Frachtzug beim Start in Nanchang (China) Richtung Moskau
AP/Hu guolin
Trotz Exportwachstums

Ungewisse Zeiten für Chinas Wirtschaft

Die chinesischen Exporte sind im März überraschend stark gewachsen – und trotz des Krieges hat China die Importe aus Russland intensiviert. Dennoch wächst die Sorge in der zweitgrößten Volkswirtschaft. Der Spagat zwischen dem Westen und Russland gilt als gewagt, und auch der globale Außenhandel gestaltet sich schwierig. Nicht zuletzt, da sich China mitten in der stärksten Infektionswelle seit Pandemiebeginn befindet.

China werde den „normalen“ Handel mit Russland fortsetzen, hieß es von chinesischer Seite. Zuvor hatte die EU die chinesische Führung aufgefordert, die westlichen Sanktionen nicht zu unterlaufen. „China ist keine Partei, die mit der Krise in der Ukraine in Verbindung steht. Wir denken nicht, dass unser normaler Handel mit einem anderen Land beeinträchtigt werden sollte“, sagte Wang Lutong, der Generaldirektor für europäische Angelegenheiten im chinesischen Außenministerium, zuletzt in Peking.

Die Rolle Chinas im Krieg in der Ukraine galt bisher als Gratwanderung. Einerseits wolle man alle Bemühungen für Entspannung unterstützen, wie es aus dem chinesischen Außenministerium hieß, andererseits kritisierte China die westlichen Sanktionen und hob hervor, dass Russland zwar kein „Verbündeter“, aber „strategischer Partner“ sei.

Der Generaldirektor für europäische Angelegenheiten im chinesischen Außenministerium, Wang Lutong
AP/Mark Schiefelbein
Wang Lutong, Generaldirektor der Abteilung für europäische Angelegenheiten, kritisiert die westlichen Sanktionen gegen Russland

Außenhandel mit Russland gesteigert

Die „strategische Partnerschaft“ der beiden Länder spiegelt sich vor allem in aktuell veröffentlichten chinesischen Zolldaten wider. Im ersten Quartal steigerte China seinen Handel mit Russland im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich. Der Gesamthandel mit Russland stieg von Jänner bis März auf 243,03 Milliarden Yuan (35,1 Mrd. Euro), wie der Zoll mitteilte – ein Plus von 27,8 Prozent.

Auffällig stark entwickelten sich im März auch die Importe aus Russland, die um 26,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zulegten. Dagegen gingen Chinas Exporte an seinen „strategischen Partner“ überraschend um 7,7 Prozent zurück. Dabei hatte China in den zwei Monaten vor dem Ukraine-Krieg noch mit satten Wachstumsraten in sein Nachbarland geliefert. Ob der Rückgang an möglichen Sorgen chinesischer Unternehmen liegt, nicht bezahlt zu werden, ist unklar.

Bereits im vergangenen Jahr war der Gesamthandel zwischen China und Russland um 35,8 Prozent auf einen Rekordwert von 146,9 Milliarden Dollar (135,7 Mrd. Euro) gestiegen. Durch verstärkte Importe könnte China nun versuchen, Russlands Einbußen wegen der Sanktionen zu kompensieren. Analysten zufolge gebe es jedoch bisher keine Anzeichen dafür, dass China gegen die westlichen Strafmaßnahmen gegen Russland verstoße.

Chinesische Kreditkarten statt Visa und Mastercard

Von dem Rückzug westlicher Kreditkartenunternehmen wie Mastercard und Visa aus Russland könnte China jedoch profitieren: Inzwischen setzen einige Russinnen und Russen ihre Hoffnung auf die chinesische Alternative UnionPay. Nach Angaben der russischen Tageszeitung „Kommersant“ gibt es russlandweit mittlerweile 500.000 UnionPay-Kreditkarten – womit sich deren Zahl binnen eines Monats verzehnfachte.

Der größte Teil dieser Karten ist virtuell und für den Einkauf in Internetgeschäften gedacht. Laut „Kommersant“ würden ausländische Internetgeschäfte jedoch Zahlungen aller in Russland herausgegebenen Karten, inklusive UnionPay, blockieren. Theoretisch könnte UnionPay die Lage dem Zeitungsbericht zufolge beheben. Doch die chinesische Kreditkartenorganisation unternehme bisher keine Anstrengungen dazu, hieß es.

Chinas Handel mit USA und EU nach wie vor am stärksten

Laut der „Financial Times“ („FT“) sollten die Vorteile eines verstärkten Handels zwischen Russland und China jedoch nicht überschätzt werden. Denn obwohl dieser vergangenes Jahr einen Höchstwert verzeichnete, würde er mit 1,4 Billionen Dollar (1,29 Billionen Euro) durch den Handel mit EU und USA bei Weitem übertroffen werden.

