Pornos für Frauen

Raus aus der Schmuddelecke

Eine der wenigen Branchen, die von der CoV-Pandemie profitieren, ist die Pornoindustrie. Da auch immer mehr Frauen Pornos konsumieren – oder es zumindest vermehrt zugeben – boomen Sexfilme, die vor allem sie ansprechen sollen. Der weibliche Blick wird immer mehr zum lukrativen Geschäft, ob vor oder hinter der Kamera.

Pornos auf Abruf – mit dem Internetzeitalter sind die letzten physischen Barrieren des Konsums gefallen. Diverse Gratisangebote erleichtern den Zugang auch für Jugendliche. Zwischen Mädchen und Burschen gibt es zwar einen Gender-Gap, gleichzeitig aber eine liberale Einstellung zu Pornos, wie eine deutsche Studie 2013 herausgefunden hat.

„Im Gegensatz zu Burschen zeigen junge Mädchen eher Desinteresse oder sind von Pornos abgestoßen. Das liegt einerseits daran, dass kommerzielle, leicht zugängliche Pornografie inhaltlich auf heterosexuelle Männerphantasien zugeschnitten ist, andererseits hat es auch damit zu tun, dass Pornokonsum zum dominierenden gesellschaftlichen Verständnis einer ‚anständigen Frau‘ nicht passt“, meint die Kulturwissenschafterin und Medienpädagogin Rosa Danner gegenüber ORF.at.

Szene der Serie „The Principles of Pleasure“
2022 Netflix, Inc.
Weibliche Sexualität als Thema für Streamingriesen: „The Priciples of Pleasure“ bei Netflix

Kapern einer Männerdomäne

Spätestens mit dem Erscheinen des Buchs „Hard Core“ der feministischen Filmwissenschaftlerin Linda Williams im Jahr 1989 sind pornografische Filme im universitären Kontext angelangt. Daraus entwickelte sich auch eine medien- und kulturwissenschaftliche Forschung für das Filmgenre, das bis dato als „Schmuddelkind“ in der Filmwissenschaft galt, die Porno-Studies. Seit den 2000ern gibt es auch in Europa diesen Diskurs, zahlreiche Konferenzen, Lehrveranstaltungen und Publikationen deuten darauf hin.

Nach und nach setzen sich auch immer mehr feministische Regisseurinnen mit der Lust von Frauen und LGBTQ auseinander und kapern die Männerdomäne. Seit 2006 werden etwa in Kanada die Feminist Porn Awards, eine Art Oscars für feministische Pornografie, sowie in Europa die PorYES Awards, die gleichzeitig eine Art Gütesiegel für fair produzierte Pornos sind, vergeben.

Wie weit verbreitet diese Produktionen sind, zeigt sich immer deutlicher an den Marktzahlen, die aktuell steigen: Die Streamingangebote von Erika Lust, einer der bekanntesten Produzentinnen feministischer Pornofilme, abonnierten seit Beginn der Pandemie 50 Prozent mehr Menschen. Die deutsche Plattform Cheex, gegründet 2020 als Vertrieb für Sexfilme, Erotikhörspiele und Workshops für Frauen, macht eigenen Angaben zufolge Umsätze im Millionenbereich und verzeichnet mittlerweile knapp 100.000 Nutzerinnen und Nutzer.

Weibliche Lust bei Netflix und HBO

Immer mehr Start-ups, die Sexspielzeuge für Frauen vertreiben, sprießen aus dem Boden und fahren Millionengewinne ein. Auch die Streamingdienste folgen dem Zeitgeist, weibliche Sexualität in den Fokus zu rücken, etwa die Dokuserie „The Principles of Pleasure“, die sich ausschließlich weiblicher Lust widmet.

Dass das Thema bereits im Mainstream angekommen ist, zeigt beispielsweise „Minx“, eine HBO-Serie, in der eine Journalistin in den 1970er Jahren eine feministische Zeitschrift auf den Markt bringt und Artikel über Frauenrechte mit Fotos von nackten Penissen von Bauarbeitern und Feuerwehrmännern garniert, wodurch die Zeitschrift ein Riesenerfolg wird.

Von der Opernbühne aufs Pornoset

In Österreich mischt seit 2014 eine ehemalige Opernsängerin die Pornobranche auf. Adrineh Simonian hängte ihren prestigeträchtigen Job an den Nagel, um feministische Pornoproduzentin zu werden: „Für mich läuft Pornografie nicht nach ein und demselben Muster ab. Und permanent Genitalien in Großaufnahme zu zeigen, das finde ich vollkommen uninteressant. Für mich geht es um den Menschen dahinter, um die Emotionalität, um die Körpersprache.“

Produziert und auf ihrer Streamingplattform Vienna Arthouse zugelassen werden ausschließlich Filme von Filmemacherinnen und Filmemachern, die nach ethischen und feministischen Werten arbeiten, um einen Safe Space für Zusehende wie Filmemachende zu schaffen.

