Sophie Karmasin
APA/Georg Hochmuth
Zu wenig überwiesen

Kanzleramt fordert Geld von Karmasin ein

In einem Strang der Ermittlungen gegen Ex-ÖVP-Ministerin Sophie Karmasin gibt es eine neue Entwicklung: Karmasin hatte die von ihr nach dem Ausscheiden aus der Regierung offenbar widerrechtlich bezogene Bezugsfortzahlung erst nach einem ORF-Bericht – und das unvollständig – zurückgezahlt. Das Kanzleramt fordert nun den Restbetrag von Karmasin ein. Und die Staatsanwaltschaft bezweifelt die „tätige Reue“.

Es waren stattliche Summen, die Karmasin nach ihrer Tätigkeit als Ministerin erhielt. 74.141,49 Euro Bezugsfortzahlung zahlte ihr das Bundeskanzleramt zu Beginn des Jahres 2018 aus. 75 Prozent des Bezuges als Ministerin oder Minister bekommt jedes frühere Regierungsmitglied bis zu sechs Monate lang, wenn es auf ein Mandat oder eine Pension kein Anrecht hat – oder eine andere Beschäftigung antritt.

Dieses „Arbeitslosengeld“ für Ministerinnen und Minister ist allerdings an eine wichtige Bedingung geknüpft: Nebentätigkeiten sind verboten. Karmasin hielt sich – so der Verdacht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft – aber nicht daran. Sie sei weiter gemeinsam mit der Meinungsforscherin Sabine Beinschab, die mutmaßlich als Hebel zwischen ÖVP, Finanzministerium und der Zeitung „Österreich“ agierte, tätig gewesen. Provisionszahlungen würden das belegen, ergibt eine ZIB2-Recherche. Die WKStA ermittelt wegen schweren Betrugs.

Kanzleramt fordert Geld von Karmasin

Die ehemalige ÖVP-Ministerin Sophie Karmasin hat wohl zu Unrecht nach ihrem Abgang aus der Politik eine Gehaltsfortzahlung beantragt. Nach ZiB2-Recherchen hat Karmasin im März 62.000 Euro zurückgezahlt. Das dürfte allerdings zu wenig gewesen sein und möglicherweise zu spät.

Teilrückzahlung nach ORF-Bericht

Die Causa ist eigentlich ein Nebenaspekt in der verwirrenden Zahl an Ermittlungen rund um die ÖVP-Inseratenaffäre, in der gegen Karmasin wegen Untreue und Bestechlichkeit sowie wegen Geldwäscherei, Vergehens gegen wettbewerbsbeschränkende Absprachen und schweren Betrugs ermittelt wird. Sie könnte aber für Karmasin zusätzliche negative Folgen haben.

Anfang März berichtete der ORF erstmals über die Bezugsfortzahlung an Karmasin, die im März fast ein Monat in U-Haft war. Karmasin überwies nur wenige Stunden später Geld an das Kanzleramt zurück – allerdings deutlich zu wenig. Etwas mehr als 62.000 Euro gingen damals auf dem Konto des Kanzleramtes ein.

Kanzleramt: Finanzprokuratur beauftragt

Das Kanzleramt rechnete nach und bemerkte, dass Karmasin insgesamt mehr als 74.000 Euro Bezugsfortzahlung erhalten hatte und fordert nun die Differenz von der Meinungsforscherin zurück. „Das BKA hat mit der Betreibung offener Ansprüche die Finanzprokuratur beauftragt“, heißt es aus dem Kanzleramt heute knapp. Mehr könne man zum jetzigen Zeitpunkt des Verfahrens nicht sagen.

Aus den Akten des Kanzleramts geht auch hervor, dass sich Karmasin nach dem Ausscheiden aus dem Amt der Ministerin erkundigt hat, ob sie zusätzlich zu den 75 Prozent des Ministerinnengehalts noch etwas dazu verdienen dürfe. Nachdem der Sachbearbeiter sie darüber aufgeklärt hatte, dass das nicht erlaubt ist, antwortete sie diesem in einem Mail an ihn „… das ist zu akzeptieren, dann werde ich nichts verdienen“.

