Flüchtlinge aus der Ukraine am Hauptbahnhof in Wien
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Geflüchtete aus Ukraine

Talsohle erreicht, viele Ankünfte erwartet

Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sind Millionen Menschen geflüchtet. Allein der polnische Grenzschutz zählt aktuell 2,7 Millionen Geflüchtete, Moldawien und Rumänien zusammen über 1,2 Millionen Vertriebene. Die Ankünfte in Österreich belaufen sich derzeit auf etwa 250.000 – mit zuletzt rückläufigem Trend. Doch wird mit demnächst wieder stark steigenden Einreisen gerechnet. Bezüglich der derzeitigen Lage sah Flüchtlingskoordinator Michael Takacs eine Talsohle erreicht.

In Österreich lag die Zahl der täglichen Registrierungen am bisherigen Höhepunkt bei rund 3.500. Derzeit sind es etwa 900. Einige Geflüchtete hätten auch ihren Vertriebenenpass wieder zurückgegeben und seien in vergleichsweise sichere Gebiete in der Ukraine zurückgekehrt. Polen haben mittlerweile Hunderttausende Richtung Heimat verlassen.

Doch rechnet Takacs damit, dass hierzulande weitere 150.000 bis 200.000 Menschen aus der Ukraine ankommen werden. In Bezug auf die derzeitige Lage sprach er von einer „Ruhe vor dem Sturm“.

Auch laut Caritas müsse man sich in Österreich auf „neue Ankünfte vorbereiten“, wie Klaus Schwertner, Geschäftsführer der Caritas Wien, nach einem Besuch in der Westukraine sagte. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir in Österreich 200.000 bis 250.000 Menschen aufnehmen werden“, sagte Schwertner.

17 Prozent der gemeldeten Privatquartiere belegt

Angesichts der Prognose ersuchte Takacs darum, weiterhin Plätze einzumelden, wenn jemand welche zur Verfügung stellen kann. Gleichzeitig verwies er auf eine derzeit stabile Unterbringungslage. 58.000 Menschen haben Zuflucht gefunden, „und jeder hat ein Dach über dem Kopf“. Von Privaten wurden 47.000 Plätze für die Unterbringung in 10.000 Quartieren offeriert. Davon sind bisher erst 17 Prozent belegt – das liege auch an der Aufstockung der Großquartiere durch den Bund.

Flüchtlinge aus der Ukraine in einer Unterkunft in Wien
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Geflüchtete in einem Ankunftszentrum in Wien

Derzeit gelten die Bemühungen der Integration der Geflüchteten auf dem Arbeitsmarkt – in Zusammenarbeit mit dem AMS. 34.000 blaue Karten sind bereits versendet, womit die Vertriebenen Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Etwa 500 sind bereits in den Arbeitsprozess eingestiegen. Takacs geht davon aus, dass ab jetzt mehrere Ukrainerinnen und Ukrainer Beschäftigung finden werden. Eingeschult wurden mittlerweile etwa 5.000 Kinder.

80 Prozent Frauen

Der Frauenanteil der nach Österreich Geflüchteten liegt derzeit bei rund 80 Prozent. Männer über 18 dürfen die Ukraine nur in Ausnahmefällen verlassen – nämlich wenn sie pflegende Angehörige betreuen müssen, mindestens drei Kinder haben oder untauglich sind. Dazu kommen noch in Österreich Studierende. Insgesamt gibt es unter den Flüchtlingen oft den Wunsch, möglichst rasch heimzukehren.

Das zeigt sich auch bei der von Österreich initiierten Luftbrücke für 2.000 in Moldawien angekommene Geflüchtete. Dieses Angebot sei nach wie vor aufrecht, so Takacs auf Nachfrage. Doch wollten viele Kriegsvertriebene möglichst nahe an der Ukraine bleiben, und es sei eine Herausforderung, überhaupt Personen zu finden, die in die EU wollen. Bis dato kamen 500 Flüchtlinge aus Moldawien nach Österreich.

Flüchtlinge aus der Ukraine in einer Unterkunft in Wien
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Der Frauenanteil unter den Geflüchteten ist äußerst hoch

Hilfsbereitschaft „sehr groß“

Die Hilfsbereitschaft für die Menschen in der Ukraine ist unterdessen weiter „sehr groß“ – laut Caritas-Wien-Chef Schwertner seien bisher zehn Hilfstransporte aus Wien mit 150 Tonnen an Hilfslieferungen in der Ukraine eingetroffen. Dort würden sie zum Teil in andere Gebiete im Osten wie Kiew und Charkiw weitertransportiert.

Mittlerweile habe die Caritas-Hilfe 500.000 Menschen in der Ukraine erreicht, erklärte Schwertner, „durch die laufenden Nothilfeprojekte der Caritas Österreich werden seit Kriegsausbruch derzeit 220.000 Menschen mit Überlebenshilfe unterstützt“. Diese Hilfe sei dank öffentlicher Mittel der Aktion „Nachbar in Not“ und einer „großartigen Spendenbereitschaft“ möglich geworden.

„Helfer sind müde und erschöpft“

„Aber die Helfer sind müde, erschöpft, sie machen sich Sorgen um das Anhalten der Solidarität in Europa.“ Viele Schulen und Sporthallen seien zu Quartieren für die Binnenflüchtlinge geworden, allein in der zentralen Essensausgabe in Uschhorod würden pro Tag 3.000 bis 5.000 warme Mahlzeiten serviert. Nach Schätzungen ist die Bevölkerung der westukrainischen Stadt mittlerweile durch die Flüchtlinge aus dem Osten stark angewachsen (von rund 150.000 auf bis zu 250.000).