Alexander Pirker im ÖVP Untersuchungsausschuss
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ÖVP-U-Ausschuss

Einblicke in „sehr emotionale“ Seite der Justiz

Am Mittwoch haben zwei Auskunftspersonen – mit „ÖVP-Hintergrund“, wie die Opposition sagt – dem U-Ausschuss Antworten geliefert. Der Leiter der Präsidialsektion im Justizministerium, Alexander Pirker, brachte pikante Details zu den Konflikten in der Justiz auf den Tisch. Der ehemalige Justizsektionschef Christian Pilnacek habe ihm etwa Beschimpfungen an den Kopf geworfen, wegen dienstrechtlich unterschiedlicher Ansichten. Zudem berichtete Pirker von einer neuen Anzeige gegen Pilnacek.

Pirker habe eine „bemerkenswerte Karriere“ hingelegt, so Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl. Mit 42 Jahren ist er bereits Sektionschef, durchlief zuvor schon diverse Stationen im Justizministerium. Nun leitet er die Präsidialsektion, eine „klassische Verwaltungssektion“, so Pirker. Am Beginn des Werdegangs stand eine Mitgliedschaft in der Jungen ÖVP, wie NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper erfragte.

Pirker konnte einige Einblicke in manche Vorgänge in der Justiz geben. Er schilderte die Aufregung rund um die heimlich aufgezeichnete Dienstbesprechung von Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und Pilnacek. Dessen Aufforderung bezüglich des langwierigen Eurofighter-Verfahrens lautete damals: „Daschlogt’s es!“ Pilnacek war zu der Zeit neben seiner Tätigkeit als Sektionschef der Strafrechtssektion auch Generalsekretär im Justizministerium.

„Kein Wort mehr“ mit Pilnacek

Pilnacek habe wegen der heimlichen Aufnahme „sehr emotional“ reagiert und wiederholt auf disziplinarrechtliche Schritte gegen die WKStA-Beteiligten gedrängt, so Pirker, damals auch Sektionschef. Pilnacek habe ihm „zu nächtlicher Stunde“ ein Mail geschrieben, dass eine Strafanzeige hermüsse, ansonsten mache sich Pirker strafbar. Eine förmliche Weisung habe es aber nicht gegeben. Pilnacek sei generell ein emotionaler Mensch und habe „vielfach“ Mails mit Beschwerden geschickt.

Verfahrensrichter Wolfgang Poeschl
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Verfahrensrichter Pöschl begann die Befragung Pirkers

Pilnacek rede mittlerweile „kein Wort“ mehr mit ihm, sondern habe ihm zuletzt nur mehr Beschimpfungen an den Kopf und den Dienstausweis vor die Füße geworfen. Habe man anfangs noch ein gutes Verhältnis gepflegt, habe sich dieses bald abgekühlt – wegen dienstrechtlich unterschiedlicher Ansichten, so Pirker.

Auch das Verhältnis zwischen der WKStA und dem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, dessen Suspendierung kürzlich wieder aufgehoben wurde, sei „nicht friktionsfrei“ gewesen. Es habe Vermittlungsversuche gegen, etwa durch Mediation, doch ohne Erfolg, so Pirker.

Der „Fall K.“

Dass es bei Postenbesetzungen Wünsche aus der Politik gegeben habe, darüber habe er keine Wahrnehmungen, sagte Pirker. Auch von Ministern sei so etwas nicht an ihn herangetragen worden, „im Gegenteil“. Diese hielten sich zumeist an die Vorschläge der zuständigen Besetzungskommissionen – aber auch nicht immer, es habe unter jedem Minister oder Ministerin Umreihungen gegeben. So sei auch die aktuelle Justizministerin Alma Zadic (Grüne) einmal von einem Vorschlag abgewichen.

Ausführlich zur Sprache kam auch der „Fall K.“. K. hatte sich unter ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter 2015 um eine Abteilungsleitung beworben und war im Bestellungsverfahren auch deutlich erstgereiht. Auf Brandstetters Entscheid bekam allerdings die Zweitgereihte den Posten. Der Fall geriet in die Schlagzeilen, weil Brandstetter ein Hearing ansetzte und dort angeblich seinen Chauffeur platzierte – was der Ex-Minister bestritt.

U-Ausschuss: Auf der Spur von Blümels Laptop

Der Laptop des ehemaligen Finanzministers Gernot Blümel in der Wickeltasche, das „Beinschab-Tool“ und die Aktenlieferung des Finanzministeriums sind am Mittwoch Thema der Befragung von Clemens-Wolfgang Niedrist, derzeit Kabinettschef im Finanzministerium, gewesen. Die Stimmung war mitunter gereizt, Niedrist entschlug sich immer wieder.

K. wehrte sich gegen die Personalentscheidung, das Bundesverwaltungsgericht gab ihm recht. Brandstetters Entscheidung war „ungerecht“, sagte Pirker, der selbst nicht bei dem Hearing war. Doch nicht jede Umreihung sei auch rechtswidrig.

