bringen.

Die Fontana-Connection

Herman Gref, Chef der russischen Sberbank, früherer Wirtschaftsminister und seit Freitag – nach den USA und Großbritannien – auch in Europa auf der Sanktionsliste, hatte rund 75 Millionen US-Dollar (knapp 69 Mio. Euro) in einem undurchsichtigen Geflecht aus Gesellschaften und Stiftungen geparkt. 2017 übertrug er die Assets seinem Neffen – eine durchaus übliche Vorgangsweise, um den internationalen Behörden Zugriff auf Gelder zu erschweren. Von Gref führen über Umwege auch Spuren nach Österreich.

2020 wechselten im niederösterreichischen Oberwaltersdorf, auf dem Grundstück der – mittlerweile abgerissenen – Magna-Europazentrale zwei Stück Land um rund neun Millionen Euro den Besitzer: Verkäufer war die Fontana Sportveranstaltungs Gmbh, die zu 94 Prozent Investor Siegfried Wolf gehört. Der Verkauf war völlig legal und erfolgte unter Einhaltung aller Rechtsvorschriften.

Drohnenaufnahme zeigt Rohbauten
ORF
Auf dem Gelände in Oberwaltersdorf stehen bereits Rohbauten, die Eigentümer des Grundstücks kennt die Gemeinde nicht

Käufer eines der Grundstücke ist eine Grey Schloss GmbH mit Sitz in Baden. Diese wiederum gehört einer Gesellschaft in Liechtenstein. So steht es im wirtschaftlichen Eigentümerregister des Finanzministeriums, das die wahren wirtschaftlichen Eigentümer von Gesellschaften, Konten, Immobilien, Jachten oder Jets offenlegen soll.

Papers führen zu Putins Ex-Vizestabschef

Was das Register nicht verrät, verraten die Datensätze des ICIJ, die sich jedenfalls bis 2019 nachvollziehen lassen: Laut diesen ist die Alleinaktionärin der Gesellschaft in Liechtenstein eine Firma mit Sitz in der Karibik, die einer Familienstiftung in Liechtenstein gehört. Und diese wiederum gehört Kirill Androsow.

Kirill Androsov
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Den Recherchen zufolge ist das Grundstück nun im Besitz des Russen Kirill Androsow

Der 1972 geborene Russe hat eine bemerkenswerte Karriere hinter sich: ehemaliger Vizestabschef bei Putin, bis 2016/2017 Vorstandsvorsitzender der Aeroflot und der russischen Staatsbahn, heute Investor und Wirtschaftsprofessor an der Moskauer Uni. Laut Pandora-Papers gibt es auch ein enges geschäftliches Naheverhältnis zwischen Androsow und der Familie von Gref, dem mittlerweile sanktionierten Chef der russischen Großbank Sberbank. Jener Sberbank, in deren Europazentrale in Wien Siegfried Wolf bis zuletzt Aufsichtsratschef war.

Alle Beteiligten haben auf Anfragen von ORF und „profil“ nicht reagiert. Die Gemeinde Oberwaltersdorf lässt ausrichten, man wisse nicht, wer die Eigentümer des Grundstücks seien, und auch nicht, was dort errichtet werde: „Wir haben keine Informationen über eine Einreichung.“ Das ist angesichts des Umstandes, dass auf dem Grundstück schon drei zweigeschoßige Rohbauten stehen, doch bemerkenswert.