Russischer Verteidigungsminister Sergei Shoigu
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Schoigu vergiftet?

Wilde Gerüchte über russischen Minister

Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu ist seit Beginn des Ukraine-Krieges nahezu von der Bildfläche veschwunden. Schon länger wird vermutet, dass er einen Herzinfarkt erlitten haben soll. Nun kursieren wilde Gerüchte darüber, wie es dazu gekommen sein könnte. Die Rede ist unter anderem von einem Giftanschlag.

Dass Schoigu einem Mordanschlag zum Opfer gefallen sei, schreibt die britische Boulevardzeitung „Daily Mail“ unter Berufung auf den russisch-israelischen Geschäftsmann Leonid Newslin. Dieser behauptet, dass der 66-Jährige auf der Intensivstation liege, weil er einen „schweren Herzinfarkt“ erlitten habe, der jedoch „nicht auf natürliche Weise“ zustande gekommen sein könne.

Demnach könnte Schoigu vergiftet worden sein, nachdem der Plan von Russlands Präsidenten Wladimir Putins, die Ukraine innerhalb weniger Tage einzunehmen, gescheitert ist. „Schoigu ist außer Gefecht gesetzt und wenn er überlebt, könnte er behindert sein“, zitiert „Daily Mail“ Newslin. Beweise dafür legte dieser keine vor, doch dem Putin-Gegner, der im israelischen Exil Israel lebt, werden enge Kontakte nach Russland nachgesagt.

Vergebliche Kontaktaufnahme der USA

Anton Geraschtschenko, Mitarbeiter im ukrainischen Innenministerium, schrieb laut dem britischen Blatt „The Sun“ auf Facebook, dass Schoigu den Herzinfarkt nach einer Konfrontation mit Putin erlitten habe. Andere Gerüchte besagen, dass Schoigus Verschwinden darauf zurückzuführen sei, dass Putin ihn angewiesen habe, von einem abgelegenen Atombunker im Ural aus zu operieren.

Vladimir Putin und Sergei Shoigu
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Schoigu gilt seit vielen Jahren als Putins rechte Hand (hier beim Besuch einer Militärübung 2021 in Nischni Nowgorod)

Von unabhängiger Seite lassen sich all diese Behauptungen nicht bestätigen. Aber erst am Donnerstag gab das US-Verteidigungsministerium an, ein Versuch der USA, mit Schoigu in Kontakt zu treten, sei zuletzt erfolglos geblieben. Bei dem Vorstoß vor weniger als einer Woche habe Russland kein Interesse an einem Gespräch gezeigt, sagte ein Sprecher des Pentagons.

Angeblich 20 Generäle verhaftet

Newslin behauptete außerdem, dass 20 russische Generäle in Russland verhaftet und angeklagt worden seien. Seinen Angaben zufolge sollen sie bis zu zehn Milliarden Dollar, die Putin zur Vorbereitung des Blitzkriegs in der Ukraine zur Verfügung gestellt wurden, veruntreut haben. Laut Newslin wurde seit der Annexion der Halbinsel Krim im Jahr 2014 „das gesamte Hauptquartier“ unter Hausarrest gestellt.

Leonid Nevzlin
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Der 62-jährige Ex-Oligarch Leonid Newslin lebt im Exil in Israel

Das wiederum würde die extrem schlechte Ausrüstung vieler russischer Einheiten in der Ukraine erklären, so die „Daily Mail“. Sollten sich Newslins Behauptungen als wahr erweisen, würde das den Verdacht bestätigen, dass zwischen Putin und den ranghöchsten Mitgliedern der russischen Armee und der Sicherheitsdienste eine große Kluft besteht.

Putin wurde nach Erkenntnissen westlicher Geheimdienste falsch über die Lage in der Ukraine informiert. „Wir würden der Schlussfolgerung zustimmen, dass Herr Putin von seinem Verteidigungsministerium im letzten Monat nicht vollständig informiert wurde“, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, Ende März.

Kreml dementiert Spekulationen

In den vergangenen Wochen hatte bereits das zeitweilige Verschwinden Schoigus Fragen über dessen Beziehung zu Putin aufgeworfen. Der Kreml wiederum versuchte, Gerüchte um Schoigu im Keim zu ersticken, und veröffentlichte einige Videos, auf denen der Minister zu sehen ist. Dabei soll es sich aber um zuvor aufgezeichnetes Material handeln. Ursache für seine Abwesenheit sei, dass der Verteidigungsminister „im Moment viel zu tun“ habe, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

Vladimir Putin und Sergei Shoigu beim Fischen, 2017
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Schoigu und Putin inszenieren sich im gemeinsamen Sommerurlaub beim Angeln mit nacktem Oberkörper

Schoigu wurde 2012 zum Verteidigungsminister ernannt und galt viele Jahre als rechte Hand Putins. Die gemeinsamen Sommerurlaube mit Bärenjagd in Sibirien sind auch wegen der dabei produzierten Fotos Legende. Am 24. Februar 2022 begann unter Schoigus Führung der russische Überfall auf die Ukraine. Seit dem 11. März trat er nicht mehr öffentlich in Erscheinung.

„Alles, was Putin anfasst, stirbt“

Newslin gehörte vor seiner Flucht nach Israel der Führungsriege der russischen Ölfirma Jukos an, die von Putin zerschlagen wurde. 2008 wurde er in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Wiederholt bezeichnete der ehemalige Oligarch Putin als „Psychopathen“, im vergangenen Monat gab er bekannt, seinen russischen Pass zurückzugeben, und erklärte, „alles, was Putin anfasst, stirbt“.