Ein Mähdrescher auf einem Weizenfeld in Russland
Reuters/Eduard Korniyenko
Verknappung

Ukraine-Krieg lastet auf Weltwirtschaft

Der Krieg in der Ukraine lastet schwer auf der Weltwirtschaft. Sowohl die Europäische Zentralbank (EZB) als auch der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank haben heute vor einer Verschlechterung der Lage gewarnt. Insbesondere für ärmere Länder sind die Folgen der russischen Invasion katastrophal.

Am Donnerstag kündigte der IWF an, seine Prognose für das Wachstum der Weltwirtschaft vor allem wegen des Ukraine-Krieges erneut nach unten zu korrigieren. Für 143 Staaten, die zusammen 86 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung repräsentieren, werde die Wachstumsprognose in der kommenden Woche gesenkt, sagte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa.

Für die Ukraine sei mit „katastrophalen wirtschaftlichen Einbußen“ zu rechnen, für Russland mit einem „starken Einbruch“, sagte Georgiewa. Viele andere Länder sähen sich wegen des Krieges Störungen der Handelsbeziehungen und Verzerrungen der Rohstoffmärkte ausgesetzt. Insgesamt würden die Erwartungen für die meisten Nettoimporteure von Nahrungsmitteln und Energierohstoffen gesenkt. Für viele Länder werde es jetzt noch länger dauern, auf den Wachstumspfad vor der Coronavirus-Pandemie zurückzukommen.

Geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds, Kristalina Georgieva
APA/AFP/Daniel Leal
Georgiewa gab am Donnerstag keinen positiven Ausblick auf die Weltwirtschaft

Auch der weitere wirtschaftliche Ausblick sei „außergewöhnlich unsicher“, sagte die IWF-Chefin weiter. „Der Krieg und Sanktionen könnten eskalieren. Es könnte neue Covid-Varianten geben. Ernten könnten ausfallen.“ Russland und die Ukraine hätten vor dem Krieg rund 28 Prozent der globalen Weizenexporte gestellt, Russland und Belarus 40 Prozent des wichtigen Düngemittels Kalisalz. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln sei daher Anlass zu „großer Sorge“.

„Soziale Katastrophe“

Auch Weltbank-Präsident David Malpass warnte angesichts der steigenden Preise vor einer dramatischen Verschlechterung der Lebensbedingungen in Entwicklungsländern. „Die hohe Inflation ist für viele ärmere Staaten eine wirtschaftliche und soziale Katastrophe“, sagte er der „Wirtschaftswoche“. Je ärmer ein Land sei, desto schlechter könne es sich vor steigenden Preisen schützen.

Malpass forderte deshalb einen weitreichenden Schuldenerlass für die ärmsten Länder. „Der Krieg in der Ukraine sollte jetzt zu einem Umdenken in den reichen Ländern führen. Wir müssen die armen Staaten von ihren erdrückenden Schulden befreien.“ Teurere Rohstoffimporte trieben in den Entwicklungsländern derzeit die Verschuldung nach oben. Verstärkt werde das noch durch die steigenden Zinsen.

Laut Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) werden dieses Jahr die Kosten für die Hilfsangebote in Westafrika wegen des Krieges um 128 Millionen Euro steigen. Wegen des Konfliktes seien Häfen und Lieferanten nicht mehr zugänglich. Lieferungen aus dem Schwarzmeerraum verzögerten sich oder werden gestrichen, was die Arbeit des WFP in Westafrika beeinträchtige. Durch Preissteigerungen entstandene zusätzliche Kosten hätten beispielsweise tägliche Schulmahlzeiten für sechs Millionen Schulkinder über ein halbes Jahr finanzieren können, so das WFP.

Knappheit könnte sich verschärfen

Ähnlich äußerte sich auch EZB-Chefin Christine Lagarde. „Der Krieg belastet bereits jetzt die Zuversicht von Unternehmen und Verbrauchern, auch durch die Unsicherheit, die er mit sich bringt“, sagte sie nach der Zinssitzung. Handelsunterbrechungen führten zu neuen Materialengpässen. Steigende Energie- und Rohstoffpreise drückten die Nachfrage und hemmten die Produktion. „Die Abwärtsrisiken für die Wachstumsaussichten haben infolge des Krieges in der Ukraine erheblich zugenommen.“

Präsidentin der EZB, Christine Lagarde
AP/Pool Photo/Daniel Roland
Lagarde stimmte sich am Donnerstag mit ihren Kollegen und Kolleginnen über die Zinspolitik der EZB ab

Laut Lagarde wird die Konjunkturentwicklung entscheidend vom weiteren Verlauf des Krieges abhängen sowie von den Auswirkungen der beschlossenen Sanktionen und von möglichen weiteren Maßnahmen. „Während die Risiken im Zusammenhang mit der Pandemie zurückgegangen sind, könnte sich der Krieg noch stärker auf die wirtschaftliche Stimmung auswirken und die Knappheiten auf der Angebotsseite weiter verschärfen“, sagte Lagarde.

Trübes Bild für größte Volkswirtschaft

Die Konjunktursorgen in der 19-Ländergemeinschaft hatten wegen des Ukraine-Krieges zuletzt stark zugenommen. Für Deutschland, der größten Volkswirtschaft im Euro-Raum, zeichneten Ökonomen und Ökonominnen zuletzt ein eher trübes Bild. Zum Teil haben die Volkswirte ihre Wachstumsschätzungen sogar halbiert. Auch in Italien wird inzwischen mit einem deutlich geringeren Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) gerechnet.

EZB: Zinsen bleiben bei null

Die Europäische Zentralbank lässt den Leitzins weiterhin bei null Prozent, stellt aber einmal mehr das Ende der Anleihekäufe in Sicht. Dieser Schritt ebnet den Weg für eine Zinswende.

Die Rekordinflation im Euro-Raum beschäftigt auch die Zinspolitik der EZB. „Der Inflationsdruck hat sich über viele Sektoren hinweg intensiviert“, betonten die Währungshüter. Sie stellen sich darauf ein, dass er auch in den kommenden Monaten hoch bleiben wird, vor allem aufgrund des starken Anstiegs der Energiekosten. Lagarde signalisierte, dass die Zeiten der milliardenschweren Anleihenkäufe gezählt sind und „sehr wahrscheinlich“ im Sommer enden werden. In einem zweiten Schritt soll dann das Ende der Nullzinsära eingeläutet werden.