Szene des Films „Merci Madame Manon“
Madame Manon/Merci Madame Manon
Diversität von Gender, Ethnie und sozialer Klasse reflektieren: „Merci Madame Magnon“ läuft beim PFFV

Doch was zeichnet feministische Pornofilme aus? Grob gesagt lassen sich unter diesem Label Filme zusammenfassen, bei denen alle involvierten Personen zu fairen Konditionen arbeiten. Die Diversität von Gender, Ethnie und sozialer Klasse stehen an oberster Stelle – die Stilrichtungen reichen bis hin zu Bondage und BDSM.

Eine Plattform für vielseitiges Programm

Viele Städte haben mittlerweile eigene Pornofilmfestivals, die mit ihrer dezidiert feministisch-queeren Ausrichtung Filmen abseits vom Mainstream eine Plattform bieten wollen. Seit Mittwoch findet bereits zum fünften Mal das Porn Film Festival Vienna, kurz PFFV, statt. Simonian ist dort seit heuer als Programmverantwortliche im Einsatz.

Die Veranstalterinnen laden zum gemeinsamen Pornokonsum ins Kino, nach dem Motto: gemeinsam statt einsam hinter verschlossenen Türen. Der Künstler Yavuz Kurtulmus, einer der Mitbegründer des PFFV, wünscht sich im Interview einen schambefreiten Umgang mit den Filmen: „Dieses Genre ist normalerweise in privaten Räumen eingeschlossen, darüber zu reden ist tabu, und der Markt wird von langweiligen, kitschigen Mainstream-Pornos dominiert. All dem begegnen wir mit einem vielseitigen Programm, von Filmen über Gesprächsrunden bis Workshops, und natürlich Partys!“

Die MacherInnen des Pornfilm Festival Vienna Jasmin Hagendorfer und Yavuz Kurtulmus
Liebentritt
Die Macherinnen des Porn Film Festival Vienna: Jasmin Hagendorfer und Yavuz Kurtulmus

Für die Verantwortlichen des PFFV ist die Definition, was für sie feministische Pornofilme ausmacht, einfach: „Pornofilme sind ja eigentlich für einen ‚male gaze‘, also den männlichen Blick, geschaffen worden. Feministische Pornografie bricht genau das auf – es wird die Lust der Frau* ins Zentrum gerückt, gezeigt und festgehalten. Und das kann teilweise auch meinen, dass Frauen* nicht nur vor der Kamera Teil des Teams sind, sondern dass sich das auf die Produktion bezieht.“

Veranstaltungshinweis

Das Pornfilm Festival Vienna findet von 20. bis 24.04. in folgenden Wiener Locations statt: Schikaneder Kino, Top Kino, Raum D in MQ, Perform Studio, The Loft, Ponyhof und Queer Museum Vienna im Volkskundemuseum. Das Programm kann online abgerufen werden.

Wie das letztlich umgesetzt wird, ist sehr unterschiedlich. Aber das Wesentliche sei, so Kurtulums: „Feministische Pornografie bricht Stereotypen und hat das Potenzial, andere Geschichten zu erzählen – jenseits von Rollen- und Geschlechterklischees andere Körper, andere Sehnsüchte und andere Sexualitäten zu zeigen.“

Forderung nach „Fair-Trade-Pornos“

„Mainstream-Pornografie darf man prinzipiell ja auch nicht zu hundert Prozent verteufeln. Es wird da schon einiges unter guten Umständen produziert. Aber ein sehr großer Pulk an Dingen ist nicht so – das darf man niemals vergessen, und auch die Frage, in welcher Art und Weise wird das weitertransportiert im Netz“, so die Verantwortlichen des PFFV. Sie fordern „ethische Produktionen oder sogenannte Fair-Trade-Pornos“.

Für eine solche Produktion müssten am Set „gute Arbeitsbedingungen geschaffen“ und alle an der Produktion beteiligten Personen fair bezahlt, genaue Absprachen darüber getroffen werden, was und wie gedreht wird. Darüber hinaus müsse auf Hygiene, Gesundheit und Safer Sex geachtet werden und schließlich brauche es Transparenz darüber, „was danach mit dem Videomaterial passiert, wo es veröffentlicht wird“.

Das Programm des PFFV ist vielfältig: vom schwedisch-amerikanischen Spielfilm „Pleasure“ der Regisseurin Ninja Thyberg über Queer Porn und Pornokurzfilme bis hin zu Fun Porn Shorts, die sich selbst nicht allzu zu ernst nehmen, ist alles dabei. Das Festival bietet bis Sonntag 50 Veranstaltungen, 22 Kurzfilmreihen, acht Langfilme und 20 Side Events, Workshops wie „Sexpositive Tarot“ und eine Burlesque-Show.