Szene aus dem Film „Alles ist gutgegangen“
Carole Bethuel/Mandarin Production/Foz
Sterbehilfe

Eine neue Rolle für Sophie Marceau

Ein alter Mann wird nach einem schweren Schlaganfall zum Pflegefall und fordert von seiner Tochter Unterstützung beim Sterben. Darf er das? Die Literaturverfilmung „Alles ist gut gegangen“ schildert keine theoretische Situation, sondern die wahre Erfahrung einer Schriftstellerin mit ihrem Vater – mit Sophie Marceau („La Boum“) in der Hauptrolle.

Der Anruf trifft sie mitten im Leben. „Nach dem Aufwachen konnte Papa nicht mehr aufstehen und eine Körperhälfte war gelähmt“, berichtet ihre Schwester Pascale (Geraldine Pailhas). Natürlich eilt Emmanuele (Marceau) sofort ins Spital, an die Seite ihres Vaters. Und da liegt er, mit hängendem Mundwinkel, zornig, fassungslos. Ihm passiert so etwas, dem energetischen Kunstsammler Andre Bernheim (gespielt von Andre Dussollier), der immer alle anderen mitgerissen hat! Es ist unerhört.

Dass jeder Körper hinfällig wird, unaufhaltsam, und dass es alle trifft, auch jene, die sich mit aller Kraft dagegenstemmen, ist im Grunde nicht hinnehmbar. Emmanueles Vater hat sein Leben immer mit doppelter Intensität gelebt, mit Ehefrau (Charlotte Rampling), zwei Töchtern und ständig wechselnden Liebhabern. Jetzt, Anfang 80, soll er nur mehr im Bett liegen, ungezuckerten Tee aus einer Plastikschnabeltasse nuckeln und still seinen eigenen Verfall beobachten.

Szene aus dem Film „Alles ist gutgegangen“
Carole Bethuel/Mandarin Production/Foz
Papa will nicht mehr. Sophie Marceau und Geraldine Pailhas als Schwestern, Andre Dussollier als bettlägriger Vater

Zwar sind leichte Verbesserungen noch möglich. Im Laufe der folgenden Wochen lernt Andre wieder ein paar einfache Handgriffe, kann sogar wieder nach Hause zurückkehren. Doch der Gedanke ist ihm unerträglich, dass er sein restliches Leben auf Hilfe angewiesen sein wird. Und so bricht er das ultimative Tabu – und bittet seine Lieblingstochter Emmanuele, ihm beim Sterben zu helfen.

Denkmal für eine Freundin

Die eigene Sterblichkeit ist eine Zumutung, doch die Zumutung einer solchen Aufforderung an das eigene Kind ist noch viel gewaltiger. In ihrem Roman „Alles ist gut gegangen“ (2014 auf Deutsch erschienen) hat die Schriftstellerin Emmanuele Bernheim aufgeschrieben, wie es ist, wenn einen der Vater vor dieses ethische Dilemma stellt. Die Verfilmung unter der Regie von Francois Ozon ist ein merkwürdiger Film, vielleicht auch deswegen so uneinheitlich, weil Ozon Bernheim als enge Freundin empfand.

Bernheim, die nur wenige Jahre nach ihrem Vater verstorben war, hatte mehrfach mit Ozon an Drehbüchern zusammengearbeitet, unter anderem für die Filme „5x2“ und „Unter dem Sand“. Mit dem Film setzt Ozon seiner langjährigen Freundin und Schreibpartnerin ein Denkmal, wie er gegenüber ORF.at sagt: „Ihre Geschichte zu erzählen, war eine Möglichkeit, wieder Zeit mit ihr zu verbringen. Es geht mir im Film nicht um Sterbehilfe, das war nicht mein Ziel. Ich wollte die spezielle Beziehung zwischen dem Vater und seiner Tochter erzählen.“

Diese Beziehung schildert Marceau im Interview als hoch kompliziert: „Andre ist ein Vater, der seinen Töchtern gegenüber das Prinzip von ‚teile und herrsche‘ verfolgt, und sie gegeneinander aufzuhetzen versucht – aber die Schwestern haben die Strategie ihres Vaters erkannt.“ Dass Pascale und Emmanuele zusammenhalten, sei in Wahrheit ein Akt des Widerstandes gegenüber den Forderungen des Vaters. Die Lieblingstochter zu sein, ist für Emmanuele kein Vorteil, im Gegenteil: Sie ist es, an die er sich mit seiner unerhörten Bitte wendet.

Und dann kommt die Polizei

Für die Mutter von Emmanuele und Pascale, die Bildhauerin Claude Bernheim (Rampling), ist der bevorstehende Tod ihres bisexuellen, promiskuitiven Ehemannes fast wie ein weiteres seiner Abenteuer, das er ohne sie bestehen wird. Doch nicht nur die eigene Trauer und ethische Bedenken, auch ganz konkrete Hindernisse stehen der Erfüllung seines Wunsches im Weg. Als Andres amerikanische Cousine von dem Plan erfährt, reist sie entsetzt an und versucht ihn, davon abzubringen. Plus: Einer seiner einstigen jüngeren Liebhaber taucht auf und will ständig Geld.

Szene aus dem Film „Alles ist gutgegangen“
Carole Bethuel/Mandarin Production/Foz
In einer ehrenamtlichen Sterbehilfebegleiterin (Hanna Schygulla) findet Emmanuele eine warmherzige Gesprächspartnerin

Und dann ist da noch der rechtliche Aspekt: Aktive Sterbehilfe ist in Frankreich verboten. Der Weg muss also zu einem Sterbehilfeverein in die Schweiz führen. Ob es dazu kommt, sei hier nicht verraten. Fast slapstickhaft wirken manche Szenen, in denen es ums Sterben geht. „Pascale erzählt heute noch, dass sie viel gelacht hat damals, weil das alles wie ein großes Abenteuer war“, so Ozon. „Es war so viel zu organisieren, sie hatten mit der Polizei zu tun, es passierte so vieles an Absurditäten.“

Literaturhinweis

Emmanuele Bernheim: „Alles ist gut gegangen“. Hanser, 208 Seiten, Emmanuele Bernheim, 19,90 Euro.

Die richtige Balance zu finden, gelingt dem Film bis zum Schluss nicht ganz, aber vielleicht liegt gerade darin seine Wahrhaftigkeit: „Andre schaut dem Tod gerade ins Auge, er hat keine Angst, und das wirkt wie schwarzer Humor“, so Ozon. „Ich liebe es, wie frei dieser Mann ist, auch wenn ich seine Selbstsucht und die Bitte an seine Tochter um Sterbehilfe pervers finde.“ „Alles ist gut gegangen“ ist ein fragmentarischer Film über eine ungewöhnliche Familienkonstellation in einer absoluten Ausnahmesituation und über den Versuch einer Frau, dem allen liebevoll zu begegnen und daran selbst nicht kaputtzugehen.