Das 186 Meter lange Schiff war bereits der Stolz der sowjetischen Seestreitkräfte, als es 1979 in der Werft von Mykolaiw in der damaligen Sowjetrepublik Ukraine zu Wasser gelassen wurde. Michael Petersen vom Russia Maritime Studies Institute (RMSI) der US-Navy sprach gegenüber der BBC von einem „Symbol der russischen Seemacht im Schwarzen Meer“.
In der Geschichte der modernen russischen Marine gibt es Schiffe, die weit mehr als die Seemacht eines Landes verkörpern, und „das Flaggschiff der Schwarzmeerflotte (…) ist genau so ein Schiff“, schreibt dazu die „Moscow Times“ mit Verweis auf Angaben aus einer russischen Militärzeitschrift. Die „Moskwa“ könne „zu Recht als das Rückgrat der russischen Seestreitkräfte im Schwarzmeerraum bezeichnet werden“, wie es im angesprochenen „Militaryarms“-Artikel aus dem Jahr 2017 dazu weiter heißt.

Putin zusammen mit Kutschma an Bord
Zu Sowjetzeiten unter dem Namen „Slawa“ (Ruhm) in Betrieb genommen, wurde das nach einer Intervention des Bürgermeisters von Moskau, Juri Michailowitsch Luschkow, vor der Verschrottung gerettete Schiff im Mai 1996 auf den Namen „Moskwa“ umgetauft und zuletzt zwischen 2018 und 2020 grunderneuert und modernisiert. Als drittgrößtes Schiff der russischen Flotte spielte der nuklearwaffentaugliche Kreuzer auf militärischer Ebene dann weiter eine Schlüsselrolle.
Immer wieder war das Schiff auch auf diplomatischer Ebene im Einsatz – im Dezember 1989 etwa bei einem Gipfeltreffen vor Malta, bei dem sich der damalige Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), Michail Gorbatschow, mit US-Präsident George Bush witterungsbedingt dann aber auf dem Kreuzfahrtschiff „Maxim Gorki“ traf.
Nur kurz nach seiner ersten Wahl zum russischen Präsidenten besuchte Wladimir Putin im Jahr 2000 zusammen mit seinem damaligen ukrainischen Amtskollegen Leonid Kutschma das in Sewastopol auf der Krim vor Anker liegende Schiff. Putin war in der Folge immer wieder mit hochrangigen Gästen an Bord der „Moskwa“. Im August 2014 empfing er vor Sotschi etwa den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi und bei einem Besuch in Italien den dortigen Regierungschef Silvio Berlusconi.

Mit „f… dich“ in die Schlagzeilen
Erstmals in einem bewaffneten Konflikt kam das Schiff in Georgien im August 2008 zum Einsatz. Nachdem sich Russland auf der Seite des Machthabers Baschar al-Assad in den Syrien-Krieg eingeschaltet hatte, wurde die „Moskwa“ zwischen September 2015 und Jänner 2016 im östlichen Mittelmeer eingesetzt.
Nun war der Raketenkreuzer auch an Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine beteiligt. Zusammen mit der „Wassili Bykow“ nahm das Schiff bereits am ersten Tag der russischen Inavison die nahe der rumänischen Grenze gelegene ukrainische Schlangeninsel ins Visier. Der Funkverkehr mit den ukrainischen Grenzschützern auf der Insel ging viral: Auf die Aufforderung, sich zu ergeben, antworteten die nach einem Beschuss dann festgenommenen und mittlerweile wieder freigelassenen Grenzwächter: „Russisches Kriegsschiff, f… dich“.

„Die ‚Moskwa‘ war den Ukrainern seit Beginn des Konflikts ein Dorn im Auge“, so Militäranalyst Petersen, weswegen die von Kiew nun zelebrierte Versenkung wohl „ein echter Moralschub für die Ukrainer“ sei. Russland habe nun „einen bedeutenden Teil seiner Seekapazitäten im Schwarzen Meer und seine Fähigkeit, Ziele in der Ukraine zu treffen, verloren“, sagte dazu Militärexperte Pawel Luschin gegenüber der „Moscow Times“.
„Sichtbarster Aktivposten im Ukraine-Krieg“
Die „Moskwa“ spielte im Ukraine-Krieg vor allem als Drehscheibe für die Koordinierung von Seeangriffen eine zentrale Rolle. Eine weitere Aufgabe bestand darin, andere im Kriegseinsatz befindlichen russische Schiffe zu schützen. Bei CNN ist von Russlands „sichtbarsten Aktivposten im Ukraine-Krieg“ die Rede. Der größte Kriegsverlust eines Marineschiffs seit 40 Jahren dürfte auch die russische Moral schwer treffen, wie der US-Sender dazu anmerkt. „Das wirft Fragen über die Kompetenz der Marine auf“, sagte gegenüber CNN der ehemalige US-Marine-Kapitän Carl Schuster, und diese Zweifel würden „bis in den Kreml reichen“.
Russlands Präsident Putin habe vor rund zehn Jahren angekündigt, die Moral und die Professionalität der Marine wiederherstellen zu wollen, so Schuster, der mit Blick auf Russlands weitere Rückschläge im Ukraine-Krieg zum Schluss kommt: „Es scheint, dass er (Putin, Anm.) keines seiner Versprechen für irgendeinen der russischen Militärdienste einhalten konnte.“
„Leicht 700 Millionen“
Russland habe seit dem Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar Tausende Ausrüstungsgegenstände verloren – darunter Hunderte Panzer, zig Flugzeuge und das Landungsschiff „Saratow“ – der Verlust der „Moskwa“ ist der bisher teuerste, so das US-Nachrichtenmagazin Newsweek mit Verweis auf eine Auflistung des ukrainischen Ablegers des Finanzmagazins „Forbes“. Der Chefredakteur des Special Operation Forces Report (SOFREP) teilt gegenüber Newsweek dann auch die in diesem Zusammenhang genannten Zahlen: Es könne „leicht 700 Millionen Dollar (644 Mio. Euro) kosten, um das Schiff zu ersetzen“.
Erinnerung an Argentiniens „General Belgrano“
Ein vergleichbares Schiff ist CNN-Angaben zuletzt im Jahr 1982 während des Falkland-Kriegs versenkt worden. Die von einem britischen U-Boot torpedierte „General Belgrano“ war demnach „ähnlich groß“ wie die „Moskwa“, hatte mit rund 1.100 Mann aber eine rund doppelt so große Besatzung.

Beim Untergang der „General Belgrano“ starben insgesamt 323 Menschen. Ob und wie viele Besatzungsmitglieder nun beim Untergang der „Moskwa“ ums Leben kamen, ist indes eine weitere von vielen noch offenen Fragen. Vom russischen Verteidigungsministerium war bisher lediglich von einer Evakuierungsaktion die Rede. So wie die Zahl der von Bord geholten Besatzungsmitglieder bleibt zudem weiter offen, ob – wie im Netz derzeit vielfach spekuliert wird – auch Nuklearwaffen an Bord waren, und der Kommandant der Schwarzmeerflotte, Igor Osipow, tatsächlich infolge des „Moskwa“-Untergangs abgesetzt und verhaftet wurde.