LNG-Tanker im Hafen in Barcelona
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Fokus auf Flüssiggas

Ausbau mit vielen Hindernissen

Das Ziel der EU ist ehrgeizig. Bis Ende des Jahres sollen aufgrund des russischen Angriffskrieges in der Ukraine die Gasimporte aus Russland um zwei Drittel reduziert werden. Erreicht werden soll das durch die Suche nach neuen Quellen und eine Reduktion der Gasnachfrage. Hoffnungen auf eine auch kurzfristig machbare Erhöhung liegen bei den Flüssiggasimporten (Liquefied Natural Gas, LNG). Dem stehen aber mehrere Hürden im Weg.

Im vergangenen Jahr wurden mit 155 Milliarden Kubikmetern 34 Prozent der EU-Gasversorgung aus Russland importiert. Bisher stammte ein Fünftel der europäischen Gasversorgung aus LNG unterschiedlicher Herkunft. Schon in den vergangenen Jahren stieg dieser Anteil. 50 Milliarden Kubikmeter will die EU nun allein durch LNG-Importe aus anderen Ländern erreichen. Damit würde der LNG-Anteil der EU an der weltweiten Versorgung von 15 Prozent auf fast ein Viertel steigen, errechnete die „Financial Times“ („FT“).

Das könnte schwierig werden, denn die Infrastruktur für Import und Verteilung des Gases hat Mängel, und unklar ist auch, wie groß die verfügbaren Mengen sind. Die Lieferung von Flüssiggas erfordert mehr Aufwand als Gastransporte über Pipelines. So muss Gas in speziellen Anlagen für den Transport auf Schiffen verflüssigt werden und dann am Ankunftsort wieder in Gas transformiert werden. Europa verfügt über 37 LNG-Terminals, diese sind geografisch aber ungleich verteilt.

Ungleiche Verteilung von LNG-Terminals

Spanien und Portugal verfügen etwa über die meisten Kapazitäten an LNG-Terminals. Diese werden aber nicht vollständig genutzt. Spanien gilt als Flaschenhals, denn es fehlt an ausreichend Pipeline-Verbindungen nach Frankreich und damit in andere EU-Länder, um das Gas weiter zu transportieren. Die mittel- und osteuropäischen Länder, die am stärksten von russischem Gas abhängig sind, darunter Österreich, haben auch die wenigsten Möglichkeiten, LNG zu importieren.

Blick von der Elbe auf den Hafen Brunsbüttel
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Nach jahrelangen Diskussionen will Deutschland nun neben Wilhelmshaven auch in Brunsbüttel einen LNG-Terminal errichten

Grundsätzlich gilt in den meisten EU-Ländern die Devise, die Infrastruktur für LNG-Terminals auszubauen und zu erweitern – auch in bisher zögerlichen Ländern wie Deutschland. Aber der Aufbau von LNG-Terminals braucht seine Zeit, nicht nur betreffend die Errichtung, sondern auch die Genehmigungen und Finanzierung. Zuletzt waren Banken und Investoren aufgrund der Bedenken wegen der Klimakrise zögerlich, in Öl- und Gasprojekte zu investieren. Es seien ein Dutzend Exportterminalprojekte in den USA genehmigt, aber die Finanzierung sei noch nicht gesichert, sagte ein US-Gasproduzent gegenüber der „New York Times“ („NYT“). Ähnliches gilt auch für geplante Importterminals in Europa.

In Deutschland etwa sollen nun nach jahrelangen Diskussionen in Wilhelmshaven und in Brunsbüttel LNG-Terminals entstehen. Der Hafenchef von Brunsbüttel bei Hamburg, Frank Schnabel, setzt sich schon seit Jahren für dieses Projekt ein. Bisher sprach die politische Lage gegen seine Pläne. „Es wurde deutlich gesagt, dass die Zuverlässigkeit der Lieferungen aus Russland nie infrage stand und man davon ausgeht, dass Russland immer zuverlässig liefern wird“, erinnerte sich Schnabel gegenüber der „Zeit“ an die Reaktionen aus der deutschen Politik. Nun soll es möglichst schnell gehen. Bis diese LNG-Terminals aber zum Einsatz kommen können, rechnen Experten mit mindestens drei Jahren.

