Container vor Kränen in einem Hafen
AP/Peter Dejong
IWF-Prognose

Ukraine-Krieg „zerstört“ Erholung

Die Weltwirtschaft wird einer neuen Prognose zufolge heuer wegen des Krieges in der Ukraine deutlich langsamer wachsen. Gleichzeitig erwartet der Internationale Währungsfonds (IWF) für 2022 eine höhere Inflationsrate, angetrieben unter anderem von gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreisen. Laut IWF macht der Ukraine-Krieg die wirtschaftliche Erholung zunichte.

„Die Aussichten für die globale Wirtschaft haben einen harten Rückschlag erfahren, größtenteils wegen Russlands Einmarsch in die Ukraine“, erklärte IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas am Dienstag. In seiner neuen Prognose rechnet der IWF in diesem Jahr nur noch mit einem globalen Wachstum von 3,6 Prozent. Das sind um 0,8 Prozentpunkte weniger als im Jänner angenommen.

Für die Euro-Zone erwartet der IWF ein um 1,1 Prozentpunkte geringeres Wachstum von 2,8 Prozent. In Deutschland soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) demnach nur noch um 2,1 Prozent wachsen – eine Herabstufung der Prognose vom Jänner um satte 1,7 Prozentpunkte.

Verschärfung durch CoV-Welle in China

„Diese Krise passiert, obwohl sich die globale Wirtschaft noch nicht völlig von der Pandemie erholt hat“, sagte Gourinchas. Viele Staaten hätten mit hoher Inflation zu kämpfen, weswegen eine Straffung der Geldpolitik bevorstehe. Die Unterbrechungen globaler Lieferketten hielten an – wobei jüngste CoV-Lockdowns in China diese Probleme erneut verschärfen könnten.

Zerstörte Häuser in Lwiw (Ukraine)
AP/The Yomiuri Shimbun/Hiroto Sekiguchi
Die Ukraine wird um viele Jahre zurückgebombt, weltweit leidet die Wirtschaft

Krieg macht Erholung „zunichte“

Der IWF hatte seine globale Wachstumsprognose bereits im Jänner infolge der Omikron-Welle der Coronapandemie um 0,5 Prozentpunkte auf 4,4 Prozent gesenkt. „Gerade als eine dauerhafte Erholung von der Pandemie in Sicht war, brach der Krieg aus und machte jüngste Fortschritte potenziell zunichte“, erläuterte Gourinchas in einem Blogeintrag zu der neuen Wirtschaftsprognose.

Die jüngste Senkung der globalen Konjunkturprognose um 0,8 Prozentpunkte geht demnach vor allem auf die schlechteren Aussichten für Russland und die Europäische Union zurück. Russland steht infolge der harten westlichen Sanktionen vor einer tiefen Rezession, was rund 0,3 Prozentpunkte der Herabstufung ausmacht. Weitere rund 0,2 Prozentpunkte gehen auf die trüberen Aussichten in Europa zurück „wegen der indirekten Effekte des Krieges“. Positivere Aussichten haben angesichts steigender Preise 2022 derzeit nur die Volkswirtschaften großer Rohstoffexporteure, so der IWF.

Für Österreich heuer nur 2,6 Prozent

Für Österreich prognostiziert der IWF für heuer ein Wachstum der Wirtschaftsleistung um 2,6 Prozent und für kommendes Jahr einen realen Anstieg des BIP um 3,0 Prozent. Das WIFO ging im März für 2022 noch von 3,9 Prozent Wachstum aus, für 2023 von 2,0 Prozent – das IHS von 3,6 Prozent heuer und 2,3 Prozent BIP-Plus 2023. Im Vorjahr war das BIP um 4,5 Prozent gewachsen.

Prognose mit hohem Unsicherheitsfaktor

Die neue Wirtschaftsprognose ist dem IWF zufolge mit ungewöhnlich hoher Unsicherheit verbunden. „Das Wachstum könnte sich weiter verlangsamen, während die Inflation unsere Prognosen übertreffen könnte – zum Beispiel, falls Sanktionen auf Russlands Energieexporte ausgeweitet werden“, erklärte Gourinchas. Auch könnten gefährliche Varianten des Coronavirus, die den Impfschutz aushebeln würden, zu Lockdowns und Produktionsverzerrungen führen.

Die Inflationsrate soll vor allem wegen des Krieges länger als zuletzt angenommen hoch bleiben. Heuer rechnet der IWF in den Industriestaaten mit einer Teuerungsrate von 5,7 Prozent, also um 1,8 Prozentpunkte mehr als noch im Jänner angenommen. In Schwellen- und Entwicklungsländern soll die Inflationsrate im Durchschnitt 8,7 Prozent betragen, ein Plus von 2,8 Prozentpunkten.

Hohe Rohstoffpreise treiben Inflation

Ein wichtiger Treiber der Teuerungsrate sind die Rohstoffpreise. „Russland ist ein wichtiger Lieferant von Öl, Gas und Metallen und – zusammen mit der Ukraine – von Weizen und Mais. Ein geringeres Angebot dieser Rohstoffe hat ihre Preise scharf nach oben getrieben“, erklärte Gourinchas. Der Anstieg der Benzin- und Lebensmittelpreise werde weltweit vor allem Haushalte mit niedrigem Einkommen treffen, machte der IWF klar.

Die Preissteigerungen „könnten auch die Wahrscheinlichkeit sozialer Unruhen in ärmeren Ländern deutlich erhöhen“, hieß es weiter. Hilfsorganisationen warnen, dass vor allem Länder im Nahen Osten und in Afrika stark betroffen sein könnten.

Russische Wirtschaft bricht ein

Die russische Wirtschaft dürfte der IWF-Prognose zufolge dieses Jahr um 8,5 Prozent einbrechen, eine Herabstufung um 11,3 Prozentpunkte gegenüber dem Jänner. Andere Prognosen, etwa jene der Weltbank, rechnen sogar mit einer noch stärkeren Rezession. Für die Ukraine rechnet der IWF mit einer dramatischen Rezession – die Wirtschaft soll wegen des Krieges um 35 Prozent schrumpfen. Konjunkturprognosen für die Ukraine sind angesichts der andauernden Kämpfe allerdings mit besonders hoher Unsicherheit verbunden.