Chefin der russischen Zentralbank Governor Nabiullina
Reuters/Evgenia Novozhenina
Russische Zentralbankchefin

Wirtschaft muss sich neu aufstellen

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Russland unter Präsident Wladimir Putin gegenüber dem Westen völlig isoliert. Die internationalen Sanktionen sind ein Schlag gegen den russischen Finanzmarkt und belasten auch die Wirtschaft immer stärker – und das am Ende wohl in einem Ausmaß, dass sich die russische Zentralbank für eine Neuaufstellung ausspricht, auch angesichts schwindender Finanzreserven.

„Der Zeitraum, in dem die Wirtschaft von den Reserven leben kann, ist endlich“, sagte Zentralbankchefin Elvira Nabiullina am Montag. Bereits im Frühjahr und Sommer werde eine Phase des Strukturwandels und der Suche nach neuen Geschäftsmodellen beginnen. Die Sanktionen hätten sich bisher vor allem auf den Finanzmarkt ausgewirkt. „Aber jetzt werden sie sich zunehmend auch auf die Wirtschaft auswirken“, warnte Nabiullina.

Die Hauptprobleme dürften in den Importbeschränkungen und der schwieriger gewordenen Logistik im Außenhandel liegen. Auch die Exportbeschränkungen dürften sich zunehmend bemerkbar machen. „Russische Hersteller werden nach neuen Partnern und Logistikmöglichkeiten suchen oder auf die Produktion von Produkten früherer Generationen umsteigen müssen“, sagte Nabiullina.

„All das wird Zeit brauchen“

Die Exporteure wiederum müssten sich nach neuen Abnehmern umschauen. „All das wird Zeit brauchen“, sagte die Zentralbankerin. Bereits zuletzt hatte Nabiullina gemeint, dass sich die Wirtschaft des Landes angesichts der Sanktionen in einer „extremen“ Situation befinde. „Wir alle hätten uns sehr gewünscht, dass das nicht passiert wäre“, wurde sie zitiert, was zuletzt bereits Gerüchte anheizte, Nabiullina würde aus Protest gegen den Krieg abtreten wollen.

Und weil eine Vielzahl ausländischer Unternehmen dem Land rasch den Rücken gekehrt hatte und Geschäftstätigkeiten damit verschwanden, bedeutet das auch einen Anstieg von Arbeitslosigkeit: Allein für die Hauptstadt Moskau wird ein Verlust von 200.000 Arbeitsplätzen befürchtet, wie Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin am Montag sagte. Die Stadtverwaltung wolle Arbeitslose mit Schulungen und gesellschaftlich wichtigen Aufgaben unterstützen, schrieb Sobjanin in seinem Blog.

17,49 Prozent Teuerungsrate

All das findet in einer Teuerungswelle statt – denn auch in Sachen Inflation gibt Zentralbankchefin Nabiullina keine Entwarnung. Es werde bis zum Jahr 2024 dauern, bis die Teuerungsrate wieder das Ziel von vier Prozent erreicht habe. Aktuell liegt sie mit 17,49 Prozent auf dem höchsten Stand seit mehr als 20 Jahren, da sich seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine fast alles verteuert hat – von Zucker über Gemüse bis hin zu Smartphones und Bekleidung.

Präsident Wladimir Putin klang weit weniger pessimistisch. Die Inflation habe sich bereits stabilisiert, während sich zugleich die Nachfrage im Einzelhandel normalisiert habe, sagte er bei einem Videogespräch mit hochrangigen Regierungsvertretern. Russland solle seinen Haushaltsspielraum für eine stärkere Unterstützung der heimischen Wirtschaft nutzen. Die Bereitstellung von Liquidität könne angesichts einer schrumpfenden Kreditvergabe gestützt werden, sagte der Präsident.

Putin will Konsum ankurbeln

Zugleich forderte Putin die Regierung dazu auf, die Einkommen von Staatsbediensteten und Pensionisten sowie die Sozialleistungen anzuheben. Sie sollten der Inflation angepasst werden, sagte der Kreml-Chef bei einer Regierungssitzung. Der „Blitzkrieg“ des Westens gegen die russische Wirtschaft sei gescheitert, so Putin. Er wies die Regierung an, frisches Geld in die Wirtschaft zu pumpen, um den Konsum anzukurbeln. „Jetzt ist es äußerst wichtig, die Binnennachfrage zu unterstützen, ihre übermäßige Schrumpfung zu verhindern“, so Putin.

Weitere Zinssenkungen signalisiert

Die russische Zentralbank hat als Reaktion auf die Sanktionen ihren Leitzins zunächst auf 20 Prozent mehr als verdoppelt. Sie senkte ihn dann aber in diesem Monat auf 17 Prozent. Nabiullina signalisierte nun die Bereitschaft zu weiteren Rücknahmen, mit denen Kredite für Unternehmen wie Verbraucher günstiger würden. „Wir müssen die Möglichkeit haben, den Leitzins schneller zu senken“, sagte Nabiullina. „Wir müssen Bedingungen schaffen, um die Verfügbarkeit von Krediten für die Wirtschaft zu erhöhen.“

Russland will die vom Westen verhängte Blockade russischer Gold- und Devisenreserven nicht hinnehmen. Dagegen seien rechtliche Schritte geplant, sagte Nabiullina. Durch die Sanktionen wurden etwa 300 der insgesamt rund 640 Mrd. Dollar großen Gold- und Devisenreserven eingefroren. Die Zentralbank erwäge, den Verkauf von Devisenerlösen durch Exporteure flexibler zu gestalten, kündigte sie an. Bisher müssen sie 80 Prozent ihrer Devisenerlöse in die Landeswährung Rubel umtauschen.

Russland ist am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert. Westliche Staaten haben daraufhin Sanktionen verhängt, die mehrfach verschärft wurden. So wurde Russland weitgehend vom internationalen Zahlungssystem SWIFT abgeklemmt, der Handel etwa mit Hochtechnologie stark eingeschränkt.