Anzeige gegen Pilnacek

Eine Anzeige gegen Brandstetter in dieser Causa kam nicht zustande, obwohl, so Pirker, die Fachabteilung eine Anzeigepflicht gesehen habe. Das wisse er selbst aber erst seit Jänner, nachdem ein entsprechender Mailverkehr Pilnaceks gefunden worden sei. Nun habe man daher diesbezüglich eine ergänzende Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen Pilnacek eingebracht, sagte Pirker. Gegen Brandstetter wurde in der Sache die Innsbrucker Staatsanwaltschaft selbst tätig. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Die Wickeltasche, nicht der Kinderwagen

Vor Pirker hatte bereits Clemens-Wolfgang Niedrist, aktueller Kabinettschef im Finanzministerium, auf dem Sessel der Auskunftspersonen Platz genommen. Einer breiten Öffentlichkeit ist Niedrist nur indirekt bekannt. An ihn hatte sich Pilnacek gewandt, als die Einvernahme des damaligen Finanzministers Gernot Blümel (ÖVP) bevorstand. Pilnacek fragte damals: „Wer vorbereitet Gernot (sic!) auf die Einvernahme?“

Zudem war Niedrist zur Stelle, als er im Zuge einer Hausdurchsuchung jenen Laptop zurückbrachte, den Blümels Frau mitgenommen hatte – übrigens nicht im Kinderwagen, wie oft kolportiert, so Niedrist im Ausschuss. Der Laptop habe sich in einer Wickeltasche befunden, in der Blümels Lebensgefährtin ihn am Vorabend schlicht vergessen habe.

Über mögliche Inhalte auf dem Computer habe er mit Blümels Partnerin nicht gesprochen, denn die Beamten hätten schon gewartet. Beruflich habe Blümel keinen Laptop gehabt, wenn er eine Rede zu schreiben hatte, habe er sich einen von einem Mitarbeiter ausgeborgt, so Niedrist.

Clemens-Wolfgang Niedrist beim ÖVP Untersuchungsausschuss
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Niedrist (rechts) gab sich wortkarg und entschlug sich wiederholt

Wechsel in die Verwaltung angedacht

Kurz nach der Hausdurchsuchung gab es dann Mails aus der Personalabteilung im Finanzministerium, die NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper vorlegte. Diesen zufolge interessierten sich verschiedene Personen für Stellen in der Verwaltung des Ministeriums – darunter auch Niedrist, der ebenfalls seine Karriere in der Jungen ÖVP begann. Er habe sich den Themen der Finanz sehr verbunden gefühlt und wollte dem Haus als Beamter in der Verwaltung verbunden bleiben, unabhängig von der Politik, so Niedrist aus seiner „bruchstückhaften Erinnerung“ dazu. Er habe diese Idee dann aber wieder ad acta gelegt.

Das Interesse der anderen Personen nach einem Wechsel erklärte er mit dem Wunsch dieser Personen, „was anderes zu machen“ aufgrund „politisch volatiler Zeiten“. Ob diese wirklich gewechselt hätten, wisse er nicht.

U-Ausschuss: Auf der Spur von Blümels Laptop

Der Laptop des ehemaligen Finanzministers Gernot Blümel in der Wickeltasche, das „Beinschab-Tool“ und die Aktenlieferung des Finanzministeriums sind am Mittwoch Thema der Befragung von Clemens-Wolfgang Niedrist, derzeit Kabinettschef im Finanzministerium, gewesen. Die Stimmung war mitunter gereizt, Niedrist entschlug sich immer wieder.

Ministerium stellt Vergabe neu auf

Thema bei der Befragung Niedrists war auch das „Beinschab-Tool“, also die Umfragen im Auftrag von bzw. für das Finanzministerium. Diese zogen bekanntlich eine Prüfung durch die interne Revision im Ressort nach sich. Dazu sei inzwischen eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden, die eine Neuaufstellung des gesamten Vergabesystems erarbeiten soll, so Niedrist. Erste Ergebnisse sollen nach dem ersten Halbjahr vorliegen. Geprüft werde auch, ob es persönliche Konsequenzen für involvierte Personen geben soll. Für den Leiter der zuständigen Abteilung im Bundesministerium für Finanzen habe es mittlerweile dienstrechtliche Konsequenzen gegeben.

Der Kabinettschef gab sich ansonsten wortkarg, so wie schon bei seiner Befragung im „Ibiza“-U-Ausschuss voriges Jahr. Zu seinen Kontakten mit Pilnacek entschlug er sich gänzlich, da es diesbezüglich laufende Ermittlungen gebe – auch hier gilt die Unschuldsvermutung. Erneut gab es auch teils hitzige Geschäftsordnungsdebatten über die korrekte Stellung der Fragen. Vorschussvorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) drohte gar, die Mikrofone wieder so umzustellen, dass die Abgeordneten nicht einfach selbst das Wort erheben können. Wenig später übernahm der Zweite Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ) den Vorsitz.

Wolfgang Sobotka (ÖVP)
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Sobotka drohte damit, die Hoheit über die Mikrofone an sich zu nehmen

Spannend verspricht auch der zweite Befragungstag diese Woche: Am Donnerstag ist Linda Poppenwimmer als Auskunftsperson geladen, jene karenzierte Korruptionsstaatsanwältin, die derzeit ausgerechnet bei der Anwaltskanzlei Ainedter arbeitet, die auch ÖVP-Klientel vertritt. Danach wird „Ibiza“-Staatsanwalt Bernd Schneider. befragt. Er ist federführend für die Ermittlungen zu den kriminellen Aspekten rund um die Herstellung des Videos zuständig.