Mobile LNG-Terminals schneller einsetzbar

Schneller würde es mit der Anmietung von speziellen Schiffen gehen, die in Küstennähe den flüssigen Brennstoff wieder in Gas umwandeln können. Estland und Finnland wollen gemeinsam einen schwimmenden Flüssiggasterminal leasen und bis Herbst in Betrieb nehmen. Litauen versuchte schon vor mehr als einem Jahrzehnt, die Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren. Bereits 2014 wurde ein schwimmender LNG-Terminal in Betrieb genommen.

LNG-Schiff
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Einige Länder wollen nun auf schwimmende LNG-Terminals setzen, da diese schneller verfügbar sein können

Das erlaubte Litauen Anfang April, als erstes EU-Land den Import von russischem Gas zu kappen. Deutschland plant, in den nächsten zehn Jahren vier solcher schwimmenden Einheiten anzumieten und in Betrieb zu nehmen. Italien und die Niederlande prüfen deren Einsatz.

Verknappung erwartet

Nicht nur der mangelhafte Ausbau der LNG-Importinfrastruktur kann den Bezug dieser Energiequelle bremsen. Es bleibt immer noch die Frage nach der auf dem Markt verfügbaren Menge von LNG. Die EU will auf LNG-Lieferungen vor allem aus den USA, aber auch aus Katar, dem weltgrößten LNG-Produzenten, sowie Ägypten und Westafrika setzen. Die USA sollen noch heuer zusätzlich 15 Milliarden Kubikmeter liefern – und insgesamt 37 Mrd. Kubikmeter. Zudem verpflichtete sich die EU, bis 2030 große LNG-Mengen aus den USA zu kaufen.

Selbst wenn die Produktionsmengen gesteigert werden, rechnet Luke Cottell, LNG-Experte bei S&P Global Commodity Insights, gegenüber der „FT“ in den nächsten zwei Jahren mit einer strukturellen Verknappung auf dem LNG-Markt. Im Vordergrund stehe der Wettbewerb zwischen Europa und Asien um die vorhandenen flexiblen Mengen und die Frage, wie viel Angebot sich Europa davon sichern könne – sehr wahrscheinlich verbunden mit einem Aufschlag auf den Preis.

Denn ein großer Teil des LNG-Angebots ist an langfristige Verträge vor allem mit asiatischen Ländern gebunden. „Kurzfristig gibt es wirklich keine guten Optionen, außer ein oder zwei asiatische Käufer anzuflehen, ihre LNG-Tanker für Europa aufzugeben“, sagte Robert McNally, Energieberater des ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush, kürzlich gegenüber der „NYT“. Japan und Südkorea verzichteten auf Drängen der Regierung von US-Präsident Joe Biden bereits auf einige Erdgaslieferungen. Auch mit China und Indien laufen Gespräche, um Lieferungen nach Europa umzuleiten.

„Gibt keine schnelle Lösung“

Welche Quellen auch immer die EU nutzen möchte – sei es LNG oder der Ausbau erneuerbarer Energien: Aufbau und Umstellung benötigen Zeit. Zudem mahnen Umweltschützer davor, durch die Suche nach schnellen alternativen Energiequellen die Auswirkungen auf die Klimakrise zu vernachlässigen. Befürchtet wird, dass mit dem Ausbau der LNG-Infrastruktur die Abhängigkeit von fossiler Energie auf viele Jahre verlängert werde.

Arbeiter neben einem Fracking-Förderturm in den USA
Reuters/Peter Powell
Umweltschützer sehen die Förderung von Flüssiggas über Fracking kritisch

Zudem wird in den USA LNG meist über Fracking gefördert. Dabei wird unter hohem Druck eine Flüssigkeit in den Boden gepresst, um das Gestein durchlässiger zu machen und daraus Gas und Öl zu fördern. Umweltschützer warnen vor schädlichen Emissionen und einer Gefährdung des Grundwassers. Energieexperte Jason Feer gab gegenüber der „FT“ skeptisch, dass Europa „in irgendeinem vernünftigen Szenario“ das russische Gas kurzfristig ersetzen könne: „Es gibt keine schnelle Lösung für dieses Problem.“