Russland hätte langfristig nur wenig zu bieten, um einen potenziellen Schaden dieser Handelsbeziehungen zu kompensieren. Selbst billigeres russisches Erdgas und Öl würden keinen Ersatz bieten, und ob die russischen Waffenexporte tatsächlich um so vieles günstiger seien, sei fraglich. Langfristig hätte China alles zu verlieren, wenn es seine westlichen Beziehungen aufs Spiel setze, so die „FT“.

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verwies darauf, dass sich der Handel zwischen der EU und China auf zwei Milliarden Euro pro Tag belaufe, während der Handel zwischen Russland und China nur 330 Millionen Euro pro Tag betrage. Außerdem würde es eine „große Herausforderung für den Ruf“ Chinas bei Investoren und Verbrauchern in der EU darstellen, wenn es sich hinter Russland stellen würde, warnte von der Leyen.

Pandemie als Belastungsprobe für chinesische Wirtschaft

Trotz des überraschend starken Exportwachstums im März muss sich Chinas Wirtschaft langfristig auf schwierigere Zeiten einstellen. Ein erstes Zeichen ist die plötzliche Importschwäche, die auf geringeren Konsum durch die strengen Lockdowns in der zweitgrößten Volkswirtschaft deuten. Zum dritten Mal innerhalb einer Woche warnte Chinas Regierungschef Li Keqiang vor neuen Wachstumsrisiken, die „stärker als erwartet“ seien.

Die strengen Maßnahmen durch die Null-CoV-Strategie belasten zudem Unternehmen. Der Lockdown der 26 Millionen Einwohner zählenden Metropole Schanghai beeinträchtigt den größten Hafen der Welt. Es fehlt bereits an Lastwagen, die Container oder Waren über Land transportieren. Auch der Transport über Provinzgrenzen hinweg ist gestört.

„Ob das für das Gesamtjahr angestrebte Wirtschaftswachstum dann noch realistisch ist, scheint nun mehr als fraglich“, sagte Jens Hildebrandt, Chef der deutschen Handelskammer in China (AHK). So hatte Chinas Regierung 5,5 Prozent Wachstum für heuer ins Auge gefasst. Trotz der plötzlich auftretenden Krisen durch die neue Infektionswelle in China und Russlands Invasion in die Ukraine hält die Regierung aber an dem Ziel fest, das vorher schon als „ehrgeizig“ galt.

Frachtzug beim Start in Nanchang (China) Richtung Moskau
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Ein Güterzug der China COSCO Shipping Co. Ltd. auf der Strecke von Nanchang nach Moskau

Außenhandel vor globalen Herausforderungen

Expertinnen und Experten weisen auch auf die Schwächung der globalen Erholung durch Russlands Krieg gegen die Ukraine hin, was die Nachfrage nach „Made in China“ bremsen wird. Laut aktuellen Prognosen der Welthandelsorganisation (WTO) dürfte der Welthandel dieses Jahr nur noch um 3,0 Prozent zulegen – bisher hatte die WTO mit 4,7 Prozent gerechnet.

Neben dem Krieg werden auch Lockdowns in China und die unterbrochenen Lieferketten als Risiko für Exporteure genannt. Der chinesische Zollsprecher Li Kuwen sprach von „unerwarteten, plötzlichen Faktoren im gegenwärtigen internationalen und heimischen Umfeld“ sowie „vielen Risiken“. Die externe Umgebung des Außenhandels werde schwieriger.

Chinas Zentralbank setzt Maßnahmen

Am Mittwoch gaben staatliche chinesische Medien nach einer Kabinettssitzung an, dass die chinesische Zentralbank die Mindestreservesätze der Banken senken und noch weitere geldpolitische Instrumente einsetzen wolle, um die wirtschaftliche Lage zu entlasten. Die Regierung in Peking werde darüber hinaus die finanzielle Unterstützung für die Realwirtschaft erhöhen, insbesondere für die von der Pandemie betroffenen Branchen und Kleinunternehmen.

Wie der Zoll in Peking berichtete, kletterten die Exporte zuletzt stark um 14,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat auf umgerechnet 276 Milliarden US-Dollar. „Insgesamt zeigt sich der Außenhandel Chinas im ersten Quartal noch robust“, sagte der deutsche Handelskammerchef. „Doch die Effekte aus dem Krieg in der Ukraine und den strengen Lockdowns in Chinas Wirtschafts- und Produktionszentren sind hier noch nicht eingepreist.“ Das werde sich wohl erst im kommenden Monat und im zweiten Quartal zeigen.