Indiz für Verschleierungsabsicht

Tatsächlich fanden die Ermittler später Überweisungen, die zeigen, dass Karmasin noch als Ministerin Provisionen von Sabine Beinschab über die Firma ihres Mannes abgerechnet und dann weiter mit Beinschab zusammengearbeitet hatte. Die Ermittler verweisen darauf, „dass die Verrechnung dieser Ansprüche kurz vor der Antragsstellung auf Entgeltfortzahlung und unmittelbar nach Beendigung der Entgeltfortzahlung Anfang Juni 2018 erfolgte, was ebenfalls für eine Verschleierung der Ansprüche (…) spricht“.

„Tätige Reue“ als Ziel

Am 7. März konfrontierte der ORF Karmasin mit den Recherchen – und diese handelte umgehend. Wenige Stunden nach der Anfrage zu ihrer Bezugsfortzahlung hatte sie bereits öffentlich angekündigt, das Geld zurückzuüberweisen. „Frau Dr. Karmasin möchte so einen (ersten) Beitrag einer Verantwortungsübernahme leisten“, ließ ihr Anwalt damals wissen.

Doch Karmasin wollte damit auch ein weiteres strafrechtliches Problem aus der Welt schaffen. Denn Betrug ist nicht strafbar, wenn der Täter den Schaden wieder gutmacht, bevor die Behörden davon erfahren und ihn dazu zwingen. „Tätige Reue“ nennen Juristinnen und Juristen den Paragrafen, auf den auch Karmasin hofft.

Eindeutige Bewertung der WKStA

Da die ORF-Anfrage an Karmasins Anwalt am 7. März um 22.58 Uhr erfolgte und das Geld erst am 8. März an das Kanzleramt zurücküberwiesen wurde, geht die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) jedoch nicht davon aus, dass die „Tätige Reue“ hier greift. Es sei „völlig klar“ gewesen, dass es zu Ermittlungen kommen würde, hält die Staatsanwaltschaft in ihren Akten fest.

„Es ist daher der dringende Verdacht naheliegend, dass Mag. Dr. Karmasin-Schaller bei der behaupteten Rückzahlung in der Vorstellung gehandelt hat, unter den gegebenen Umständen – die Veröffentlichung der Rechercheergebnisse durch den Journalisten vor Augen – keine Möglichkeit einer erfolgreichen Verweigerung der Rückzahlung mehr zu haben.“

Die Staatsanwaltschaft ermittelt deshalb weiter wegen Betrugs gegen Karmasin – neben anderen Verdachtsmomenten. Karmasin und ihr Anwalt wollten gegenüber dem ORF Fragen zur Bezugsfortzahlung nicht beantworten.

Dreieinhalb Wochen in U-Haft

Karmasin war am 2. März im Zusammenhang mit der ÖVP-Inseratenaffäre festgenommen worden und erst Ende März aus der U-Haft enthaftet worden. Das Wiener Oberlandesgericht (OLG) gab einer Haftbeschwerde von Karmasins Anwälten Folge. Laut OLG sind aber der dringende Tatverdacht und die Haftgründe nach wie vor gegeben.

Karmasin musste unter anderem per Gelöbnis zusichern, bis zur rechtskräftigen Erledigung des Strafverfahrens keinen Fluchtversuch zu unternehmen und jeglichen Kontakt zu den anderen Beschuldigten in der Inseratenaffäre – Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), mehreren Kurz-Vertrauten, Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid, Karmasins ehemaliger Mitarbeiterin Beinschab und den Medienmachern Wolfgang und Helmuth Fellner – zu unterlassen.

WKStA: „Maßgebliche Ideengeberin“

Die WKStA verdächtigt Karmasin, „Urheberin und maßgebliche Ideengeberin“ eines PR-Tools gewesen zu sein, von dem der damalige Außenminister und spätere Bundeskanzler Kurz und die ÖVP mittels vom Steuerzahler finanzierten Umfragen profitiert haben sollen. Karmasin stellt das in Abrede. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.