Bundesheer-Experte: Nuklearschlag „nicht undenkbar“

Der Leiter des ABC-Abwehrzentrums des Bundesheeres, Oberst Jürgen Schlechter, erachtet einen nuklearen Schlag mit Kurz- und Mittelstreckenwaffen im Ukraine-Krieg als „nicht undenkbar. Die Wahrscheinlichkeit eines Einsatzes durch die Russen steigt mit dem nachhaltigen Widerstand der ukrainischen Streitkräfte“, erklärte der Militärexperte in einem Interview, das auf der Website des Verteidigungsministeriums veröffentlicht wurde.

Taktische Nuklearwaffen, auch nukleare Gefechtsfeldwaffen genannt, „sollen ähnlich wie konventionelle Waffen zur Bekämpfung gegnerischer Streitkräfte eingesetzt werden – wenn sich eben konventionelle Kampfmittel als zu schwach erweisen“, erklärt Schlechter weiter. Der relativ geringe Wirkradius solle einen Einsatz nahe an den eigenen Positionen erlauben. Ein weiterer Vorteil sei, dass diese Waffe mit Lkws schnell transportiert und von der angreifenden Truppe an Ort und Stelle abgefeuert werden könne.

Schwerste Zerstörungen

Schlechter betont: „Die Bezeichnung ‚taktisch‘ kann aber insofern missverstanden werden, als dass bereits diese Waffen schwerste Zerstörungen anrichten und erhebliche Radioaktivität freisetzen können.“ Das Schadensausmaß sei abhängig von der Sprengkraft und der Detonationsart.

Die kleinste taktische Atomwaffe haben laut dem Experten eine Sprengkraft von circa 0,3 Kilotonnen (kT). Eine Nuklearwaffe mit 10 kT, vergleichbar mit der Hiroshima-Bombe, hätte zerstörerische „Primärwirkungen“: Die Druckwelle und Hitzestrahlung würden bei einer Bodendetonation ein Gebiet von etwa ein bis zwei Quadratkilometer betreffen.

Österreich wäre mittelbar betroffen

Österreich wäre von den Primärwirkungen eines Einsatzes taktischer Atombomben zwar nicht unmittelbar betroffen. Aber im Falle eines radioaktiven Niederschlages könnte es zur Verbreitung der radioaktiven Partikel kommen. Das werde von den Experten am ABC-Abwehrzentrum in Korneuburg aufgrund der Wetterlage beurteilt. Auch eine eingeschleppte Kontamination durch Personen oder Fahrzeuge aus dem Gebiet, in dem sich radioaktiver Niederschlag ausgebreitet hat, sei möglich: „Diese müssten nach einer Überprüfung der Strahlenwerte einer Dekontamination zugeführt werden“, sagt Schlechter, was die ABC-Abwehrtruppe auch schon nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl 1986 durchgeführt habe. Außerdem müsse mit einer Verstrahlung von Lebensmitteln und anderen Handelswaren gerechnet werden, so der Bundesheer-Experte.