Emmanuel Macron
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Macron in Marseille

Wahlkampf im Land der Unzufriedenen

In einer Woche geht Frankreichs amtierender Präsident Emmanuel Macron in die Stichwahl gegen die Rechtspopulistin Marine Le Pen. Ihre Chancen stehen dieses Mal weit besser als vor fünf Jahren. Am Samstag ging Macron in Marseille in die Offensive – ein hartes Terrain für den Amtsinhaber. In der ersten Runde der Wahl erlangte er hier nur Platz drei.

„Macron – Präsident“ skandierten am Samstag Macrons Anhängerinnen und Anhänger vor der malerischen Kulisse der Küstenstadt. Der amtierende Präsident trat mit großen Worten vor seine Leute. Am Sonntag in einer Woche gebe es nicht nur die Wahl zwischen zwei Köpfen. „Es ist in der Tat eine zivilisatorische Wahl: eine gemeinsame Zukunft aufzubauen oder sie zu gefährden“, so Macron.

Die Wahl sei ein Referendum für oder gegen die Europäische Union, für oder gegen Ökologie, für oder gegen die Republik. „Wenn Ihr den Humanismus nicht aufgeben wollt, wenn Ihr diese Zivilisation des 21. Jahrhunderts nicht aufgeben wollt, wenn Ihr den Aufbau einer großen ökologischen Nation nicht aufgeben wollt, dann schließt Euch uns an“, so Macron. Der Kampf gegen die Klimakrise sei der „Kampf des Jahrhunderts“. Für den Fall seiner Wiederwahl kündigte Macron an, dass sein nächster Premier direkt mit dem Klimathema befasst sein soll, flankiert von zwei neuen Klimaministerien.

Harte erste Runde

Die Inszenierung unter strahlendem Sonnenschein war makellos, die Fans eingeschworen. Doch das sollte nicht über Macrons Schwierigkeiten im Süden Frankreichs hinwegtäuschen, der in der ersten Wahlrunde vor wenigen Tagen hier kaum ein Departement gewann.

Französische Präsidentschaftswahl 2022. Stärkste Kandidaten pro Departement in der ersten Runde.

In Bouches-du-Rhone, das Marseille umgibt, gewann Le Pen mit 26 Prozent, Macron kam mit knappen 23 Prozent erst nach dem Linksaußenpolitiker Jean-Luc Melenchon auf Platz drei. Marseille gilt als älteste Stadt Frankreichs, doch die sozialen Probleme und der grassierende Drogenhandel sorgen immer wieder für negative Schlagzeilen.

Lektion gelernt

Le Pen stellt sich – anders als vor fünf Jahren, als sie schon einmal gegen Macron in der Stichwahl verlor – nun als härtere Gegnerin heraus. Der Amtsinhaber führt mit rund 56 Prozent in den Umfragen, doch die Kluft ist überwindbar. Le Pen lernte aus ihrer Niederlage und präsentierte sich seither gemäßigter als zuvor.

Marine Le Pen
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Le Pen hat heuer bessere Chancen als noch vor fünf Jahren

Ihr primäres Wahlkampfthema war heuer nicht die Migration, sondern die Kaufkraft, für viele Franzosen ein beherrschendes Wahlmotiv. Le Pens Rassemblement National dürfte auch angesichts der Abkehr von der Russland-Freundlichkeit für viele wählbar geworden sein, Le Pen verurteilte den Einmarsch in die Ukraine als klare Verletzung internationalen Rechts. Auch vom zunächst propagierten EU-Ausstieg Frankreichs hat sich Le Pen verabschiedet, sie will nun vor allem aus ihrer Sicht für das Land ungünstige Freihandelsabkommen aufkündigen.

Verhinderung als Wahlmotiv

Macron hingegen stieg erst äußerst spät in den Wahlkampf ein – er konnte sich zwar in der Ukraine-Krise als Staatsmann präsentieren, innenpolitisch überließ er zeitweilig aber anderen das Feld. Heute ist er im Gegensatz zu damals ein Teil der politischen Elite, die er bekämpfen wollte. Kritiker werfen ihm vor, die Mittelschicht zu vernachlässigen, die die Teuerung spürt.

Dem von politischen Gegnern gezeichneten Bild eines kalten Liberalen versuchte Macron unter anderem mit dem Versprechen zu begegnen, Jobs in Krankenhäusern und Pflegeheimen zu schaffen. Auch warnte er vor voreiliger Siegesgewissheit – ein Appell an seine Landsleute, an den Wahlurnen denn auch wirklich wieder eine Rechtsextreme im Elysee-Palast zu verhindern.

Grafik zur Wahl in Frankreich
Grafik: APA/ORF.at; Fotos: AFP; Quelle: Franz. Innenministerium

Das Ergebnis der Stichwahl am 24. April dürfte stark davon beeinflusst werden, wem es besser gelingt, Wählerinnen und Wähler über das eigene Lager hinaus zu überzeugen. Macron wird von Prominenten unterstützt, auch die Sozialisten stehen nun hinter ihm, um Le Pen zu verhindern. Sie affichieren Plakate, die gegen die extreme Rechte aufrufen, Macron zu wählen. „Wir haben alle Lust, scheiße zu sagen, aber gegenüber der Rechtsextremen – wählen wir Macron“, heißt es etwa.

Das geringere Übel

Für viele in Marseille und darüber hinaus gibt es nur die Wahl des geringeren Übels. Die jungen Französinnen und Franzosen, jene in prekären Verhältnissen und von der Inflation geplagt,
entschieden sich in der ersten Wahlrunde für den linken Melenchon, der mit 22 Prozent ein Achtungsergebnis einfuhr. Kann Macron sie nicht überzeugen, in einer Woche zur Wahlurne zu gehen, wird es für ihn denkbar knapp.

Jene, die den rechtsextremen Eric Zemmour wählten, dürften sich auf Le Pens Seite schlagen. Ein Sieg Macrons ist damit keineswegs hausgemacht. Am Mittwoch findet die einzige Debatte zwischen den beiden statt, sie könnte wahlentscheidend sein.